Auf zu neuen -guten- Taten!

"Sehr erholsam", antwortete Natalia knapp. Susan konnte sie immer einschüchtern. Dabei war Natalia sonst durchaus durchsetzungsfähig und nicht gerade auf den Mund gefallen. Aber bei ihrer Chefin musste sie sich oft bemühen, nicht zu stammeln.

"Es geht um den Pro Bono Fall ..."

Susan nickte knapp.

"Cartwright gegen Tau Epsilon Sorority. Berichten Sie."

"Genau der", schluckte sie.

"Tau Epsilon, beziehungsweise deren Leiterin wird von Marcus Cornell vertreten. Bei dem können wir nicht davon ausgehen, dass er nicht bemerkt, dass der Fall für uns kein sauberes Pro Bono ist. Ich mache mir Sorgen, dass am Ende Negativ-Schlagzeilen rauskommen, auch wenn wir gewinnen."

Und die andere Frage, ob Natalia als kleines Rad in der Maschinerie der Kanzlei denn wirklich ganz allein so ein Schwergewicht angehen sollte, hing unausgesprochen im Raum.

Spoiler:

Susan hob eine Augenbraue.

"Marcus Cornell?"

Sie lehnte sich in ihrem hyperergonomischen Bürosessel zurück.

"Das ist... unvorhergesehen."

Spoiler:

Natalia konnte ihre Chefin partout nicht einschätzen. Machte sie sich Sorgen wegen des starken Widersachers? Oder war sie sogar positiv überrascht, den alten Rivalen eins auswischen zu können? Natalia konnte sich beides irgendwie vorstellen.

"Er hat wohl schon früher Ermittlungen wegen Drogenexzessen in der Verbindung abgewürgt und die Akte von Payton, der Verbindungsleiterin, versiegeln lassen."

Sie wippte unsicher von einem Bein aufs andere.

"Ich wollte mir nur nochmal Ihr Okay einholen, bevor ich den Fall offiziell eröffne", erklärte sie um ihre Unsicherheit, ob sie das wirklich - und auch noch ganz alleine - tun sollte, zu überspielen.

Spoiler:

Mit einer Miene, die keinerlei Rückschlüsse über ihre Motivationen oder sonstigen Regungen zuließ, saß Susan für einen Moment schweigend da, zurückgelehnt in ihrem Stuhl.

"Ich werde mich um das interne... Problem mit dem Pro Bono kümmern. Sie haben mein okay für den Fall. Ich brauche Ihnen glaube ich nicht zu sagen, was ein Sieg gegen Marcus Cornell für Ihre Karriere bedeuten würde . Pro Bono hin oder her."

Sie beugte sich vor und sagte kühl, aber mit Nachdruck:
"Nehmen Sie ihn auseinander!"

Natalia nickte langsam aber sehr entschlossen.

"Reichtum wird diese Studentinnen nicht vor dem Gesetz schützen. Nicht nochmal!", entfuhr Natalia ihre leicht pathetische Überzeugung.
So ein Fall war eigentlich ja genau was sie haben wollte. Gerechtigkeit für den kleinen gegen die bösen Reichen. Dabei musste es halt gegen harte Gegner gehen. Aber dass Susan es für möglich hielt, dass sie es schaffte, gab Natalia ihre Selbstsicherheit zurück.

"Danke. Dann störe ich Sie nicht weiter und mache mich wieder an die Arbeit."

Susan nickte langsam und zog einen Notizzettel hervor.

"Ich teile Ihnen Monica Santos Vollzeit zu. Und Sie sollten sich auch nicht auf andere Fälle konzentrieren müssen... ich werde Simmonds jemand anderen zuteilen."
Sie machte ein paar Notizen und schaute dann zu Natalia.

"Wenn Ihnen das nichts ausmacht, versteht sich."

"Das ist gut, danke sehr", antwortete sie. Damit kam sie sich gleich noch ein Stück wichtiger vor. Eine eigene Assistentin und einen eigenen wichtigen Vollzeitfall.

Wenn nichts weiter kam, würde sie sich wortlos verabschieden und sich an die Arbeit machen.

Susan entließ sie mit einer knappen Geste und widmete sich dann wieder ihrer Akte.

Natalia ging mit Stolz aber auch etwas mulmigen Gefühl in der Brust durch die Korridore der Kanzlei. Sie suchte Monica.

Die meisten Paralegals, so auch Monica, hatten keine eigenen Büros, sondern waren in großräumigeren Büros mit Arbeitsnischen für die einzelnen untergebracht. Natalia wusste natürlich, wo Monicas Nische war.

Ebendiese war gerade damit beschäftigt, emsig auf ihrer Tastatur herumzutippen. Sie bemerkte Natalia, als diese sich näherte.

"Oh, hallo! Ist mit den Akten alles in Ordnung?", erkundigte sie sich freundlich.

"Oh ja, sah alles super aus. Meine eigene Recherche hat aber noch was ergeben. Jetzt sollen Sie mir bei dem Fall helfen. Wenn Sie mit Ihrer Sache da fertig sind, können wir uns unter vier Augen besprechen, ja?"

Sie wirkte erfreut.

"Ich bin bei dem Fall dabei?"

Etwas ploppte auf ihrem Monitor auf und lenkte sie kurz ab.

"Oh, das ist auch die Mail von Ms. Ling... dann ist es ja offiziell."
Sie deutete auf ihren Stapel Arbeit.

"Das kann ich eigentlich stehen und liegen lassen... Bürokratie."
Sie erhob sich von ihrem Stuhl.

"Also... wie geht es weiter?"

"Dafür machen wir erst einmal kurz Brainstorming", antwortete Natalia auf dem Weg zu ihrem Büro. Die Paralegal im Schlepptau ging sie eiligen Schrittes zurück und schloss dieses Mal die Tür hinter ihnen.

"Die Akte, die du nicht bekommen hast, Megan Payton, die hat Marcus Cornell versiegeln lassen. Die Vermutung, dass sie einen guten Anwalt hat, war weißgott keine Untertreibung. Ich ...", sie lächelte Monica breit an, "wir gehen sie trotzdem an."

Monica folge eilenden Fußes.

Im Büro staunte sie dann nicht schlecht.

"Marcus Cornell? Der Marcus Cornell?", fragte sie ungläubig und musste sich erstmal setzen.

"Wow... wir steigen mit einem Schwergewicht in den Ring."

"Allerdings", stimmte sie nickend zu.

"Uns hilft dabei, dass er im Unrecht ist", verkündete sie selbstsicher.

"Ich denke, wir sollten zu Anfang, Marc Woodham auseinander nehmen. Wenn der sein Geständnis zurück nimmt, oder es als falsch entlarvt wird, lässt sich der ganze Fall schon mal neu aufrollen. Und die Versiegelung der Akte seiner Klientin sollten wir angehen ... auch wenn ich inhaltlich in etwa weiß, was drin steht."

Sie nickte eifrig.

"Ja, wenn das Geständnis platzt, wäre da plötzlich die Frage, woher Miss Cartwright die Abwehrverletzungen hat", dachte sie laut mit.

"Und, was steht in der Akte?"

"Dass die Verbindung mit Drogen über die Stränge schlägt passiert wohl regelmäßig und ist der Polizei auch bekannt. Allerdings haben die Eltern der Mädchen wohl genug Einfluss, Ermittlungen zu stoppen. Ein paar Cops hat das irgendwann nicht aufgehalten und die haben im Verbindungshaus eine Razzia veranstaltet. Die Details, die in die Akte Eingang gefunden haben, kenne ich nicht, aber man muss ja nicht hellsehen können, um zu wissen, dass da nicht alles formal richtig ablief."

Sie schüttelte den Kopf über so viel Ignoranz der Polizisten.

"Jemand wie Cornell wird da leichtes Spiel gehabt haben, die Vorwürfe abzuschmettern. Vermutlich gingen danach noch Verfahren gegen die Beamten los."

Nachdenklich legte sie die Finger aneinander und schaute zu Monica.

"Wenn wir die Öffnung der Akte erzwingen könnten und der damalige Fall publik wird, oder zumindest jetzt vor Gericht erwähnt wird, erhöht das unsere Chancen enorm."

"Also brauchen wir einen gewichtigen Grund, um die Akte öffnen zu lassen."

Sie tippelte mit den Fingern auf dem Tisch.

"Und das am besten schon in der Discovery-Phase."
Sprich, zwischen der ersten Anhörung und der eigentlichen Verhandlung, wo die Anwälte beider Seiten sich mit Aufforderungen zur Offenlegung von Sachverhalten und Dokumenteneinsicht bombardierten.

"Ja, aber wie? Die Beweise und Aussagen der involvierten Polizisten reichten damals schon nicht um eine Versiegelung zu verhindern."

An diesem Punkt fiel Natalia momentan keine Handlungsoption ein. Methodisch wie sie war, klopfte sie also erstmal weitere Punkte ab.

"Dann kann man sich noch die anderen Schwestern vorknöpfen. Wenn deren Aussagen zu offensichtlich abgestimmt sind, oder wir eine dazu kriegen können mit der Wahrheit rauszurücken oder sich zu verplappern, würde uns das auch weiterhelfen."

Monica schnalzte mit der Zunge.

"Vielleicht wäre es schon ein hinreichender Grund, wenn Woodhams Geständnis platzt. Immerhin würden dann die Schwestern, die an dem Abend da waren, unter Verdacht stehen. Mit einem begründeten Verdacht können wir die Akte möglicherweise öffnen lassen, oder nicht?", schlug Monica vor.

"Reichen wir die Klage ein und beginnen dann damit, offiziell Aussagen einzuholen? Oder strecken wir vorher schonmal inoffiziell die Fühler aus?"

"Ich will erst noch ohne Klage agieren. Vielleicht bleiben wir so ein ein wenig unter dem Radar von Cornell."

Monica rieb sich die Hände und ließ sie dann etwas verschämt sinken.

"Verzeihung, ich bin etwas zu aufgedreht. Das ist nur deutlich spannender als das, was ich sonst mache... Akten und dergleichen."

Sie strahlte.

"Also, Ermittlungen in geheimer Mission. Wo fangen wir an?"

Natalia grinste. Sie konnte Monicas Gefühl gut nachempfinden.

"Mit Marcs Akte", lachte sie und holte selbige hervor. "Und ein wenig Cyber-Stalking."

Sie drehte den Laptop, so dass Monica auch drauf blicken konnte. Die Profile von Trish und Marc waren offen.

"Die beiden sind erstmal unser Ansatzpunkt."