[Galen] Dunkle Orte

Die Zimmer fielen aus, da er dort aufgrund der Patienten nicht ohne gesehen zu werden aus dem Zwielicht fliehen konnte. Allerdings fand er relativ weit vorne im Korridor einen Putzmittelraum. In der realen Welt war dieser verschlossen und leer, im Zwielicht lagen einige alte Plastikbehältnisse und vergammelte Putzlumpen in sonst leeren, rostigen Regalen. Im Zwielicht war immerhin noch eine relativ intakte Tür aus nur leicht angemorschtem Holz übrig. Wenn er von neben der Tür aus schoss, konnte er den ganzen Korridor ins Visier nehmen und sich anschließend in dem Raum verbarrikadieren, während Sh'aoc den Nahkampf übernahm.

Galen nickte zu der Tür. "Da legen wir unseren Hinterhalt." sagte er. "Wir warten, bis sie kommt, um sie zu überraschen. Leise und zügig vorstoßen."

Und damit machte er sich leise und zügig zu der Tür auf - öffnete diese und stellte sich in den Rahmen... Soweit zumindest der Plan.

Sh'aoc glitt lautlos hinter ihm her und sie erreichten den Raum, ohne wütende Geister auszuscheuchen.

Galen stellte sich in den Rahmen der Tür.

"Wenn sie zu nahe kommt, hau ich da rein ab. Ab da liegt es an dir."

"Gut. Und wenn ich 'magischer Drachenfurz' rufe, ist dass das Zeichen, dass wir lieber verschwinden sollten", flüsterte Sh'aoc, der sich mit ihm in den Türrahmen gequetscht hatte.

"Verstanden... Uhrenvergleich?" witzelte er.

"Hab keine", gab der Goetia trocken zurück.

Er nickte... Jetzt hieß es, sich auf die Lauer zu legen und den Überraschungsmoment nutzen.

Das regelmäßige Krachen ging weiter, und sie lagen für Minuten auf der Lauer, die sich deutlich länger anfühlten. Dann schoss Veronica plötzlich ohne Vorwarnung aus dem Raum und riss den Kopf zu ihnen herum. Kreischend, mit ihrem Metallrohr über dem Kopf erhoben, stürmte sie den Korridor entlang auf sie zu.

Spoiler:

Grütze, sie hat uns entdeckt. Reichweite ausspielen!

Er legte die Waffe an, zielte konzentriert - dachte an die Schusswechsel mit Agni. Das hier ist auch eine gute Übung...

Ein Schuss der Halbautomatik löste sich - ein dumpfes Geräusch - und schlug irgendwo in Veronicas Schulter ein.

Der Sprint der Geisterfrau blieb davon ungebremst. Sh'aoc warf sich ihr entgegen - und wurde von dem Metallprügel getroffen. Sie schmetterte einfach durch den Schildzauber hindurch. Wie ein Sack voller Schlamm klatschte er gegen die Korridorwand und japste kurz erschrocken, dann aber wurde sein Blick grimmig und schwarze Tentakel wickelten sich um ihren Körper. Galen spürte peripher, dass etwas Übernatürliches am Werke war.

Ohje... Der Arme...

Galen versteckte sich hinter der Tür und stemmte sich von innen gegen sie... Dann beobachtete er den Kampf durch Sh'aocs viele Augen weiter.

Er sah die rasende Frau aus mehreren verschiedenen Perspektiven mit leicht unterschiedlichen Winkeln, da Sh'aoc sich einige zusätzliche Augen hatte wachsen lassen. Sie drosch wie eine Irre immer und immer wieder auf ihn ein, sodass sogar einige der Perspektiven wegfielen, weil sie die dazugehörigen Augen zermalmte. Das bansheehafte Kreischen Veronicas klingelte in den Ohren.

Galen sah wieder einen Stoß übernatürlicher Macht von Sh'aoc auf Veronica prallen, aber diese schien gänzlich ungerührt und schlug beserkerhaft weiter zu.

Wir verlieren!

Galen riss die Tür einen Spalt weit offen, sodass er Veronica erblicken konnte, hob seine Hand in dessen Innenfläche die bleierne Münze lag.

Übernimm ihren Instinkt. Wende ihn gegen sie!

Die Unterwelt zog ohnehin an ihr. Er musste nur die Last verstärken.

Leg dich hin... Und bleib liegen! befahl er ihr, verstärkte die Last auf ihren Schultern ins Unermessliche und ein kleines Blutrinnsal bildete sich unter seiner Nase.

Er spürte, wie seine Magie, die sich um sie herumwob, gegen den Willen des Geistes ankämpfte - wummernde Kaskaden entropischer Energie pulsierten durch den Raum, und Galen spürte, wie seine arkane Macht unterlag und zerstreut wurde.

Wieder schlug Veronica zu, doch ihr Schlag prallte gegen eine graue Barriere, die kurz im Zwielicht sichtbar wurde und dann wieder nebelig verschwand. Sh'aoc nutzte die Chance und wickelte seine Tentakelarme fester um sie, vor allem auch um den Arm, der die Metallstange hielt.

Er hatte sie im Schwitzkasten - aber noch war die Gefahr nicht gebannt... Dem Sog der Unetrwelt war sie gefeilt, aber vielleicht nicht der Kälte des Zwielichts.

Lass die Waffe fallen und erstarre! befahl er ihr, während er die Kälte des Zwielichts erst ihren Arm und dann ihren ganzen Körper ergreifen ließ.

Dem Zauber flößte er reichlich Mana ein, damit die Kräfte des Abgrundes nicht mehr an ihm rissen.

Mit einem schweren Klonk fiel das massive Eisenrohr zu Boden. Veronica stand erstarrt da, den Arm noch erhoben, die Hand um eine Waffe gekrampft, die nicht mehr da war. Ihr irrer Blick ging ruckartig nach links und rechts - ihre Augen konnte sie noch bewegen - und traf Galens Blick durch den Türspalt. Noch nie hatte er einen Blick gesehen, der so intensiv voller Hass und Wut war.

Sh'aocs Tentakel legten sich weiter um sie und der Goetia begann mit hochkonzentrierter, aber doch ziemlich zerdellter Miene, den Rest der Essenz in ihr aufzusaugen, was ihm allerdings sichtlich Schwierigkeiten bereitete.

Spoiler:

Fast komplett war die Frau nun von den schwarzen Schlingen Sh'aocs umwunden, nur ihr rechtes Auge starrte noch hasserfüllt auf Galen. Nach und nach schaffte der Goetia es, die letzte Energie aus ihr zu ziehen. Dann drückten die Tentakel zu und ersticktes Röcheln und Zucken deutete den Todeskampf des schon gestorbenen Wesen an. Dann schnellten die Tentakel plötzlichin sich zusammen und gräulicher Dampf quoll zwischen ihnen hervor... Veronica war nicht mehr da.

Der Dampf floss zu Boden und wurde erst langsam, dann immer schneller, wie von nicht wahrnehmbaren Windstößen, in Richtung Ausgang der geschlossenen getragen. Als der kleine Fluss Galen passierte, formte der Dampf kurz das Gesicht der Verstorbenen, nun nicht mehr vor Wut verzerrt sondern zutiefst traurig.

"Warum?.... mein Kind...", klang ihre Stimme wie ein fernes Echo, dann verschwand ihr Gesicht wieder.

Während Sh'aoc ihr die Essenz absaugte, nahm er all die überschüssige Essenz in sich auf... Ein berauschendes Gefühl, dass ihn durchströmte. Vielleicht lag es auch an Sh'aocs eigener Färbung, aber Galen fühlte sich vollkommen berauscht von dem Mana der verstorbenen Vernoica. Plötzlich verstand er Dolor und Fames doch ein Stück weit.

... Nur mächtiger! hörte er seine anklagende Stimme, während er in Veronicas verblassendes Gesicht sah.

Er sah zu Sh'aoc und kicherte leise.

"Sehr gut."

Sh'aoc glitt ein stück zurück und sackte kraftlos in sich zusammen.

"Sehr gut?", nölte er erschöpft.

"Das nennst du sehr gut? Diese verrückte Alte hat mich fast umgebracht!"

Galen legte den Kopf schräg und betrachtete Sh'aoc.

"Ich habe nichts von irgendwelchen Drachenflatulenzen gehört." antwortete er. "Und ich kam dich retten. Wie auch immer. Sehr gute Arbeit, Sh'aoc. Ich kann dich bald ins Zwielicht entlassen. Oder wäre dir ein Kuraufenthalt lieber?" Er tippte sich an den Kopf.

Er trat auf die klumpige Masse zu und entriss ihm die Fähigkeit, sich von der Essenz Geister zu nähren. Damit fühlte er sich schon einmal um einiges leichter.

"Hehehe...ack!"
Sh'aoc lachte dreckig und musste dann husten.

"Mach dir keine Hoffnung, so schnell wirst du mich nicht los."

"Ich kann dich leider nicht zusammenflicken." sagte er tatsächlich etwas besorgt. "Du wirst dich wohl eine Weile lang schonen müssen." Vielleicht flickt dich ja auch Zakar zusammen. Naja... Mal sehen.

Er reichte ihm die Hand.

"Na los... Steh auf."