Neue Studien

Das Frühstück im Hotel war ganz gut gewesen. Es gab Müsli und Orangensaft und dazu zwei Scheiben Toast mit Erdnussbutter und Marmelade aus kleinen Plastikschälchen.

Er machte sich schon so auf den Weg zur Uni, dass er schon vor zwölf Uhr da war - er wollte im Student-Office nachfragen, ob Doug noch lebte, wo er lebte und ihm danach vielleicht einen kleinen Besuch abstatten. Sh'aoc fand die Idee, auf dem belebten Campus herum zu wuseln sicher ganz berauschend.

So betrat er etwa um zehn Uhr das Büro und klingelte an einer kleinen Glocke, um auf sich aufmerksam zu machen.

Es gab einen kleinen Wartebereich mit gemütlichen Sesseln und ein paar Zeitschriften und Uni-Flyern auf niedrigen Tischen. Nach kurzer Zeit war er dran und trat an den Schreibtisch einer der Sekretärinnen - diese trug eine blonde Turmfrisur und professionelle dunkle Kleidung - Blazer und Hose. Der Raum war schon klimatisiert, obwohl die Wärme noch lange nicht unerträglich war.

"Guten Morgen! Mein Name ist Judy, was kann ich für Sie tun? Setzen Sie sich doch."
Mit einem zähneblitzenden Lächeln deutete sie auf einen der drei Stühle, die vor ihrem Schreibtisch standen.

Dort nahm er dann auch so gleich Platz.

"Ich suche einen guten Freund von mir, wir waren Mitbewohner." erklärte er. "Ich habe mein Studium aber leider kurzfristig abgebrochen und suche nun wieder Kontakt zu ihm." Er lächelte entschuldigend.

"Wenn Sie mir sagen könnten, ob er noch an der Uni eingeschrieben wäre und wo er wohnt?" fragte er sie. "Douglas Joshua Hartenberry"

Sie runzelte für einen Moment die Stirn, dann lächelte sie entschuldigend.

"Es tut mir sehr leid, aber diese Art von Information unterliegt dem Datenschutz... wir können keine Auskünfte über den privaten Wohnsitz unserer Studenten geben. Ich bitte das zu entschuldigen. Vielleicht können Sie Ihren Freund ja in den sozialen Netzwerken ausfindig machen?"

Ein bisschen Hilfsbereitschaft könnte ihr nichts schaden..., dachte er.

Gefühle waren wie Quecksilber. Manchmal musste man nur die Richtung ändern, in die der Fluss lief... Also schickte er lockende, magnetische Wellen zu ihr, die ihre Gefühlswelt etwas in die gewünschte Richtung fließen ließen. Sie Hilfsbereiter werden ließen.

"Das weiß ich ja..." gab er zu. "Aber er hat leider kein Facebook. Können Sie mir nicht einen Tipp geben?" Er lächelte sie zurückhaltend an. "Vielleicht können Sie mir ja eine Vorlesung empfehlen, die ich in den nächsten Tagen besuchen könnte?" bat er sie.

Spoiler:

Sie legte den Kopf schräg.

"Ich... weiß nicht. Ich würde wirklich gerne helfen... aber ich kann Probleme bekommen, wenn ich Daten herausgebe."

Spoiler:

Er nickte verstehend.

"Ich möchte wirklich nicht aufdringlich sein, aber... Wenn Sie mir vielleicht die Uni-E-Mailadresse geben würden?" bat er.

"Mein Mobiltelefon hat den Geist aufgeben und ich habe leider, leider kein Adressbuch geführt." erklärte er. "Dann könnte er mich ja auch einfach ignorieren, wenn er nichts mit mir zu tun haben wollte."

Sie seufzte leise und wirkte kurz nachdenklich.

"Hmm. Nagut. Ich mache eine Ausnahme in diesem Fall. Warten sie kurz."

Sie tippte auf ihrer Tastatur herum.

"Gut, ich habe den Uni-Account."
Auf einem kleinen Notizzettel kritzelte sie eine Zeile und schob das Ergebnis dannüber den Tisch zu Phobos. Dougs Mailadresse war dort aufgeschrieben.

"Bittesehr."

"Vielen, herzlichen Dank." sagte er dankend lächelnd. Langsam ließ er den Zauber abklingen.

Er schob den Stuhl wieder zurück an seinen Platz.

"Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."

Sie nickte ihm zum Abschied mit einem immer noch freundlichen, aber nun dünneren Lächeln zu.

"Das wünsche ich ihnen auch. Schicken Sie doch bitte den nächsten her..."

Richard verließ das Büro und schloss es hinter sich. Vielleicht hätte er dem nächsten einen großen Gefallen getan, hätte er den Zauber noch wirken lassen. Aber wer weiß schon, was derjenige von ihr gewollt hätte?

"Der nächste Bitte." sagte er in die Runde und schritt ein paar Schritte nach draußen... Setzte sich dort auf den Campusrasen etwas abseits von allen.

"Und? Wie findest du's hier?" fragte er den Goetia, mit einem Handy am Ohr um auszusehen, als würde er telefonieren?

Die Goetia lümmelte ebenfalls auf dem Rasen herum und beobachtete die Menschen, die sich hier in kleinen Grüppchen verstreut auf der Wiese saßen oder Lagen und ihre Pause genossen.

"Ahhh... Studenten... so viel Potential...", weidete sich das Wesen genießerisch an der Umgebung.

Er schnaubte kurz durch die Nase, als hätte das Goetia einen Witz gemacht.

"Das dacht' ich mir." witzelte er und nahm das Handy vom Ohr weg. Er fing an zu tippen.

Code:

Hey Doug,
entschuldige, dass ich mich so lange nicht meldete... Als ich bei meinen Eltern war, ereignete sich eine mittelschwere Tragödie. Also blieb ich etwas länger als gedacht, habe ausgeholfen wo ich konnte  und wurde mir da über einiges klar. Ich habe viel nachgedacht über das, was ich vom Leben möchte und wie ich die Welt sehe.

Wie dem auch sei... Ich bin wieder in der Stadt und fasse wieder Fuß. Vielleicht möchtest du dich mal auf nen Kaffee irgendwo treffen?

Es tut mir Leid, falls du dir Sorgen machtest,

beste Grüße
R.

P.S.: Mein Telefon ging kaputt. Hier ist meine neue Nummer: 1234567890

Es verging eine Weile, vielleicht eine Dreiviertelstunde oder Stunde, in der Phobos sich entspannen konnte - abgesehen von dem einen Auge, mit dem er Sh'aoc dann doch zur Sicherheit hin und wieder beobachtete. Zumindest in dieser Zeit stellte selbige aber nichts an, abgesehen davon, ein paar Leute zu belauschen.

Dann klingelte sein neues Telefon.

Innerlich etwas aufgeregt ging er dran.

"Hey D." begrüßte er ihn.

"YOOO!"

Doug klang aufgeregt.

"Maaaaaaann! Das gibts ja gar nicht... ich dachte schon du wärst tot oder so. Was geht, Alter?"

"Schön dich zu hören." sagte er mit ehrlicher, ruhiger Freude. "Eine ganze Menge... Aber ich komme gerade wieder an und zur Ruhe." erklärte er. So emotional kannte er ihn vermutlich gar nicht.

"Und bei dir?"

"Okay... und... also, ich musste dein Zimmer untervermieten. Wusste ja echt nicht, wo du steckst und konnte dich ja nicht erreichen. Dein Krempel ist aber noch hier, falls du den brauchst. Vielleicht kannst du auch demnächst wieder einziehen..."

"Bei mir ist alles senkrecht. Wie üblich... meine Güte, wie lange war das? Schon ein paar Monate. Du hättest dich echt mal früher melden können."

"Entschuldige." seufzte er ins Telefon. "Wie gesagt, es hat sich eine Menge getan."

Er sah kurz zur Wiese.

"Ich bin exmatrikuliert, schmeiß das Studium vermutlich hin." erklärte er. "Ich werd mir hier einfach nen Job suchen, mehr Leben und weniger studieren."

"Du schmeißt hin?"

Doug klang ungläubig.

"Ernsthaft? Das hätte ich ja nun nicht erwartet... heißt das, du suchst dir ne andere Bude?"

"Weißt du... Medizin war eigentlich nie der richtige Bildungsgang für mich." Er sah kurz in die Ferne.

"Das ist mir jetzt klar geworden. Und deshalb werde ich mir auch eine andere Bude suchen müssen."

"Okay... klingt, als hättest du nen ganz schönen Selbstfindungstrip hinter dir."

Er räusperte sich.

"Also, dann braucht Jones nicht ausziehen... willst du irgendwie demnächst auf ein Bier vorbeikommen? Dann kannst du auch einen Blick auf deinen Krempel werfen, der noch hier ist."

"Auf jeden Fall. Kann ich einfach spontan vorbeikommen?" Spontanität wäre früher ein Fremdwort für Richard gewesen...

"Spontan?"

Wieder hörte man eine gewisse Ungläubigkeit aus der Stimme seines Ex-Mitbewohners.

"Klar. Sag aber am besten trotzdem kurz Bescheid, vorher... nicht, dass ich dann gerade unterwegs bin."

Er lächelte laut. "So machen wir das." Er nickte sich knapp zu. "Danke, dass du meine Sachen aufgehoben hast."