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Er machte ein abwägende Geste mit der Rechten.

"Ein Diakon ist der ranghöchste Thearch in der lokalen Fraktion des Ordens. Die Fraktion ist meist nicht Deckungsgleich mit einer Stadt. Unsere Diakonin ist beispielsweise noch für die Thearchen in den Konsilia von Oakland und San Rafael zuständig. Und in New York gibt es beispielsweise wegen der großen Präsenz des Ordens einen Erzdiakon, der nochmal den einzelnen anderen Diakonen in der Gegend vorgesetzt ist."

Wieder das knappe Nicken.

"Haben Sie denn irgendwelche Fragen an mich?"

"Was halten Sie bisher von dem ganzen Magier-Leben?"
Fragte er direkt, als hätte er so etwas erwartet.

"Es ist durchwachsen." erwiderte er. "Natürlich sehe ich die Potentiale, aber auch die Gefahren, die in der Macht liegen, über die man als Magier verfügt. Und ebenso ist es mit anderen Magiern."

Einen Moment schwieg er nachdenklich - oder rhetorisch.

"Gleichzeitig habe ich von dem... gesellschaftlichen Leben der Magier bisher wenig mitbekommen. Und ich nehme an, dass das in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Auf der Ebene ist es schwer einzuschätzen."

"Hmm."

Er legte die Fingerspitzen aneinander.

"Sie sind von der vorsichtigen Sorte. Das ist gut, Draufgänger gibt es wahrlich genug in dieser Stadt, da schaden ein paar Neuzugänge mit einem kühleren Kopf nicht. Was das gesellschaftliche Leben angeht: Die Gemeinschaft der Erwachten funktioniert genau so gut, wie die einzelnen Mitglieder bereit sind, Kompromisse einzugehen, zu verhandeln und auf diplomatische Lösungen und Vermittlung zu vertrauen. In dem Sinne haben Sie selbst als Neuling auch eine Verantwortung zu tragen."

Er legte den Kopf schräg.

"Das heißt natürlich nicht, dass Sie unterwürfig sein sollen, im Gegenteil. Lassen Sie mich Ihnen einen Rat geben... Seien Sie nicht zu vorsichtig und zu sehr darauf bedacht, es möglichst allen Seiten recht zu machen. Das wird nicht funktionieren... und übertriebene Vorsicht kann mehr behindern als das Sie nützt."

Eine misstrauische Falte bildete sich auf Phobos Stirn. Las Aion seine Gedanken, oder war das nur ein Zufallstreffer? Wie viel hatten ihm die Hüter bereits über ihn verraten? Der Vorfall lag doch erst wenige Stunden zurück.

"Sie raten mir also, Partei zu beziehen." fasste er zusammen. "Nun, aus diesem Zwecke treffe ich mich mit Ihnen - um herauszufinden, ob ich ihre Seite vertreten möchte."

Er nickte langsam.

"Nun, ich glaube nicht, dass Sie nach einem kurzen Gespräch bereits wissen, ob Sie der Silbernen Leiter beitreten wollen - oder irgendeinem der Orden, was das angeht. Das hier ist ja im Grunde nur Gerede, nicht wahr?"

"Natürlich." erwiderte er. "Aber wenn Sie die silberne Leiter vertreten, können Sie mir vielleicht auch die ideologischen Unterschiede und Ziele der Diamantorden im Ganzen versus dem Konzil erläutern - Das scheint dieser Orts insbesondere eine große Rolle zu spielen."

Er lehnte sich zurück, ein leichtes Schmunzeln umspielte seinen Mund.

"Wollen Sie wirklich die Unterschiede in den Lehren der Orden wissen? Oder wollen Sie eher wissen, was hier konkret los ist? Das sind nämlich zwei sehr verschiedene Dinge."

"Wenn das eine die Bedingung ist, um das andere zu verstehen, dann werden wir wohl nicht darum herum kommen." Er runzelte kurz die Stirn. "Ist dem denn so?"

"An und für sich reicht es für den Anfang zu wissen, dass es eine lang stehende Allianz zwischen den Diamantorden und dem Freien Konzil gibt... die nennt man 'das Pentakel'. Diese Allianz ist möglich, weil die Überzeugungen der beiden Seiten nicht sehr weit auseinander liegen - und es im Interesse aller ist, sich gegen den Thron zu verbünden."

Er legte einen Finger ans Kinn.

"Nun gibt es hier gesonderte Umstände... auf der anderen Seite der Bucht, in Union City und Fremont, sitzt die Tetrarchie von Kalifornien und werweißwas welchen Territorien drumherum noch - ein absolutes Machtzentrum des Throns und eine Todeszone für jeden anderen Erwachten - halten Sie sich fern von da. Diese Seher schicken regelmäßig ihre Sklaven und Lakaien in die Umgebung aus. Das kleine Konsilium von Oakland steht kurz vor dem Zusammenbruch, ständig belagert und wahrscheinlich auch hochgradig unterwandert. San Jose ist im Dauerkrisenzustand - da versucht man wohl, gegen die Tetrarchie vorzugehen. Fragen sie die Adamantpfeile, wenn sie näheres wissen wollen."

Er schaute sich demonstrativ um.

"Wir haben noch relatives Glück - die Seher kämpfen lieber kleine Scharmützel mit Oakland oder San Jose, die sie als leichter gewinnbar sehen. Aber wenn diese Konsilia fallen oder sich aus dem Kampf zurückziehen, dann sind wir dran. Im Moment ist es noch ruhig, aber die Gemüter sind angespannt. Viele offizielle Stellen versuchen natürlich, so gut es geht Vorbereitungen zu treffen, und dazu gehört es eben auch, Ressourcen zu sammeln um im Notfall bereit zu sein. Tja, und unser Hierarch ist ein Mystagoge - manchmal fehlt da etwas das diplomatische Geschick. Viele Erwachte fühlen sich ausgebeutet oder sogar beraubt, weil Manaquellen, Artefakte und Grimoires - nun, sagen wir, requiriert werden."

Seine Hände vollführten eine langsame, abwägende Geste.

"Den Rest können Sie sich ja denken. Das Konsilium raubt uns aus, wir dürfen uns nicht mehr versammeln, und so weiter - das wird uns vorgeworfen."

"Die ansässigen Adamantpfeile, stehen dann vermutlich den beiden Konsilien tatkräftig zur Seite?" spekulierte er, nachdem er aufmerksam zuhörte.

"Und diese... Kriegsvorbereitungen sind dann vermutlich auch der Grund dafür, dass Leute wie ich einen Tribut zahlen, wenn sie Teil dieses Konsiliums werden wollen?"

"Nicht nur die Adamantpfeile. Auch unsere Diakonin ist stark in den Konflikt eingebunden und in Oakland involviert. Es ist bloß so, dass der Adamantpfeil eine etwas größere lokale Fraktion hat - die Adamantweise gehört zum Konsilium von San Jose, das auch einen Pfeil als Hierarchen hat - insgesamt sehr militärisch alles, da unten. Ich habe aber gehört, dass die Weise oft in der Gegend, auch hier in San Francisco, unterwegs ist."

Auf die Frage hin nickte er sparsam.
"Das ist richtig. Wobei der Tribut durchaus eine längere Tradition ist und nicht allein aus der Not heraus geboren wurde. Wirklich viel kommt dabei ohnehin nicht rum - aber jedes bisschen hilft."

Phobos gab das knappe Nicken zurück. Irgendwie hatte er das Gefühl, das Gespräch dümpelte etwas ziellos dahin. Hatte dieser Aion kein Interesse an seiner Person? Oder war das ganz normal, wenn man... alle Zeit der Welt hatte?

Eine Frage klebte an Phobos, seit dem Aion ihm von dem Verhalten des Konzils im Kontext des Krieges erzählt hatte: Warum stellt das freie Konzil sich dann so an? Aber das war vermutlich genau sein Ziel gewesen. Und deshalb stellte er sie nicht.

"Bisher hatte niemand die Zeit mir diese Frage ausgiebig zu beantworten, aber das scheint gerade kein Problem..." begann er stattdessen. "Aber was für Kabalen gibt es bekannterweise in der Stadt und womit beschäftigen sie sich?"

"Ah... es gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Kabalen. Über alle kann ich Sie natürlich nicht informieren... aber vielleicht über einige der einflussreicheren - will heißen, welche die einen Meister oder einige kompetentere Adepten unter ihren Mitgliedern haben."

Er räusperte sich kurz.

"Beispielsweise meine eigene Kabale, Oikos Opheleia. Wir bestehen aus Thearchen und einigen Adamantpfeilen und haben uns das Ziel gesetzt, in Situationen einzugreifen wo Hilflose und Unschuldige ohne eigenes Zutun Gefahren oder Verlusten ausgesetzt sind. Unsere Pfeile greifen direkt in Einzelfällen ein, die Thearchen kümmern sich eher systematisch um wirtschaftliche Dinge. Beispielsweise baut unsere Kryptopolis Obdachlosenheime, Gemeindezentren und Selbsthilfegruppen auf und beeinflusst sie insoweit, dass die Schläfer fähig werden sich selbst zu helfen. Ein Stück weit versuchen wir auch, Kräfte zu mobilisieren, die eben solchen Gruppen helfen können - etwa die Politik des Wohnungsmarktes, staatliche Sucht- und Gewaltprävention und so weiter und so fort."

Kurz hielt er für einen Moment inne.

"Eine der größeren Machtbasen hat Bhakti Jnana, die Kabale unserer Diakonin Indra. Im Grunde gibt die Kabale bei der Silbernen Leiter und auch wichtigen Fragen des Konsiliums den Ton an. Das ist durch ihre guten Connections einiger Mystagogen besonders leicht, die auch zu der Kabale gehören - etwa Bali, der Kurator der hiesigen Bibliothek des Mysterium."

Er hielt den Kopf schräg.

"Das sind im Grunde die zwei wichtigen Kabalen der Silbernen Leiter - obwohl auch Mitglieder anderer Orden dazu gehören. Vielleicht nenne ich Ihnen als dritte Kabale noch die Ritter der Kelche. Das ist eine der mächtigsten Kabalen in der Gegend, und sicherlich die größte, was Mitgliederanzahl angeht - vorwiegend Mystagogen und Adamantpfeile, aber auch einige Hüter des Schleiers. Sie stellen den Hierarchen."

Sein Blick war etwas in der Umgebung herumgegangen und kehrte nun zurück zu Phobos.

"Wenn Sie mir sagen, nach was für ein... nun, nennen wir es mal Spezialgebiet Sie suchen, dann kann ich Ihnen vielleicht zielgerichtet eine entsprechende Kabale nennen."

Phobos wirkte durchaus interessiert und hörte aufmerksam zu. Immer wieder nicke er, um zu zeigen, dass er zuhörte oder um höfliche Zustimmung auszudrücken.

"So abstrakt das vielleicht auch klingt... Ich möchte Vergessenes zurückbringen. Gestorbene Erinnerungen, Ideen aber auch Sachliches. Nicht unbedingt Vergangenes... Auch wenn das natürlich oft der Fall ist... In den Dingen, die man übersieht, die man vergisst, die sterben, obwohl sie da sind... Darin liegt ein verborgener Wert, in diesen... Geheimnissen. Auch für eine Gemeinschaft, wie dem Konsilium."

Aion nickte langsam und durchaus interessiert.

"Das klingt nach einem durchaus würdigen Ziel. Ad Hoc fällt mir allerdings keine Kabele ein, die explizit eine derartige Zielsetzung haben. Ich könnte einige Erkundigungen einziehen. Das Mysterium wird sicher Interesse haben... was nicht heißen muss, dass nur dieser Orden für Sie persönlich infrage kommt. Sie haben es ja selbst gesagt, eine Gemeinschaft kann von dem, was vergessen wurde, profitieren. Man muss es nicht in einem Athenaeum einsperren, sobald man es gefunden hat."

"Nein, das wäre glaube ich auch nicht in meinem Interesse." dachte er nach. "Im schlimmsten Falle würde das... Wiederbelebte, Wiedererfundene dort nur erneut vergessen werden." fand Phobos. "Das Problem bei der Suche nach Vergessenem ist ja, das man nicht weiß, wonach man sucht - oft sogar niemand." dachte er weiter.

"Ein Magier, der sich mit derlei beschäftigt, muss also vielmehr nach allem Verborgenem suchen, um auch das Vergessene zu finden - denn suchen... suchen kann man es nicht."

Wieder nickte er, nachdem er kurz mit schräg gelegtem Kopf über das Gesagte nachgedacht hatte.

"Das klingt nicht wie ein Rätsel, das sich so einfach lösen lässt. Vielleicht sollten Sie wirklich mit den Gelehrten des Mysterium sprechen... es heißt immer, die Koryphäe weiß alles."

"Die Koryphäe ist eine Meisterin des Mysteriums... eine Meisterin dritten Grades, nach meinem letzten Kenntnisstand. Allerdings würde es mich wundern, wenn sie mit jemandem unterhalb des Meisterranges überhaupt spricht. Ich selbst hatte nur ein einziges Mal das... Vergnügen."
Er lächelte etwas seicht, was das Wort 'Vergnügen' relativierte.

Vermutlich wusste sie auch alles über dich - dann war es natürlich alles andere als vergnüglich.

"Dann weiß ich nicht, ob sie mir helfen kann. Jemand, der alles weiß, weiß nicht, was es heißt, zu vergessen." scherzte er humorlos. "Wie dem auch sei, bis dahin wird es wohl noch ein paar Jahre für mich brauchen." stellte er gefasst fest.

"Aber wenn ich mit einem Vertreter des Mysteriums spreche, werde ich sie auch darauf ansprechen."

Er winkte ab.

"Natürlich habe ich auch weniger mystische Interessen und Ziele." wechselte er dann das Thema. "Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Insofern halte ich ihre Kabale, die sich eben den Menschen zuwendet, die nicht einmal die grundlegenden Möglichkeiten, sich selbst zu versorgen und für ihre Sicherheit zu sorgen, für besonders edel."

"Tja, das kann sein. Oder sie weiß einfach auch alles über das Vergessene und Verlorene", scherzte er nicht minder trocken zurück.

Ein dünnes Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht.
"Es freut mich, dass Sie das so sehen. Sie dürfen sich der Kabale gerne einmal vorstellen... allerdings ist es wahrscheinlich besser, wenn Sie erst einmal ihre Kennenlern-Runde beenden. Kivutar kümmert sich derweil um Ihren Beitritt zum Konsilium, der sicher bald offiziell wird."

Phobos nickte ebenso. War das nun eine Bestärkung, oder ein Dämpfer?, fragte sich Phobos.

"Ich werde diese Entscheidung nicht unbedacht fällen." erwiderte er. "Sicherheit im positiven Sinne ist natürlich etwas sehr vielschichtiges, dass auf viele Arten und Weisen erzielt werden kann. Ich werde prüfen, in welchem Orden und welcher Kabale ich mit meinen Methoden dieser Idee am Wirksamsten dienen kann."

"Mehr kann niemand erwarten."

Aion erhob sich langsam.

"Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen? Ansonsten sollten wir möglichst die gleiche Position einnehmen wie in dem Moment, in dem mein Zauber zu wirken begonnen hat."

"Ich nehme an, auch bei ihrem Orden ist eine Probezeit üblich?" spekulierte er. "Wendet man sich dazu an die Kabalen oder an den Orden, also Sie?"

Phobos erhob sich schon mal und ging dorthin, wo er ungefähr zuvor stand.

"An den Orden - also mich. Anwärter bekommen einen Mentor zur Seite gestellt, der sie durch die Zeit bis zur Initiation in die Silberne Leiter begleitet."

Er streckte die Hand aus, um, wie zuvor, die seine zu schütteln.

"Bereit?"