Neue Studien

Phobos wartete noch, bis die Bedienung fort war und trat dann auf den Tisch des Mannes zu.

"Schönen guten Tag." Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. "Bin ich etwa zu spät?"

Es war 17:57.

Der Mann sah auf.

"Ah, guten Tag. Nein, zu spät sind Sie nicht."
Er stand auf und reichte Phobos die Hand zur Begrüßung.

Phobos zögerte einen kurzen Moment, ehe er dem Mann die Hand gab. In diesem Moment des Zögerns, konzentrierte er seinen Blick noch etwas schärfer und suchte nach Spuren des Gedankenarkanums. Er wollte es dem Mann nicht zu leicht machen, ihn zu verhexen und wollte zumindest vorbereitet sein.

"Wie darf ich Sie hier nennen?" fragte er ihn.

Einer der drei Wirkungen, die auf dem Mann lagen, trugen die Signatur des Gedankenarkanums - die Resonanz von Kontrolle und Verlust derselben, von Emotionen und Gedanken.

Er stand noch immer da, die Hand ausgestreckt, die Stirn leicht gerunzelt über das Zögern seinen Gegenübers.

Spoiler:

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Richard griff zu.

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Ein Gefühl von langer Zeit - Äonen verstrichen in einem Moment - und in Aions Nimbus sah man kurz kleine Lichter, die dann erloschen wie sterbende Sterne. Deutlich spürte Phobos das Zeitarkanum, das in seiner Sicht Wellen schlug.

Die Welt um sie herum blieb stehen. Kein Geräusch, keine Bewegung, kein Wort. Alles war in einem Augenblick eingefroren, nachdem Aions Magie sie beide überlagerte. An einem der benachbarten Tische stürzte ein Weinglas gerade von der Tischkante, von einem achtlosen Ellenbogen angestoßen. Ein guter Schluck schwappte bereits über den Rand... aber es schien, als würde das ganze nie den Boden erreichen.

"Aion", stellte sich der Mann mit einem dünnen Lächeln vor.

"Jetzt sind wir definitiv ungestört."
Er deutete auf den Stuhl, der gegenüber an seinem Tisch stand.

"Setzen Sie sich... aber versuchen Sie, nichts allzu sehr zu verrücken."

Einen Moment lang sah er fasziniert zu der schwebenden Flüssigkeit, setzte sich dann umständlich auf den Stuhl, ohne ihn groß zu verrücken.

"Verzeihen sie die Frage... Steht die Zeit still, oder verläuft sie nur sehr sehr langsam?" fragte er. "Würden sich die Veränderungen hier praktisch mit einem Knall entladen?"

Aion schmunzelte.
"Ob die Zeit still steht fragt er... nein, die Zeit steht nicht still. Die Zeit steht nie still, das ist eine unanfechtbare Wahrheit des Universums."
Er schüttelte den Kopf.

"Verzeihung, ich wollte nicht großväterlich wirken. Hm, wie soll ich sagen? Wir stehen still in der Zeit."

Er legte den Kopf schräg.
"Wie war noch gleich Ihr Name?"

Das hatte ich ihm vor nicht all zu langer Zeit verraten... Aber vielleicht war das für ihn bereits eine Ewigkeit her. Wer weiß?

"Phobus." erwiderte er. "So hat mich zumindest mein alter Meister genannt."

Er faltete die Hände auf dem Tisch und versuchte sie möglichst wenig zu bewegen.

"Und solange ich keinen besseren Namen finde, bleibe ich erst einmal bei ihm."

Spoiler:

"Phobos... wie die Phobie, nicht war? Eine Verkörperung der Angst. Interessante Wahl, die Ihr Meister da getroffen hat. Hatte er vielleicht besondere Ambitionen?"

Er deutete ein Schulterzucken an.
"Für einige ist der Schattenname nur ein Deckname, ein Code - damit man nicht zu sehr exponiert ist. Andere bauen eine ganze Identität darauf auf. Die meisten gehen so eine Art zwischenweg. Aber ich nehme nicht an, dass sie hier sind um mit mir über Namen zu diskutieren?"

"Phobos und Deimos. Angst und Schrecken - Die Kinder Ares beziehungsweise Mars. Interessanterweise heißen auch auch die beiden Monde des Mars so - der lange vor der Zeit so benannt wurde, als das man die Monde des Mars bereits mit mundanen Mitteln hätte erkennen können." Er schmunzelte kurz. "Ein seltsamer Zufall."

Er wollte, wie natürlich, seine Hände zum Glas führen, beließ sie jedoch auf dem Tisch, als die Wirkung im Raum wieder präsent wurde.

"Aber nein, deshalb bin ich tatsächlich nicht hier."

"Was ist daran seltsam? Dass der Mars genau zwei Monde hat?"

Erschaute Phobos unverwandt an.

"Dann erzählen Sie mir, warum Sie hier sind."

"Weil Mars in der Mythologie auch Zwillingskinder hatte - als hätte sich jemand einen Witz erlaubt, der mehr wusste, als man gewusst hätte haben können."

"Ich möchte wissen, was die silberne Leiter ist - nicht aus den Erzählungen Dritter, sondern aus erster Hand."

"Die Silberne Leiter... tja, wo soll ich anfangen."

Er lehnte sich leicht zurück und überschlug ein Bein.

"Im Grunde arbeiten wir dafür, dass jeder Mensch zur Perfektion seines eigenen Selbst kommen kann. Das ultimative Ziel ist daher das Überwinden der Lüge selbst, das Ende der Herrschaft von Tyrannen über die Welt und ihre Bewohner. Magie ist das Geburtsrecht der Menschheit und darf niemandem verweigert werden."

"Mhm." machte er nachdenklich mit Gedanken an jemanden wie Lovecraft - und es gab weitaus Schlimmere. "Und was ist mit eben jenen Tyrannen? Ist Magie auch ihr Geburtsrecht? Wie ist mit ihnen zu verfahren?"

"Sicher, jeder Mensch ist in der Menschheit mit inbegriffen. Also hat auch jeder das Recht auf Magie - als grundlegende Maxime, wenn man so will."
Er machte eine beiläufige Geste.

"Aber diesen grundlegenden Anspruch kann man verwirken - durch Handlungen und Entscheidungen. Wer Magie nutzt, um eigennützig und tyrannisch über Schwächere zu herrschen, hat es nicht verdient, unangetastet zu bleiben. Ähnlich wie bei den Schläfern auch, übrigens. Jeder hat ein Grundrecht auf Freiheit, aber durch bestimmte Taten kann man das verwirken - und im Gefängnis landen."

"Leider nicht jeder." erwiderte er mit einer Schwermut in der Stimme, die nur jemand haben konnte, der sich über die Endlichkeit der Dinge bewusst war - und auch über die Dinge, die nie zu existieren anfingen.

"Wie arbeiten Sie an der Verwirklichung dieses edlen Ziels?"

"Was meinen Sie mit 'leider nicht jeder'?"
Aion blickte ihn forschend an.

"Oh, wir arbeiten an verschiedenen Fronten. Der Zusammenschluss der Diamantorden und die Gründung des Pentakels waren wichtige Schritte - ebenso wie die Etablierung des Konsilien-Systems und der Lex Magica. Natürlich müssen alle diese Dinge weiter gepflegt und bewahrt werden, damit uns nicht verloren geht, was wir schon gewonnen haben. Dafür braucht es bereits nicht unbeträchtliche Energie - Magier können furchtbar kleinlich und streitsüchtig sein."
Er hielt kurz inne.
"Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Kampf gegen den Thron und seine Seher - sowohl direkt, viel mehr aber versuchen wir dem Einfluss dieser Leute auf die Gesellschaft der Schläfer entgegenzuwirken. Und das kann mannigfaltige Formen annehmen - unter anderem natürlich, Schläfern und Schlafwandlern helfend unter die Arme greifen, und sie zu gutem, weisen Handeln zu führen - was hoffentlich irgendwann in der Erleuchtung des Erwachens endet."

"Nicht jedem Menschen wird von seinen Oberhäuptern das Grundrecht auf Freiheit zugesprochen - oder aber nur in einer verzerrten Form. Nordkorea um nur ein prominentes Beispiel zu nennen." erwiderte er knapp auf seine Frage hin.

Bei dem Vortrag Aions hörte er wieder aufmerksam zu.

"Entschuldigen Sie, ich bin fürchterlich kritisch." begann er. "Ich bin ihrem Zielen auch generell wohlgesonnen, aber ich möchte sie nicht nur verstehen, sondern begreifen... Ich stelle mir vor, dass gerade in Extremsituation - im Krieg beispielsweise - auch Erleuchtung zu finden ist, die im Erwachen münden könnte. Dann, wenn man nicht mehr die Welt so akzeptieren kann, wie sie ist, weil man sonst wahnsinnig werden würde."

Er nickte.
"Ja... und auch nicht jeder Erwachte denkt, dass Magie ein Grundrecht ist. Wichtig ist die Idee, die dahinter steckt - nur weil man allen etwas zugesteht, heißt das nicht, dass man nicht im Einzelfall Ausnahmen machen muss. Solange man diese Ausnahmen legitimieren kann."

Er winkte ab.

"Kritisch sein an sich ist gut, solange es dabei hilft, zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Und natürlich kann man im Krieg Erleuchtung finden - oder zumindest im Konflikt. Sonst gäbe es den Adamantpfeil nicht. Es kommt wohl auf die Art des Konfliktes an. Menschenverachtender, gewaltsamer Dauerkrieg, wie ihn die Prätorianer zelebrieren, führt eher dazu, dass man den Kopf unten hält, weil man nicht der nächste sein will, der sinnlos abgeschlachtet oder zur Abschreckung gefoltert wird. Und ganz abgesehen davon, ob im Krieg Leute erwachen oder nicht - das kann nie ein Grund dafür sein, Kriege anzuzetteln. Schließlich erwachen auch Menschen in Zeiten des Friedens - und extreme, konfliktreiche Situationen kann es auch ohne Krieg geben."

Phobos schmunzelte unsympathisch.

"Ich wollte auch mitnichten vorschlagen, Kriege anzuzetteln, um Schläfer in Extremsituationen zu bringen. Ich versuche nur die Problematik aus möglichst vielen Perspektiven zu betrachten."

Wieder ein Blick auf die Hände, dann wieder ins Gesicht des Magiers.

"Vielleicht hilft es, wenn Sie mir erklären, wie eine Gesellschaft ohne Tyrannei nach ihren Vorstellungen aussähe."

"Da kann ich auch nur spekulieren, wie genau diese Gesellschaft letztlich aussehen wird."

Er zuckte mit den Schultern.

"Sicher ist, dass die Leute nicht mehr überwacht werden, dass Konflikte nicht gewaltsam und ohne Rücksicht auf Verluste ausgetragen werden, dass Geld und Ressourcen von ihren Sockeln geholt werden und in die Positionen gebracht werden, wo sie hingehören - als Mittel, nicht als Zwecke. Dass die menschliche Identität nicht mehr durch ausgedachte Trennlinien wie Religion, Ethnie oder Nationalität definiert und eingeengt wird, sondern dass diese Konzepte produktiv und selbstverwirklichend gewendet werden. Kurz, dass in allen Dingen das herausgearbeitet ist, was befreiend und erleuchtend ist, anstatt das, was einschränkend und unterdrückend ist."

"Verständlich." Phobos nickte.

"Und wie bringen sich die Mitglieder ihres Ordens ein? Was macht beispielsweise ein Claviger?"

"Die Claviger sind ein höherer Rang in der Leiter und unterscheiden sich von den Akolythen - dem grundlegenden Rang, den ein Thearch nach seinem Beitritt in den Orden aneignet - dadurch, dass sie für den Orden sprechen dürfen, etwa in Verhandlungen mit anderen Orden. Ein Akolyth müsste explizit dazu bemächtigt werden. Außerdem sind Claviger dafür zuständig, dass die Ideale der Silbernen Leiter nicht verwässert werden."

Er nickte langsam, eher zu sich selbst.

"Und natürlich steht ein Claviger seinem Diakon stets mit Rat und Tat zur Seite."

"Der Diakon ist der ranghöchste Vertreter der silbernen Leiter in einer Stadt?" stellte er die nächste Frage.