Form und Funktion (Phobos)

Der Motor sprang an.

"Sie werden es bereuen", sprach er etwas lauter, um das Brummen zu übertönen.

Diesmal lässt er mich einfach in einen Vulkan oder so etwas fahren... Oder... Doug...

"Es scheint, ich werde mich verspäten." Phobos legte auf. "Es ist ein weiter Weg vom Hafen."

Hatte Kratu dafür gesorgt, das Phobos sie getroffen hatte? Ging es hier um sie?

Er legte auf. Der Motor erstarb.

Kratus Leihkörper zog demonstrativ an dem Türöffner.

Phobos seufzte.

Was für einen Unterschied würde es machen? Wenn Kratu es wollte, könnte er seinen Willen wie einen Strohhalm zerbrechen... Scheiße...

Er lehnte sich herüber und öffnete die Tür mit Hilfe des kleinen Pins.

Der Arbeiter stieg auf den Beifahrersitz und zog die Tür hinter sich zu.

"Zeigen Sie mir das Telefon... und dann legen Sie es da hin."
Er deutete auf den Bereich direkt vor der Windschutzscheibe, wo man gewöhnlich die Parkscheibe hinlegte. Bevor Phobos das tat, würde er sich überzeugen, dass das Handy ausgeschaltet wurde.

"Sie haben übrigens vergessen, Ihrem Freund am Telefon zu sagen, bei welchem Hafen Sie sind. Die Stadt ist von drei Seiten her mit Wasser umgeben."

"Tja... naja. Ich war etwas orientierungslos auf der Hinreise." erwiderte er wieder in ironischem Tonfall.

Er zeigte ihm, dass er aufgelegt hatte, schaltete dann das Telefon jedoch ganz aus, nachdem er Kratus Blick sah und legte es auf die Ablage.

"Ich kann darüber hinwegsehen, wenn Sie jüngere Mitglieder meines Ordens in den Ruin treiben. Amelius und Sie... nun, waren mehr oder weniger auf einer Ebene. Sie haben gespielt, Sie haben gewonnen, Amelius verloren", kam er geschäftsmäßig zur Sache und lächelte ihn freundlich von der Seite an.

"Was ich nicht entschuldigen kann, ist wenn man mich bestiehlt."
Nun war sein Blick bedauernd geworden.

Phobos nickte, entgegnete jedoch nichts. Außer einigen sarkastischen Bemerkungen konnte er dem Ratsherren ohnehin nichts entgegen setzen.

Gestohlen, so hätte er es nicht ausgedrückt. Immerhin hatte er ihm nichts weggenommen. Zerstört eher. Aber das machte wohl keinen Unterschied in den Augen Kratus. Die Frage war also, was kam als Nächstes?

"Daher fordere ich Reparaturen. Vier Füllen Mana hätte meine Kabale bekommen für den Zugang zu dem Ort. Diese werden Sie uns ersetzen. Zudem haben Sie mich die Expedition gekostet - unentschuldbar, ein Verlust von direkten Erfahrungen mit den höheren Mysterien. Unersetzlich. Ich werde damit vorlieb nehmen müssen, von Ihnen alles, was auf der Expedition passiert und gefunden wird genauestens berichtet zu bekommen."

Wieder dieser bedauernde Ausdruck, der das süßliche Lächeln umspielte.

"Außerdem bekomme ich alle physischen Funde, die Ihnen zugestanden werden."

"Nein." antwortete er mit der gleichen Bestimmtheit des Eintritts des Todes.

Und wenn er dafür sterben müsste.

Er schmunzelte.

"Das ist keine Verhandlung. Wenn Sie sich weigern, nehme ich Ihr Leben auf Arten auseinander, die Ihnen in Ihren wildesten Alpträumen nicht in den Sinn gekommen wären. Und das alles - selbstverständlich - völlig innerhalb der Grenzen der Lex Magica."

"Vielleicht wird mich das dann ja von ihren guten Absichten überzeugen." erwiderte Phobos knapp.

"Aber ich kann gerne ein gutes Wort beim Expeditionsleiter für Sie einlegen. Vielleicht nimmt er Sie dann ja mit."

Er lächelte nur.

"Sie denken vielleicht, dass Sie die Situation unter Kontrolle hätten. Dass die Hüter des Schleiers helfen werden. Aber welcher Orden kann schon einen Anwärter gebrauchen, der mehr Probleme erzeugt, als er löst? Der bemuttert werden muss, weil er seine Schulden nicht bezahlen will?"

Er hob genauso rhetorisch ratlos die Schultern, wie er die Frage meinte.

Situation unter Kontrolle... Nein, habe ich nicht. Aber das alleine macht mir keine Angst mehr. Danke, Lovecraft.

"Ich sehe keine Schuld. Fordern Sie, was Sie von mir wollen, vor dem Rat. Wenn er ihre Forderungen anerkennt, bin ich bereit, diese auch zu begleichen. Oder machen Sie ihre Drohungen wahr." beharrte er auf seinem Standpunkt.

Aber das hieße, dass er Taliesin anklagen müsste... Er verteilte die Expeditionen, oder? Die Hüter würden diesen Ort schützen...

Er seufzte.

"Und bis eben dachte ich noch, dass Sie Ihre Feinde klug wählen. Wenn Sie Ihre Meinung ändern, melden Sie sich."
Er öffnete die Beifahrertür und lächelte noch einmal überaus freundlich, dann stieg er aus. Bevor er die Tür wieder schloss, hielt er kurz inne.

"Oh, und viel Erfolg dabei, Ihr Sanctum wiederzufinden."
Dann ließ er die Tür zufallen.

Phobos blieb einen Moment lang im Wagen sitzen und sah dem Mann nach, wartete, dass die arkanen Energien ihn verließen.

Den PKW würde er hier wohl stehen lassen müssen.

Fuck, dachte er. "Gänsegrütze." sagte er.

Auf halbem Weg zurück zu seinen Kollegen geriet der Mann kurz ins Taumeln, als der zauber verflog. Er schüttelte verwirrt den Kopf, um wieder klar zu werden. Dann ging er zum weiteren Beladen zu dem LKW.

Vorsichtig fuhr Phobos los. Nicht zum Sanktum. Einfach irgendwohin, wo man den Wagen abstellen könnte. Etwas weiter weg.

Währenddessen griff er zum Telefon und machte es wieder an.

Je weiter er sich vom der Küste entfernte, umso schwieriger wurde es, Parkplätze zu finden, die nichts kosteten. Er könnte natürlich das Risiko eingehen, und den Wagen auf dem Parkplatz eines Supermarktes abzustellen. Oder er kurvte einfach eine Weile in den zahlreichen Seitengassen der Stadt herum, bis er einen geeigneten Platz fand.

Das Handy summte zur Begrüßung, nachdem es wieder an war. Er hatte eine SMS von Angus.

Code:

Scheiße, wo bist du? Ist alles klar? Meld dich!

Er parkte beim erstbesten Supermarkt, entfernte sich vom Auto und rief dann Angus an.

Angus ging beinahe sofort ran.

"Ja?"
Seine Stimme klang besorgt.

"Ich bin's." antwortete Phobos. Für seine Verhältnisse klang er aufgewühlt.

Würde Kratu nun Lara und Doug auflauern, sie in die Sache verstricken? Was würde er dann machen?

"Was war denn los? Wo bist du?", fragte Angus mit unterdrückter Aufregung.

"Hab mich verfahren auf dem Weg nach Hause. Da war er dann plötzlich." erwiderte er. "Ich denke, ich werde den Weg auch nicht ohne Weiteres finden."

"Ach du scheiße..."

Für einen Moment war es still am anderen Ende.

"Soll ich dich abholen?"