Lose Enden

Ist ja klar...

Diese Anrufe hörte sich Galen an und versuchte aus der Stimmlage heraus zu hören, ob ihm tatsächlich etwas körperlich fehlte.

Das schien nicht der Fall zu sein. Bei einem Telefonat lallte er allerdings etwas.

Er verdrehte die Augen...

Einmal was gesehen, was nicht in seine Vorstellung von Normalität passt und schon säuft er sich die Hucke voll. Na super... Fuck... Doug, Roger. Sie leiden wirklich darunter. Psychisch. Und ich glaube, die meisten Magier sind sich dessen kaum bewusst.

Mit diesen Gedanken erhob er sich.

Tja... Und was tu ich jetzt für Roger? Und sollte ich auch nach dem Busfahrer sehen?

Und verließ den Raum.

Sich zu laufen lassen, schadet zumindest nur ihm. Ist jetzt nicht für die Sache selbst all zu gefährlich.

Und fuhr mit Sh'aoc zu Roger.

Es dauerte eine ganze Weile, das entlegene Wohngebiet mit seinen Sozialbauwohnungen zu erreichen. Dann fand er sich vor dem klobigen Gebäude wieder, dessen durchaus hübsche Graffitizeichnungen nicht ganz über die bröckelnde Fassade hinwegtäuschen konnte.

Er parkte etwas abseits, an einer Stelle, wo ein erschöpfter Autofahrer auch schlafen könnte.

"Wärst du einmal so gut nach Roger zu sehen?" bat er die Goetia.

Der Goetia rollte mit den Augen.

"Warum siehst du nicht selbst nach ihm? Warum muss ich eigentlich immer die Drecksarbeit machen?"
Unter weiteren Schimpftiraden wabbelte Sh'aoc davon.

Als Galen dann durch die Augen seines Vertrauten sah, hörte er ihn immer noch leise vor sich hinschimpfen.
Dann war er in Rogers klaustrophobischer Wohnung. Diverse leere Flaschen, die mal Alkohol verschiedener Härtegrade enthielten, standen auf dem Couchtisch oder lagen auf dem Boden herum. Roger selbst lag schnarchend auf dem Sofa.

"Soso. Gemütlich, gemütlich", murmelte Sh'aoc. Er drehte noch eine Runde und machte sich dann auf den Rückweg.

Galen dachte nach, ob er etwas für Roger tun sollte, musste oder überhaupt konnte. Die Wohnung sah zumindest schon eine ganze Spur schlimmer als letztes Mal aus...

Tja Roger... Und nun? Du wirkst mir wie jemand, der tatsächlich nur einen Grund braucht um wieder normal zu leben. Du versuchst zu vergessen und nicht zu verstehen... Also was kann ich für dich tun?

Kurz darauf tauchte Sh'aoc wieder im Auto auf.

"Tja... also trocken ist der Gute nicht mehr. Vielleicht sollte er wieder zu den AAs gehen? Immerhin treiben sich da jetzt keine verrückten Kultisten mehr rum."

Galen sah Sh'aoc überrascht an.

"Du empfiehlst jemanden, seine Suchtprobleme in den Griff zu bekommen?" fragte er das unförmige Wesen. "Du überrascht mich immer wieder."

Trotzdem war die Idee nicht schlecht. Galen fuhr los zum Zentrum, um sich einen Stoß Fyler von dort einzustecken - und ihn danach in den Briefkästen Rogers Haus zu verteilen.

"Das war ein WITZ!", blökte der Goetia entgeistert.

"Ich wollte nur, dass du dich mal wieder ein bisschen im Selbstmitleid suhlst, weil du jemanden umgebracht hast. Meine Güte."
Kopfschüttelnd saß er da.

Es war kein Problem die Flyer zu holen und zu verteilen, der Weg war auch nicht allzu weit, wenn auch nicht fußläufig.
"So, das sollte reichen, um ihn zu überzeugen. Das ist jetzt kein Witz."
Sh'aoc lächelte fromm.

Galen lachte auf.

"Ja genau... Ein Flyer wird reichen um ihn zu überzeugen..." Er schüttelte den Kopf, zuckte dann aber mit den Schultern. "Ich meine, er war schon einmal bei ihnen gewesen... Warten wir bis zur nächsten Sitzung und gucken, ob er da war. Scheint ja nicht all zu eilig zu sein."

"Scheint so", meinte der Goetia betont langsam.

"Du hast recht. Wir sollten jeden Abend hier vorbei fahren um nach ihm zu sehen. Ich schick dich dann nach oben. Was hältst du davon?" blaffte er zurück. "Vielleicht erledigen wir auch noch seine Einkäufe für ihn und sorgen dafür, dass er einen neuen Job findet wo er so viel trinken kann wie er will, hm?"

Galen schüttelte den Kopf.

"Das Letzte was ihm in seinem Zustand gut tun wird, ist mich zu sehen."

"Nach jüngsten Erkenntnissen tut es ja den wenigsten besonders gut, dich zu sehen", trötete Sh'aoc vergnügt.

Er warf ihm einen genervten Blick zu.

"Offenbar ist dem so..."

Jetzt grummelte er etwas herum.

"Ja, dann reg dich halt nicht auf. Können wir jetzt fahren?"

Galen sah auf sein Handy. Lara... Sh'aoc hat Recht...

Er atmete schwer durch und widmete sich wieder der Arbeit.

Die alte Dame in dem Bus werde ich ohne Glückstreffer ohnehin nicht wieder treffen... Aber der Busfahrer... Kümmern wir uns erst einmal um den... Wie finde ich heraus, wer die entsprechende Schicht hatte? Galen dachte einen Moment lang darüber nach. Ich könnte Abends hier einfach auf den Bus warten. Aber was mache ich solange?

Er schrieb Kivutar eine SMS.

Code:

Wegen F. Haben wir seine Nummer? Oder wen, den ich fragen kann?

Es dauerte 20 Minuten, bis Kivutar die SMS beantwortete.

Code:

Seit das Ugly Truth zu ist, hat FK neues Wasserloch gefunden. Das 'Charade'. Frag da rum, aber Vorsicht. Ruf mich bei Notfall an.

Er fand auch eine Adresse - das Charade war am Rande von Chinatown, nahe der Innenstadt.

Zwanzig Minuten, in denen er mit Sh'aoc stritt - damit er sich davon abgelenkte, dass er sich bei Lara melden müsste, könnte sollte... nicht dürfte?

So viele Opfer zu bringen...

Dann bekam er endlich Kivutars Antwort - er hatte schon überlegt Bella Donna zu fragen, aber das hielt er für keine kluge Idee. Die hatte zu viel mit Kapoonis zu tun... Und die Nachricht stimmte ihn auch nicht gerade entspannter.

Einfach höflich bleiben, nicht zu sehr auffallen und nicht anecken. Verkneif dir jeden bissigen Kommentar und am Tisch wird nicht über Religion und Politik gesprochen...

Galen legte den ersten Gang ein und fuhr los.

Das Parken so nah am Stadtkern grenzte an ein Ding der Unmöglichkeit. Am Ende musste er für einen Parkplatz bezahlen, von dem aus er noch ein ganzes Stück zu Fuß zurücklegen - und das mit seinen Beinen, die die gefühlte Konsistenz von Brei hatten.

Schließlich stand er vor dem 'Charade' einer / einem hippen Café / Bistro / Bar. An der Fassade blinkte ein Neonbild von drei identischen Blonden Frauen, die sich jeweils mit strahlendem Lächeln Augen, Mund oder Ohren zuhielten.

Scheinbar ein öffentlicher Ort... Pass auf was du da drin so redest.

Ein Blick aufs Neonschild. Ohh die Affen... Wie rebellisch...

Dann betrat er das Wasserloch.

Drinnen herrschte gute Stimmung und reges Geplapper. Agile Kellner balancierten Tabletts mit Tapas und anderen kleinen Speisen, bunten Cocktails und bauchigen Weinkelchen herum und bedienten damit die vorwiegend junge, aber aufgrund der Preise auch sicher nicht ganz unbetuchte Gästeschar.

Galen glaubte, hier und da ein paar Gesichter von der Versammlung des Freien Konzils wiederzuerkennen. Seine Aufmerksamkeit wurde aber insbesondere von einem geräumigen, durch asiatisch anmutende Papierwände abgetrennten Separee auf sich gezogen, das von irgendwelcher Magie umgeben wurde.

Code:

Privatgesellschaft

stand auf einem Schild vor dem mit einem Bambusvorhang abgetrennten Zugang.

Tja... bin ich damit etwa auch gemeint?, fragte er sich einen Moment lang. Dann durchschritt er den Vorhang und setzte ein höfliches Gesicht auf.

Ein paar Leute saßem in kleinen Grüppchen - wieder erkannte er einige Libertins von der Versammlung. Wirklich voll war es nicht. Umso schneller sah er Beladonna und Kapoonis, die auch an einem der Tische saßen. Er bekam ein paar fragende Blicke zugeworfen.

"Ey, das gibts ja wohl nicht!", hörte er Kapoonis rufen. Er funkelte Galen feindselig an.

Galen setzte ein freundliches Lächeln auf und sah in die Runde - Kapoonis dabei erst einmal nicht mehr beachtend als die anderen.

"Hallo." sagte er ohne bestimmten Adressat.