Way Down In The Hole

"Du hattest schon zwei! Willst du, dass dir wieder schlecht wird? Von einem einzigen kriegt man schon die richtige Menge", rügte sie ihn.

Rob seufzte schwer und schloss die Augen.

"Ich glaub, ihr habt den Teig nicht richtig durchgemengt. In meinen war kaum was drin." spaßte er... so halb. Inzwischen war er auch schon ziemlich breit. "Mom... Deine Chefin sitzt übrigens in der Jury."

"Klar hab ich den Teig richtig durchgemengt. Das kann bis zu ner Stunde dauern, bis die Wirkung einsetzt - und das weißt du ganz genau", frotzelte sie.

Dann war sie erstaunt.

"Meine Chefin? Welche Chefin? Die Kuratorin von meiner Galerie?"
Das war jemand anderes. Mrs. Devereux war eher die Chefin ihrer Chefin.

"Nein, diese... die Devereux." erklärte ihr Sohnemann ruhig und besonders gelassen. "Die sponsert den ganzen Rock Off und sitzt da mit in der Jury."

Charlett machte große Augen.

"Was? Echt? Mara Kathleen Devereux persönlich?"
Es war selten, dass seine Mutter so genuin erstaunt war.

"Das ist ja was. Wusste ich gar nicht... ich meine, sie ist ja schon ein ziemlich großer Fisch."

"'Nen großer Fisch, der sich neuerdings für Underground und Alternativekultur interessiert?" fragte er etwas misstrauisch. "Hast du 'ne Ahnung, was die da sucht?"

Sie schüttelte den Kopf.

"Ich hab keinen blassen Dunst. Musik an sich ist in der Stiftung soweit ich weiß unterrepräsentiert. Irgendwelche Klassiksachen werden gesponsort... sonst geht es eher immer Richtung Gemälde und vielleicht Skulpturen."

"Mit Klassik macht man heutzutage kein Geld." mutmaßte er. "Darum geht's in dieser Stadt doch immer, oder?" Langsam schüttelte er den Kopf. "Manchmal wünschte, ich wäre ein Kind deiner Generation." lamentierte er.

"Wir hatten es auch nicht immer leicht", gab sie zu bedenken.

"Aber generell hast du natürlich recht."

Sie knuffte ihn in die Seite.
"Warum bist du nicht früher geboren worden? Dann hätten wir zusammen Sitzblockaden vor dem Polizeipräsidium machen können."

"Ey!" beschwerte er sich und kitzelte ihren Fuß zur Rache. Seine Mutter hatte ihn schon unglaublich früh bekommen, mit neunzehn... Aber darauf ging er jetzt nicht ein. Sowas zog sie oft runter.

"AHAA!"

Sie war ziemlich kitzlig und zappelte deswegen übermäßig herum.

"Du kleiner... pass auf, sonst legt dich deine alte Mutter noch übers Knie!"
Mit einiger Mühe entwand sie ihren Fuß seiner Reichweite, damit sie sich beruhigen konnte und begab sich in eine sitzende Position.

"Wegen Mrs. Devereux... kann ich dir da irgendwie helfen? Soll ich ihr Schnapspralinen mit deinen Empfehlungen schicken oder so?"
Sie lachte.

Rob lachte mit.

"Na, wenn du meinst dass es damit getan ist." grinste er. "Aber mich interessiert eher, wie die wohl bewertet." Er dachte kurz nach. "Die hat doch sicher keine Ahnung von Rock. Also sitzt sie doch da nur, um gesehen zu werden und hört sicher auf die anderen bei der Wertung, oder?" wollte er wissen. "Weißt du, ob die einen von denen hier irgendwie besonders schätzt." fragte er, als er sein Handy zückte und die Namen der Jury vorlas.

Sie las die Namen, schien aber keinen der anderen Juroren zu erkennen.

"Keine Ahnung. Also, sie hat schon ihren eigenen Kopf. Du hast gesagt, die Stiftung sponsort den Rockoff?"
sie wiegte den Kopf hin und her.

"Tja, würde mich nicht wundern, wenn Mrs. Devereux da einige Leute nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Sie ist es gewohnt, für ihr Geld auch was zurück zu bekommen."

Wieder machte er ein nachdenkliches Geräusch.

"Meine Güte..." sagte er nach einer kurzen Weile. "Tja, keine Ahnung, wie man der Frau dann was bieten kann, was gefällt. Uhm... Ist und bleibt ja auch nen Rock-Off und kein Wunschkonzert."

"Ja, das stimmt."

Sie schürzte nachdenklich die Lippen.

"Tja, ich weiß auch nicht. Man sieht sie auch eher selten. Sie geht glaube ich zu wichtigen Galas, und ist bei den Vernissagen in den Galerien dabei. Da kannst du gerne auch mal hinkommen, wenn du sie etwas kennen lernen willst. Dann müssen wir nur mal schauen, wie wir ihre Aufmerksamkeit erregen. So eine reiche Frau ist natürlich immer von irgendwelchen Leuten umgeben, die was von ihr wollen."
Darüber schüttelte sie missbilligend den Kopf.

Rob schnaubte verächtlich.

"Bah..." machte er dann schnaubte er noch ein zweites Mal. "Ich sag's mal so. Eigentlich will ich nicht rumschleimen. Aber wenn du mich zu ner Gala einlädst und weißt, dass die da ist, guck ich mir die gerne zusammen mit dir an."

Sie lachte.

"Ach mein süßer Schatz... auf die Galas werde ich nicht eingeladen. Das sind so Events für die Creme de la Creme. Aber wir haben eine Vernissage übermorgen Abend. Da müsste sie eigentlich auftauchen. Du kannst gerne mitkommen."

Wieder ein schweres Seufzen.

"Ich guck mal, ob ich mich dazu durchringen kann." rang er sich durch. "Im schlimmsten Fall seh' ich was sehenswertes, oder?"

Sie nickte begeistert.

"Klar, da werden einige tolle Bilder präsentiert. Wenn man die ganzen Geier ignoriert, die sich die besten Sachen direkt sichern wollen, dann ist es ein schöner, künstlerischer Abend."

"Gut Ma'." entschied er. Wenn sein Hirn gerade vernünftig funktionieren würde, würde er jetzt vermuten, dass er spätestens dort die neue Mitbewohnerin kennen lernen würde. Aber im Moment dachte er nicht viel nach.

"Bin gleich wieder da." meinte ihr Sohn, erhob sich langsam und griff sich eine Gitarre, die Carlos gehörte. Der hatte eigentlich nichts dagegen, solange man ordentlich mit ihnen umging. Mit der kehrte er zurück an den Diwan und spielte ein paar Akkorde, ohne groß darüber nachzudenken.

Seine Mutter saß inzwischen im Schneidersitz auf dem Diwan.

"Na, überkommt dich die Inspiration?", fragte sie leise.

Rob nickte versonnen... Es dauerte eine Weile, bis er merkte, was er da spielte. Es war Someone like you... Zumindest in etwa.

Charlett saß regungslos da.

"Ein schönes Lied. Sehnsuchtsvoll."

"Ist nicht mein Lied." flüsterte er. "Hat mir gestern jemand vorgespielt..." erklärte er und spielte die Melodien dabei weiter. "Eigentlich von Adele." Er fing an, ein paar Akkorde zu verändern, Powerchords einzuarbeiten und es insgesamt etwas mächtiger aufzubauen.

Dann versuchte er, die Teile des Textes einzusingen, an die er sich noch erinnerte, dort, wo es ganz gut passte. Seine Stimme klang heiser, rau und sehr tief.

"Ich kenne Adele", meinte Charlett langsam, ohne irgendwie korrigierend wirken zu wollen. Sie lauschte eine Weile.

"Eigentlich ist das ja ein hoffnungsvolles Lied. Traurig und sehnsuchtsvoll über eine geliebte Person, von der man Abschied nehmen muss. Aber irgendwie glaubt die lyrische Person ja daran, dass es noch jemand anderen geben kann. Eben Someone like you", dozierte sie mit abwesender Miene.