[Beth] Schöne neue Welt

Sie hatten inzwischen den Eingangsbereich erreicht und standen kurz vor der Tür.

"Nagut, dann bleib hier. Und... klar. Das Freie Konzil steht jedem offen."
Sie nannte eine Adresse.

"Komm einfach da hin und frag nach Belladonna. Machs gut."
Damit ging sie nach draußen und ging so zügig sie konnte davon.

"Ok, machs gut", verabschiedete Beth sich und sah ihr kurz etwas besorgt nach und hoffte, dass sie wirklich bald jemanden anrufen würde, der ihr half und sie da abholte.
Dann stand sie kurz etwas verloren in der Eingangshalle.
Okay... ich sollte zu diesem Angus. Aber der hat ne Knarre und sich eingeschlossen und hat auf diese Belladonna geschossen. Naja. Sie wollte ihn ausrauben, wenn man das dann so nennen darf... aber bevor der auf mich schießt... bleibe ich einfach hier... oder rufe ich Proxy an - blöde Idee, der meckert nur. Einfach hier bleiben? Klingt nach her echt dämlichen Idee. Ich könnte mich in den Flur setzen und die verängstigte spielen?Kauft mir das jemand ab? Vielleicht... nicht sicher genug. Und vielleicht ist hier ja auch alles überwacht, dann... oh Mist, da hätte ich früher drüber nachdenken sollen. Mist...

Schließlich setzte sie sich einfach auf den Boden, mit dem Rücken zur Wand. Um nicht zu sehr rum zu ribbeln holte sie relativ wahllos eines ihrer Schulbücher aus dem Rucksack und starrte dabei die dumme Holzkiste böse an. Bio. Das war gar nicht so blöd, irgendwann stand ein Test an.
Aber eigentlich wartete sie doch nur darauf, dass etwas passierte... denn irgendwas würde doch nun passieren?

Für eine kurze Weile passierte gar nichts. Dann hörte sie abermals Schritte von oben kommen, diesmal aber wesentlich weniger gehetzt. Dann tauchte ein freundlich lächelnder Mann auf der Treppe auf und kam auf Beth und ihr Biosachen zu.

"Hi! Sag mal, hast du hier irgendwo eine rot-schwarz gescheckte Katze gesehen?"

"Nein", antwortete Beth schaute kurz auf und dann wieder auf ihr Buch. Sollte das jetzt noch ein Test sein? Oder hat der einfach seinen Code vergessen? Oder bin ich jetzt zu pingelig... ach egal, erst mal auflaufen lassen.

Sein Lächeln wuchs in die breite.

"Und hast du vielleicht stattdessen eine grau-schwarz gescheckte Katze gesehen?"

"Nein, aber das Lächeln einer Katze ist noch kurz zu sehen, obwohl die Katze schon verschwunden ist", leierte Beth betont desinteressiert herunter, klappte dann das Buch zusammen und stand auf und sah ihn direkt an.
"Und wer von euch ist Fan von Alice im Wunderland?", fragte sie  ernsthaft.

Er lachte leise.

"Vielleicht sind wir alle Fans. Du etwa nicht?"

"Nur grade genug um Grin wieder zu erkennen" Sie zuckte mit den Schultern. War jetzt der richtige Mo- ach egal!

"Warum hast du auf sie geschossen?", fragte sie fast schon... neugierig und starrte ihn dabei weiter an.

"Ah, du hast Belladonna getroffen."

Er seufzte.
"Eigentlich wollte ich das vermeiden. Aber sie ist hier hergekommen, in dieses Sanctum eingedrungen, hat mich bedroht und Dinge gefordert, die ich ihr nicht geben konnte. Ehrlich gesagt wusste ich mir nicht anders zu helfen."

"Aha", sagte Beth zutiefst skeptisch und mit zusammengezogenen Augenbrauen und steckte dann wie nebenbei das Buch in den Rucksack zurück, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließ.

Er schaute sie mit schiefem Blick an.

"Was hättest du denn gemacht?"

Wieder zuckte Beth mit den Schultern.

"Von mir will sie nichts und ich kann deine Situation auch nicht einschätzen. Und einen Grund wird sie wohl gehabt haben?", fragte Beth, allerdings klang es eher wie eine rhetorische Frage, nicht wie etwas auf das sie tatsächlich eine Antwort erwartete.

"Mir wurde nur beigebracht, dass Gewalt die letzte Lösung sein sollte." Eine kurze Pause. "Und ich hätte höchstwahrscheinlich -mangels Waffe- auch nicht schießen können"

"Selbst bei den Schläfern ist Selbstverteidigung und der Schutz des eigenen Heims ein legitimer Grund, Gewalt anzuwenden."

Er schnalzte mit der Zunge.
"Apropos Gründe: Hast du die Lieferung?"

"Wow. Dann hat Proxy mir tatsächlich was wichtiges mitgegeben? Hätte ich ja nicht erwartet", sie gab sich große Mühe mit einem schwachen, aber überzeugendem Grinsen und verschluckte den nächsten Satz, irgendwas in der Richtung 'Die meisten Leute würden auch sagen, dass man seinen Besitz verteidigen darf. Und an deiner Tür steht ne Einladung'.
Also hab ich wirklich ihr Amulett gehabt. So ein Mist aber auch... Wieder bückte sie sich zu dem Rucksack und kramte die Holzkiste hervor. Naja... Hab mich entschieden...

"Ist es nicht eigentlich unerheblich, ob es was Wichtiges war? So oder so, wenn du es verloren hättest, hätte das ein schlechtes Licht auf dich geworfen."

Er nahm die Kiste entgegen.
"Nun, dann komm mal mit."

Sie betraten eines der Zimmer, die an den Flur angrenzten. Es war so eine Art Versammlungsraum oder etwas in die Richtung. Sitzkissen lagen auf dem Boden, und vor Kopf war wieder ein Schrein, nur größer als der im Foyer. Statuen standen links und rechts davon und ein großer Wandschirm zeigte erneut mythische Szenen. Angus legte die Holzkiste auf den Schrein und fummelte einen Schlüssel aus seiner Tasche hervor. Er öffnete zuerst das kleine Schloss, dann die Kiste selbst. Ein schlichtes, silbernes Amulett an einer Lederkordel lag darin in ein blaues Tuch gebettet. Angus besah sich das Amulett, und Beth wurde von magischen Brisen gestreift, die von dem Gegenstand ausgingen.

"Ich hab es aber nicht verloren" meinte Beth erwidern zu müssen. Oder weggegeben. Und ich finde das ganz und gar nicht unerheblich...

Sie folgte Angus in den Raum, ließ sich ganz kurz von der Umgebung ablenken- schlicht war ja mal echt was anderes- und beobachtete dann genau, was Angus tat. Als er es auspackte betrachtete sie so gut es ging ebenfalls das Amulett und konzentrierte sich, fast ohne darüber wirklich nachzudenken auf das Gefühl der Magie, dass davon ausging. Wenn er nicht will das ich neugierig werde, soll er es halt wo anders auspacken...

"... oder weggegeben. Warum eigentlich nicht? Du hast doch sicher verstanden, dass Belladonna eigentlich genau deswegen hier war."

Sie sah die vielen spektralen Hände und Arme ihrer Sicht, die über Gedanken und den Raum um sie herum Aufschluss gaben. Sie erkannte instinktiv die Distanz zwischen einzelnen Punkten im Raum daran, wie viele 'Ellen' der Spektralarme sie ausmachten, und wusste nun auch, dass Angus nicht schlief und auch nicht ohnmächtig war, denn seine Gedankenprozesse waren aktiv. Das Amulett dagegen gab keine magischen Lebenszeichen von sich - seine Macht musste weder zum Raumarkanum, noch zum Gedankenarkanum gehören.

Viel weiter kam sie dann nicht mit ihrer Untersuchung, denn Angus schloss die Kiste wieder, öffnete eine mit filigranen Schnitzereien verzierte Schublade im Schrein und legte die Kiste da hinein.

"Also, wenn ich normalerweise angeschossene Leute in irgendwelchen Fluren finde, erzähle ich denen eigentlich immer meine Lebensgeschichte und gebe ihnen irgendwelche Dinge aus meinem Rucksack", sagte Beth mit so viel Sarkasmus wie sie aufbringen konnte.

"Das gehört sich doch so, oder?"

Angus zuckte mit den Schultern.

"Entweder stellst du dich gerade dumm, oder du bist dumm. In beiden Fällen brauchen wir uns eigentlich nicht weiter zu unterhalten. Du kannst dann gehen."
Er lächelte unverbindlich.

"Hätte mir ja denken können, dass so etwas wie Humor bei euch nicht grade groß geschrieben wird", grummelte Beth leise vor sich hin. Sie schnappte sich wieder ihren Rucksack, den sie eben erst auf dem Boden abgelegt hatte, wandte sich dann aber wieder an Angus. Warum zum Henker soll ich mich jetzt eigentlich noch rechtfertigen?
Ach man...

"Ich hab es Belladonna nicht gegeben, weil ich sie nicht kenne, keine Ahnung hatte, in wie weit ihre Anschuldigungen wahr waren und ob dieses Teil tatsächlich gefährlich ist. Und außerdem hab ich gesagt, dass ich es hier abliefern würde." Man merkte deutlich dass der letzte Punkt für sie scheinbar der wichtigste war. Kurz starrte sie Angus an, dann zuckte sie mit den Schultern, setzte ein kleines Lächeln auf und sagte:

"Tschau dann"

Er zuckte mit den Schultern und schob die Schublade wieder zu.

"Okay. Na dann, du findest den Ausgang."
Nach einem kurzen Nicken ging er davon.

Beth ging ebenfalls. Vor der Tür fiel ihr dann auch wieder ein, dass Sie Proxy noch anrufen musste...
Sie suchte Ihr Handy raus und wählte seine Nummer.

Proxy ging ziemlich zügig ran.
"Ja?"

Er klang ungehalten.

"Dein Paket ist abgeliefert", sagte Beth schlicht.

"Gut."

Er legte auf.