Way Down In The Hole

"Ha! Siehst du!", triumphierte Grant, Charletts Mann.

"Der Junge hat den Durchblick. Ich habs vorhin auch gesagt: Wir machen das falsch rum."

"Ach was!", winkte seine Mutter ab.
"Ihr seid doch barbarisch. Deftiges kommt vor Süßem! Sonst kommt doch alles durcheinander."

Robs Grinsen blieb bestehen und lachte mit. Dann biss er herzhaft in das Baguette.

"Hmmm... Das ist gut!" lobte er den unbekannten Koch, der die Butter geschmolzen und gewürzt hatte.

"Ich bring gute Neuigkeiten mit! Wir dürfen endlich beim Frisco Rock-Off auftreten." posaunte er direkt raus.

Staunen und Glückwünsche kamen von überall. Charlett, die gerade ein Glas für Rob geholt hatte, legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Ich wusste, dass ihr es irgendwann schafft. Das ist wirklich etwas, worauf man stolz sein kann."

Sie lachte herzlich.

"Ah, ich erinnere mich noch, als da die Naked Guns aufgetreten sind. Vier gut gebaute junge Männer - und allesamt splitternackt! Leider haben sie nicht gewonnen. Zu viele verklemmte Männer in der Jury."

Sie schwelgte mit versonnenem Blick in Erinnerungen.

Rob sah kurz seine Mom an und lächelte zu ihr.

"Jetzt setzt dich doch endlich hin. Du kannst einfach nicht still sitzen." behauptete er und rückte den Stuhl für sie vom Tisch weg, so dass sie bequem Platz nehmen konnte.

"Ihr seid natürlich alle herzlich eingeladen. Wenn ich Freikarten kriege, bekommt ihr sie zu erst!" versprach er euphorisch.

"Cool!", meinte Grant, und auch die anderen stimmten ein.

"Tretet ihr denn auch nackt auf?", setzte der Mann seiner Mutter witzelnd nach, "Oder sind eure Instrumente nicht groß genug?"
Der Witz erzielte ein paar Lacher am Tisch, am lautesten lachte aber Grant selbst.

Charlett, die nun endlich Platz genommen hatte, schüttelte schmunzelnd den Kopf.
"Wirklich? Ein Peniswitz? Du lässt nach."

Sie wendete sich an Rob.
"Ich komme sehr gerne... auch wenn das Ticket was kostet. Meinst du, wir können da was reinschmuggeln? Ich war da so lange nicht mehr..."

Rob lachte auch kurz über den Witz mit. Dann sah er zu seiner Mutter.

"Ihr vielleicht nicht, aber der Backstagebereich wird nicht so gut kontrolliert, wie die Handtaschen vorn am Eingang." zwinkerte er seiner Mutter zu. "Sonst ist auch sicher jemand auf der Toilette der für nen Zehner nen Gramm springen lässt." Wieder ein Blick zu den Brownies. "Auch wenn das dann sicher nicht Bio ist, wie das gute Zeug, dass ihr hier immer habt."

"Amerika ist echt spießig geworden, mit den ganzen Kontrollen und allem", sagte jemand.

"Amerika war schon immer spießig. Nur manchmal hat es zwischendurch etwas nachgelassen", erklärte Charlett.

"Also die ganzen Kontrollen sind doch wegen Terrorismus."
"Ja, aber wenn sie dein Zeug finden nehmen sie dich auch hoch!"
"Schweinerei!"

So ging das noch eine Weile. Dann klatschte Charlett in die Hände.

"Ich hab die Butter angerührt, dafür macht ihr sauber. Ich verbringe jetzt ein bisschen qualitativ hochwertige Zeit mit meinem Sohnemann... und ein paar von diesen Brownies."

Das Murren der WG ignorierend packte sie ein paar Brownies auf eine Serviette und winkte Rob rüber ins Wohnzimmer... wo ein riesiger Diwan stand, auf dem man es sich bis in alle Zeit gemütlich machen konnte.

Robert hielt sich in der Diskussion zurück. Die kannte er ja nun wirklich zur Genüge.

Als seine Ma winkte, erhob sich der 'Sohnemann' und setzte sich mit ihr auf den Diwan. Seine Mutter legte er neben sich hin. Er wusste, dass sie viel Stehen und Laufen musste auf der Arbeit, also legte er ihre Beine auf seine Schenkel und fing an, ihre Füße mit einer Hand zu kneten.

Mit der Anderen knabberte er an dem Brownie. "Muttis Cookies sind halt immer die Besten.", lobte er schon wieder die kulinarischen Köstlichkeiten des Hauses.

"Ahhh!", seufzte sie wohlig und mampfte auch einen Brownie.

"Ich find Brownies besser als Cookies... Cookies trocknen mir immer so aus", kommentierte sie mit vollem Mund und schluckte dann.

"Und, wie läuft es denn sonst so bei dir, mein Schatz? Alles gut", fragte sie ehrlich interessiert.

"Du kennst mich ja, ich komm irgendwie zu Recht." meinte ob und steckte sich den Rest des Brownies in den Mund und nahm nun endlich auch die zweite Hand dazu.

"Wir haben morgen einen Gig in einem Verbindungshaus." plauderte er drauf los. "Ich hatte da wen kennen gelernt und ihre snobbigen Verbindungsschwestern haben uns jetzt für ne Party gebucht." Kurz seufzte er. "Die Kleine passt da überhaupt nicht hin."

"Hmm", machte seine Mutter nachdenklich.

"Vielleicht sucht sie einfach Anschluss? Ich meine, ich halte ja nicht viel von diesen Verbindungen. Die sind die Keimzelle des Establishments und so weiter. Aber sie bieten eben genau das an, was man als neues Student in einer fremden Stadt sucht: Kontakt zu anderen Studenten, Feiern... womöglich Drogen. Gleichgesinnte... 'Schwestern fürs Leben' damit haben die Sororities damals gelockt."

"Tun sie wohl immmer noch." meinte Rob. "Aber wie die da mit den 'Jungschwestern' umgehen ist echt die Härte." Wieder ein Kopf schütteln. "Jedem das seine, aber ich werd' nicht gern rumkommandiert von solchen Leuten." betonte er. "Dann lieber 'nen entspannenden Urlaub im KZ."

Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge.

"Überleg dir mal, was du da sagst."

Rob verdrehte die Augen kurz.

"Ja, Mum." sagte er dann beschwichtigend. "Aber im Ernst, du hättest das einfach mit eigenen Augen sehen sollen, wie die da ihre Leute rumscheuchen. Heute hatte deren Oberschwester mir gedroht, ich solle die Finger von ihr lassen, sonst würd' sie Dinge mit mir tun, die die Naked Guns sicher drei Tonlagen höher singen ließen." grinste er zu ihr rüber. "Ist ja auch egal." winkte er schließlich ab.

"Die Oberschwester hat dir gedroht?", fragte sie etwas ungläubig nach.

"Ja? Ist das wirklich egal? Es beschäftigt dich ja zumindest scheinbar schon ein bisschen."

"Wegen mir kümmert mich das nicht weiter." meinte er. "Aber ich stell mir einfach mal vor - es ist so, wie du sagst. Und die ist echt da, um Anschluss zu haben und so weiter." dachte er knetend nach.

"Yeah, und dann ist da so eine, die dich nicht nur ganze Zeit antreibt, dich nur auf die Uni zu konzentrieren, sondern auch noch hinter deinem Rücken dafür zu sorgen, dass du von nichts abgelenkt wirst?" Er seufzte kurz. "Wie die über sie hergezogen ist, war auch nicht feierlich." Er wirkte etwas zornig, lächelte seine Mom dann aber doch an. "So wie ich's von dir gelernt hab, sieht freie Selbstverwirklichung ganz anders aus, hu?"

Kurz machte er den Mund auf und beugte sich zu ihr rüber, damit seine Mutter ihn mit einem Stück Brownie füttern konnte, während er weiter massierte.

Seine Mum verteilte ihm den Brownie eher gleichmäßig im Gesicht, als ihn zu füttern, und lachte sich dabei nen Ast.

"Halt doch mal still", kicherte sie. Dann ließ sie sich wieder in liegende Position fallen.

"Klingt echt so, als würde dieses Mädchen da an der kurzen Leine gehalten werden. Wie heißt sie denn?"

Sie seufzte nachdenklich.
"Manchmal im Leben sieht man Dinge einfach durch eine rosarote Brille... dann kann man einfach nichts schlechtes daran entdecken. Manchmal dauert es Jahre, bis man dann endlich realisiert, dass... etwas, oder jemand... einfach nicht gut für einen war."

"Hey!" beschwerte sich ihr Sohn und grinste von einem Ohr bis zum anderen. Als seine Mutter weiter sprach lauschte er wieder gespannt.

Er sah Richtung Ausgang und wirkte für einen Moment endlos weit weg. Er hörte auch auf, sie zu massieren.

"Sowas ähnliches hatte meine Therapeutin auch mal gesagt." sagte, nein flüsterte er fast. Er sah zu seiner Mom. "Und was tust du gegen so eine rosarote Brille?" fragte er sie dann wieder in normaler Lautstärke.

Während ihrer Antwort schleckte er mit seinen Fingern sich den Brownie aus dem Gesicht.

Sie wirkte sehr nachdenklich, abgedriftet in Gedanken.

"Es ist schwierig, erstmal zu merken, dass man nur die guten Sachen von etwas... oder jemandem sieht. Wenn mans merkt: Distanz. Man muss sich davon entfernen, so weh es auch tut, und sich das Ganze mal setzen lassen. Man muss tief in sich selbst hineinlauschen."

Sie deutete auf Robs Bauch.

"Ganz oft sind die Antworten schon irgendwo in uns."

"Ich liebe dich, Mum." lächelte er sie sanft an und begann wieder ihre Füße zu massieren. Langsam entfaltete auch bei ihm der Brownie seine Wirkung. "Du bist einfach die Beste."

"Ich dich auch mein Schatz... ich dich auch."

Sie genoss für einen Moment die Fußmassage.

"Wir haben übrigens auch eine neue Mitbewohnerin", fing sie dann ein neues Thema an.

"Ach." machte Rob. "Das Zimmer war doch gerade erst frei geworden..." Die Wohnsituation wurde immer schlimmer.

"Und? Was ist das für eine?" wollte er von seiner Mutter wissen.

"Eine sehr nette Studentin. Kunst und Design, aber sie macht besonders viel mit Photografie."

Sie lächelte ins sich hinein.

"Vielleicht kannst du ja mal zum Dinner kommen, wenn sie endlich fertig ist mit ihrem Einzug."

Rob hob belustigt eine Augenbraue. Es war nicht das erste Mal, dass ihn seine Mutter versuchte zu verkuppeln.

"Zum Essen komme ich immer gerne." sagte er. "Apropos..." Er sah wieder zu den Brownies. "Versuch doch diesmal den Mund beim Ersten mal zu treffen."