[Eliza & Galen] Kaffeekränzchen und hässliche Wahrheiten

"Ich melde mich wegen der Sache dann bei dir, sobald ich was in Erfahrung gebracht habe." Der Zauber, der ihre Gedanken miteinander verband, versiegte.

Taten sprechen ohnehin mehr als Worte. dachte er.

"Zögere nicht, dich zu melden, wenn du etwas brauchst."

"Ja, gerne! Ich gebe dir auch Bescheid wenn ich mehr weiß. "

Sie schloss die Autotür, winkte Galen zu, drehte sich zum Parkplatz und ging zu ihrem kleinem buntem Hippie-Bulli. Sie stieg ein und fuhr zu Fleetwoods Kabale.

Auf der Fahrt dachte er über die Begegnung mit Eywa nach und war sich nicht sicher, wie er sie beurteilen sollte. Und vor allem musste er überlegen, wie er jetzt mit ihrer Situation umgehen sollte. Er selbst hatte nur begrenzte Möglichkeiten einen Gegenangriff zu verüben. Die Fähigkeiten einer Mastigos waren sicher nützlich, aber er sollte eine unerfahrene Teenagerin auch nicht in direkte Opposition zu den Sehern des Throns bringen. Das wäre weder für sie noch ihn Eywa und ihn gut.

Also brauchten sie Unterstützung. Allerdings hieß das, dass er persönliche Informationen über sie an Kivutar, Proxy oder Angerona weiter geben musste. Wie persönlich und öffentlich waren diese? Nun, wenn es jemanden gab, der ein Geheimnis bewahren konnte, dann die Hüter, soviel war klar. Außerdem wussten bereits mehrere Mitglieder - darunter diese Zenobia - von ihrer Geschichte. Eine Deanonymisierung wäre also ohne weiteres möglich. Aber er musste das ja nicht überbetonen. Wichtig war, dass sie durch ihr Erwachen Greensheets Untergang anzettelte, nun die Seher hinter ihr her seien und diese wiederum in den kommenden Tagen eine Operation gegen sie in den Weg leiten würden. Das waren die absolut notwendigen Informationen und diese musste er weiterleiten.

Bald war er in der Irminsul angekommen, entstieg dem Wagen und war auf dem Weg in den Raum der Schleier. Nach seinem Gespräch mit Angerona würde er wohl mit Mister 'Wir sind nicht die Wohlfahrt' sprechen müssen. Aber eine Seher-Operation hielt er für groß genug, um damit direkt zu Angerona zu gehen.

"Galenus."
Angerona war aus den Schatten ihres astralen Refugiums aufgetaucht, nachdem er durch die Schleier der Irminsul meditiert war und den geheimen Pfad mit dem Kugelstoßpendel geöffnet hatte. Das leise Klacken der Kugeln klang irgendwo in der Dunkelheit.

"Angerona." erwiderte er. "Ich habe einiges zu berichten."

Zunächst berichtete er ihr von den Vorkommnissen seiner Operation in Oakland, auch von Kenshins Vermutungen den Hafen betreffend und von seinem Vorhaben, eine Kabale zu gründen. Dann jedoch kam er zu der Begegnung mit Eywa.

"Ich traf mich mit einer kürzlich erwachten Acanathus, die vom freien Konzil schöne Augen bekommt. In ihrem Erwachen verfluchte sie Greensheet dazu unterzugehen. Es gibt Kräfte in Union City, die ihr seither das Leben schwer machen. Jetzt befindet sie sich in San Fransisco und weiß von einem möglichen Angriff der Seher im Laufe der nächsten Woche. Sie hat die Person aus ihrer Vision identifiziert und wir vermuten, es wird ein Profane Urim eingesetzt. Sie erbittet unsere Hilfe diesbezüglich und Merryweather wünscht sich ebenfalls unser Eingreifen, solange die Ergebnisse unserer Gegenoperation mit ihm geteilt werden." erklärte er.

Angerona legte den Kopf schräg und die Ebben und Fluten, die ewig voranschreitenden Gezeiten des Zeitarkanums wallten um sie her, doch ihr Nimbus blieb verborgen.

"Brone Venus umgeht mich nicht nur wegen ihrer Renitenz mir gegenüber. Du wirst eine wichtige Information erhalten durch deine neue Quelle."
Die Wirbel der Zeit wogten weiter.
"Diese Information hat nichts mit deinen Ermittlungen oder dem Kampf gegen den Thron in Oakland zu tun. Sie führt zu... etwas von Wert. Ich kann es nicht genauer sehen... aber Bronze Venus muss es auch gespürt haben."

Wie immer war Angeronas Stimme tief und unergründlich.
"Angriff? Was für eine Art Angriff?"

"Es wird demnächst ein Treffen zwischen dem Redakteur und dem Informanten in dieser Stadt geben. Ich werde sehen, was dabei heraus kommen wird."

"Den Sehern ist ihre Identität bekannt. Eine Frau in einem weißen Blumenkleid würde in ihre alte Wohnung eindringen und dort nach Spuren suchen. In einer abgewendeten Zeitlinie würde sie dort einen Bekannten ihrerseits treffen und einschüchtern. Hört sich für mich wie eine verdeckte Operation zur Beschaffung von Informationen und sympathetischen Material an." Galen überlegte kurz.

"Besorgniserregend. Liegen nähere Informationen über den Zeitpunkt des Übergriffs vor?"

Sie wendete sich zur Dunkelheit hin.
"Ein Profaner Urim ist nicht ganz leicht zurückzuverfolgen. Wie immer, wenn sympathetische Magie im Spiel ist, kann es schwierig sein, ein sympathetisches Yantra des Anwenders zu erlangen. Ein Urim erschwert dieses Unterfangen noch mehr, da er während der Anwendung die sympathetische Verbindung zwischen dem Seher und seiner Marionette so stark macht, dass nur ein Meister des Raumarkanums noch Einfluss auf sie hat. Selbst wenn eine Zurückverfolgung gelingt, was hat man dann erreicht? Das Profane Ornat ist den Sehern heilig, man kann also davon ausgehen, dass diese Artefakte stets in schwer gesicherten Sancta aufbewahrt werden. Ich glaube, es gilt darüber nachzudenken, welche Ziele wir mit möglichen Gegenmaßnahmen verfolgen."

Spoiler:

Galen, der noch immer gedanklich an der Geschichte und der Veränderung materieller Dinge hing, antwortete: "Sie trug heute das Kleid. Und sie wird es tragen, wenn sie in der Wohnung ist. Entweder es passiert also vor dem nächsten Waschgang, oder danach."

"Das ermöglicht es gegebenenfalls, an einem Tag Ermittlungen anzustellen, an denen der Zugriff nicht passieren wird. Interessant wäre, den Vektor zu klären... wie erlangt ein Seher eine sympathetische Verbindung zu jemandem in San Francisco? Findet man das heraus, kann man womöglichen diesen und zukünftige Fälle abwenden."

Angerona wendete sich wieder Galen zu.
"Anderenfalls sehe ich nur zwei Möglichkeiten: Wir lassen den Seher gewähren oder wir konfrontieren ihn. Letzteres läuft entweder auf ein Vertreiben hin... oder eine vorübergehende Gefangennahme."

"Dem ist zwar so - aber wenn sie das Kleid morgen erneut anzieht, dann lassen sich keine Ermittlungen vorab anstellen."

"Ihre ehemalige Bleibe, so wie ich es verstanden habe, ist befreit von Spuren und sympathetischen Material. Die Mission wird wahrscheinlich ergebnislos verlaufen, sollten wir nicht eingreifen." erwiderte Galen. "Die Seher gewähren zu lassen, würde uns am Tag der Besessenheit die Chance geben, Ermittlungen anzustellen und die Seher nicht wissen lassen, dass wir Bescheid wissen. Andererseits sollte man sie auch spüren lassen, dass sie nicht einfach nach San Fransisco vordringen können." argumentierte er.

Galens totenblasser, geisterhafter Astralkörper in seiner Kutte schwieg einen Moment lang.

"Ich werde die Nacht damit verbringen, Recherchen über die Frau in dem Kleid anzustellen."

"Da es fraglich ist, welche Resultate so eine Ermittlung haben würde, tendiere ich dazu, den Sehern eine deutliche Botschaft zu senden. Wenn der Übergriff nicht heute oder morgen stattfindet, sehe ich auch die Möglichkeit, mystische Vorbereitungen zu treffen. Ich arbeite seit geraumer Zeit an einer Palette von Gegenmaßnahmen gegen die Profanen Urim."

Sie nickte langsam.
"Tu dies. Ich werde dich gegen Mitternacht kontaktieren."

"Proxy ist in die Ermittlungen gegen Greensheet involviert, aber über die jüngsten Erkenntnisse uninformiert." stellte Galen in den schwarzen, leeren Raum.

"Dann mögest du ihn informieren."

Galen nickte schweigend zum Abschied und zog sich zurück in die Schatten, aus denen er gekommen war.

Ohne eigenen Rechner musste er ohnehin für die Recherche-Arbeit zu Proxy, also fuhr er dorthin.

Das große Stadthaus lag ruhig da und er fand Proxy in dem Schuppen im hinteren Garten, wo er irgendwas mit einer Hand codete, während er mit der anderen einen Energy-Drink herunterkippte.

Er blickte nur kurz über die Schulter und quittierte Galens Ankunft mit einem unbestimmten Geräusch, das man wohl mit etwas Fantasie als Begrüßung werten konnte.

"Es wurde durch eine vor wenigen Tagen Erwachte der Verdacht, dass Greensheet ein Projekt der Seher ist, verifiziert." begann er und gab Proxy einen kurzen, bündigen Abriss dessen, was er auch Angerona schon berichtete.

Proxys Miene verfinsterte sich zusehens mit fortschreitendem Bericht.

"Seher sind direkt... naja, direkter als sonst aktiv in San Francisco? Das ist schlecht. Das ist verdammt schlecht. Das können wir so nicht hinnehmen."

"Da stimme nicht nur ich dir zu." sagte er mehrdeutig.

"Wir können das Zeitfenster etwas eingrenzen: Die Wahrscheinlichkeit des Zugriffs innerhalb der nächsten Tage entspricht näherungsweise einer umgekehrten Normalverteilung. Vor, oder nach dem nächsten Waschgang wird es geschehen. Die Nacht heute werde ich für die Recherche über die Frau im Rosenkleid nutzen. Es sollte eine Verbindung in die Tri City Area - Union City am besten - bestehen."

Er nickte.

"Irgendeine Verbindung muss es geben. Vielleicht arbeitet sie da, oder kennt jemanden von dort. Irgendwie müssen die Seher zugriff auf ihre Sympathie bekommen. Ehrlich gesagt vermute ich ein System dahinter. Diese Frau wohnt in der Nähe vom Ziel, dieser WG der neuen Erwachten, richtig? Das wird kaum ein Zufall sein. Und wenn es einer ist, ist Schicksalsmagie im Spiel."

Mit miesepetriger Miene grummelte er vor sich hin.
"Ich kann dir meine Sympathiebrille ausleihen. Sie ist so verzaubert, dass man sympathetische Verbingungen mit ihr sehen kann."

"Und ich hatte mich auf einen langweiligen Abend voller Internetrecherche gefreut." moserte er.

"Ich fahre zu ihr, überprüfe ihre Verbindungen, dann gleichen wir diese mit einer Liste ihrer sozialen Netzwerk-Kontakte ab und arbeiten die wahrscheinlichsten Kandidaten heraus."

"Sobald du mir Namen, Adresse und am besten ein Bild liefern kannst, übernehme ich den Online-Teil von hier, dann können wir simultan und reziprok arbeiten."

Proxy wendete sich seinem PC zu und zog einen USB-Stick.
"Außerdem habe ich ein Dossier über Linda Hurst angelegt. Das sind die Daten."

Er steckte den Stick in eine Laptoptasche, die neben dem Schreibtisch stand und reichte diese dann an Galen.
"Und da ist dein neues Gerät drin."

Kurz dachte Galen nach, wie und ob er eine Kamera mit ins Zwielicht nehmen konnte. Bei einem Auftrag wie diesem galt es, keine magischen Spuren zu hinterlassen, aber das würde er nicht, wenn er im Zwielicht keine Magie wirken würde und seine Spuren dort direkt absterben ließ... Zumindest soweit er wusste.

Zum Beschatten reichten seine Schleich-Talente vielleicht aus, auf keinen Fall jedoch zu einem Einbruch.

Er nahm den Laptop entgegen. Wenn ich Zeit habe, sollte ich nach Proxys Backdoors auf dem Gerät suchen., dachte er.

"Danke." Er hing sich die Tasche um.

"Hmhm", machte Proxy und widmete sich bereits wieder mit annähernd 100% den Systemen.

Galen traf noch nötige Vorbereitungen und machte sich zügig auf den Weg zur Wohnung der Frau mit dem Rosenkleid.