[Galen] Social Engineering

Sie nickte langsam.

"Wie auch immer dein Fortschritt beursacht ist, ich gratuliere dir dazu. Ich glaube, das Zeitarkanum passt zu dir."

Wie soll man so eine Aussage verstehen?, fragte er sich kurz.

"Das Zeitarkanum erleichtert die Bildung von Hypothesen." gestand er dann zu.

"Es gab übrigens ein Erwachen in Proxys Labyrinth. Vermutlich bist du bereits informiert."

"Definitiv. Und es eröffnet ein breites Feld investigativer Möglichkeiten."

Sie nickte.
"Davon habe ich bereits gehört. Hattest du die Möglichkeit, die neue Erwachte kennenzulernen?"

"Ja, eine Mastigos. Ich habe ihr die Grundzüge des Gedankenarkanums näher gebracht, während Proxy versucht hat, den Angriff zurück zu verfolgen." erläuterte er.

"Das lief überraschend reibungslos. Ich hatte bei einer Teenagerin eine größere rebellische Einstellung erwartet." erwiderte er. "Das wird sicher nicht leicht für sie... Nicht nur erwachsen zu werden, sondern auch in die magische Welt einzutauchen. Tapio war auch noch in der Schule, als er erwachte, nicht wahr?"

"Keine eben leichte Aufgabe. So war es auch bei Tapio... allerdings war er schon immer recht reif."

Sie schien für einen Moment in Erinnerungen verloren.
"Wollen wir hoffen, dass dieses neue Mitglied unserer Gemeinschaft einen guten Start hinlegt."

"Wollen wir es hoffen." pflichtete er ihr bei und sah dabei einige Momente aus dem Fenster. Sie hat alles, was es braucht um es zu packen. Und es zu ruinieren. Jetzt liegt es bei ihr.

Während er das dachte, aß sie gerade Pizza mit Ba'al.

Kivutar fuhr einen Parkplatz in der Nähe der Brücke an und stellte den Van dort ab.

"Also... du musst zu Fentons Creamery, einer Eisdiele. Da musst du ein Eis im Becher, drei Kugeln, bestellen: Minze, Melone und Honig-Joghurt, in der Reihenfolge. Wenn du das Eis bekommst, musst du noch fragen, ob du eine Serviette bekommen kannst. Dann musst du um den Laden herumgehen und durch die Tür mit der Rune."

"Fentons Creamery, Eis im Becher. Drei Kugeln. Minze, Melone, Honig-Joghurt. Nach Serviette fragen, um den Laden herum und in die Tür mit der Rune." wiederholte er zum Zwecke des Abgleichs.

"Verstanden."

Sie bestätigte mit einem Nicken.

"Das ist alles, was ich dir sagen kann. Viel Erfolg!"
Mit der linken Hand griff sie nach dem Türöffner.

"Dir auch. Und gute Heimreise." wünschte er ihr, wartete, bis sie ausgestiegen war und rückte dann weiter auf den Fahrersitz.

Anstatt sich auf ein Navi zu verlassen - den Wagen durch GPS-Tracking ortbar zu machen, wollte er vermeiden - recherchierte er die Adresse der Eisdiele und suchte diese auf einer Karte, die auf dem Beifahrersitz ausgebreitet wurde.

"Kannst du Karte lesen?" fragte er Sh'aoc beiläufig.

"Hm?"
Der Goetia steckte seinen Kopf durch die geschlossene Tür, die die Fahrerkabine vom Rest des Vans trennte und beäugte die Karte.

"Karte lesen? Wozu sollte ich das denn können?"

"Das macht man als Beifahrer so..." erwiderte Galen.

Er musterte ihn einen Moment lang nachdenklich. Zwar hatte er seine Aura verschleiert, aber der Goetia konnte dennoch wahrgenommen werden. Solange er jedoch keine magischen Aktivitäten ausübte, sollte er unsichtbar bleiben.

Und was, wenn die auf der anderen Seite auch so einen Zauber auf der Brücke haben?

"Ist auch egal... Wenn wir die Brücke überqueren, dürfen wir nicht erwischt werden. Glaubst du, du schaffst es, in einem Auto vor diesem hier einzusteigen und wenn wir von der Brücke runter sind, in meins zurück zu fallen? Wie diese weißen Geister in Matrix."

"Ich soll in einem anderen Auto mitfahren?"
Er stellte ein Stirnrunzeln dar.

"Naja, hab ich ja nichts gegen. Eine Massenkarambolage zu Ablenkungszwecken wäre sicher sinnvoll, oder?"
So ganz war nicht klar, ob er das als Scherz meinte.

Spoiler:

Galen wedelte abwehrend mit der Hand.

"Nein. Dazu müsstest du was tun und das zieht nur Aufmerksamkeit auf sich. Am besten versteckst du dich irgendwo, wo dich niemand sehen kann. Kofferräume findest du doch sehr bequem?"

"Ich soll in einem Kofferraum mitfahren?"
Er wirkte alles andere als begeistert, schien dann kurz nachdenklich.

"Na gut. Ich habe überlegt, auf was ich weniger Lust habe. In einen Kofferraum zu gehen oder das jetzt auszudiskutieren. Glückwunsch, ich mag Kofferräume lieber als deine Gesellschaft", meckerte Sh'aoc verdrießlich.

Galen runzelte die Stirn.

Es ist bedenklich, dass Sh'aoc anfängt nachzudenken...

Langsam, etwas verunsichert, ob seiner Überlegung, nickte er.

"In Ordnung." sprach er gedehnt, gewann dann aber seine Professionalität zurück. "Ich folge dem Auto ein Stück. Wenn wir dann von der Brücke runter sind und dem Auto etwas gefolgt, wechselst du zurück ins Mutterschiff."

"Nagut."

Die beste Gelegenheit für den Goetia, das Vehikel zu wechseln, wäre bei einer Ampel kurz vor der Brücke. Dort gelang es Sh'aoc auch ohne weitere Probleme, einige Autos weiter vorne in den Kofferraum eines klobigen Mercedes zu steigen.

Dann kam die Fahrt über die mehrgeschossige Brücke, in deren unteren Geschoss vier Spuren in Richtung Oakland führten. Mitten auf der Bucht führte dieser Highway über eine kleine Insel, neben der eine größere, künstliche Insel irgendwann in den 1930er Jahren aufgeschüttet worden war. Hinter der Insel war die Brücke wesentlich breiter gebaut und die acht Spuren waren nebeneinander, anstatt übereinander gebaut.

Schließlich wich das Wasser der Bucht unter ihnen zurück und wurde durch Land ersetzt. Rechts von der Autobahn sah man zunächst einige staubige Felder, dann Lagerplätze für Container. Galens aufmerksamkeit wurde allerdings jäh von etwas mystischem geweckt, das sich auf dem Standstreifen ein Stück vor ihm befand. Zu sehen war dort allerdings nichts.

Galen entschied, dass es besser war, sich mit seinen Magiesinnen nicht darauf zu konzentrieren - Wie man hineinsah, so sah es oft auch hinaus. In Fällen der Magie fand die Straußentaktik tatsächlich Anwendung.

Wenn es keine Alternative gab, würde er weiterfahren.

Er zog mit dem Wagen an dem Mysterium vorbei, das nun unerforscht blieb. Der weitere Weg zur Eisdiele führte durch die halbe Stadt. Immerhin gelang Sh'aoc beizeiten das doch recht heikle Manöver der Rückkehr bei hoher Geschwindigkeit. Man sah für eine Weile seinen Kopf immer wieder aus dem Kofferraum hervorlugen, bis er den großen Sprung wagte und mit einem dumpfen Geräusch auf dem Beifahrersitz landete und da mit äußerst selbstzufriedener Miene sitzen blieb. Auf Anweisung würde er sich murrend in den Hinterraum zurückziehen.

So erreichten sie schließlich die Eisdiele.

"Sehr beeindruckend. Nun zurück in den hinteren Teil des Vans." quittierte Galen den Sprung des Goetias.

Der Van parkte auf dem Parkplatz der Eisdiele.

"Bleib am Besten vorerst im Wagen.", meinte Galen, als er sich die Tasche voll Tass nahm. "Ich rufe, falls ich dich brauche."

Er besah sich Sh'aoc.

"Und gut, dass du da bist."

Damit warf er sich die Sporttasche über und reihte sich in die Schlange ein.

Das Prozedere funktionierte und etwa eine Viertelstunde später stand er vor einer Tür, an der er etwas Übernatürliches spürte. Die Rune darauf bedeutete 'Bund' oder 'Bündnis'.

Hinter der Tür kam eine Treppe nach unten zum Vorschein, die in sowas wie eine Kellerwohnung führte, die allerdings nur höchst spartanisch eingerichtet war. Weit kam Galen allerdings nicht, denn ein Mann mit einem gezogenen Schwert in jeder Hand, einem Katana in der linken und einem kürzeren Wakizashi in der rechten, trat ihm auf dem Flur am Fuß der Treppe angriffsbereit in den Weg und starrte ihn finster an.

Eine Frau kam aus dem Raum am Ende des Flurs und musterte Galen eingehend.
"Wir müssen deine Identität und Absichten überprüfen, bevor es weitergehen kann", sprach sie mit routinierter Professionalität.

"Ich muss dich warnen... jeder Zauber oder jede Art der Aggression deinerseits wird eine sofortige Reaktion auslösen, bei der ich dein Überleben nicht garantieren kann."

Galen versuchte unauffällig zu Schlucken. Er mochte es nicht sonderlich, die Kontrolle komplett abzugeben.

"Ich bin Galen und löse jetzt meine Schutzzauber." erwiderte er. "In einem Hüfthalfter unter meinem Hoodie befindet sich eine Handfeuerwaffe."

Er wartete ein bestätigendes Nicken ab, dann löste er seine beiden Zauber.

Sie vollführte einige knappe, kreisende Gesten mit den Fingern, die Galens geschultes Auge als Mudras seines Ordens erkannte, wenngleich er ihren Gehalt nicht ganz ausmachen konnte. Dazu murmelte sie vernehmlich die Wörter der Hohen Sprache, während sie mit der freien Hand einen silbernen Fingerhut in rascher Folge auf ihren Zeigefinger steckte und in der geschlossenen Hand verschwinden ließ.

"Bindung durch das Wort, unzertrennbares Versprechen."
Magie flutete von ihr zu Galen.

"Schwöre, dass du uns nicht täuschen und unterwandern zu gedenkst und uns wahrheitsgemäß Aufschluss über deine Identität und deine Intentionen hier in Oakland geben wirst, oder mögen deine Knochen splitternd brechen."

Über meine Identität... Die Ganze?

"Ich schwöre, euch nicht zu täuschen und unterwandern gedenke und euch wahrheitsgemäß Aufschluss über meine Identität und meine Intentionen hier in Oakland zu geben, oder es mögen meine Knochen splitternd brechen." erwiderte er ernst.

Der Mann schien sich etwas zu entspannen und steckte seine Schwerter weg. Die Frau nickte.

"Ich bin Bronze Venus und ich gewähre dir das Gastrecht. Dies ist Kenshin. Du stehst unter dem Schutz des Konsiliums von Oakland, solange du dich nicht als Feind entpuppst."
Sie deutete auf die Tür hinter sich.

"Dann tritt ein. Viel können wir dir allerdings nicht bieten."
Gemeinsam betraten sie - Bronze Venus voran, dann Galen und schließlich der Schwertträger - das kleine Wohnzimmer. Klappstühle standen auf rohem Betonboden. Einige Plastikträger mit Mineralwasserflaschen standen an einer Wand aufgestapelt. Eine Kaffeemaschine stand neben einer Steckdose auf dem Boden.

Die Frau deutete auf einen der Stühle.
"Setz dich."
Sie selbst nahm ihm gegenüber Platz, während der Mann.

"Zuerst die einfachen Fragen. Nenne noch einmal deinen Schattennamen und deinen Orden."