[Beth] Schöne neue Welt

Sie starrte auf ihr Handy herunter. Das war ja klar gewesen. Und was nun...? Lageplan... ich werde bald heimgehen. Pünktlich zu Unterrichtsende da sein. Meine "Hausaufgaben" machen.
Vielleicht Thommy wirklich deswegen anschreiben... nicht, dass er sich noch sorgen macht. Und dann schauen... dass ich diese Belladonna treffe. Vielleicht morgen? Das wirkt nicht so... abhängig. Oh, verdammt... wie lang hat Proxy mich eigentlich krank geschrieben?

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, während sie einfach schon mal losging.

Sie lag noch ziemlich gut in der Zeit. Selbst wenn sie noch um die eineinhalb Stunden herumtrödeln würde, hätte sie noch reichlich Zeit, um passend zum Schulende nach Hause zu kommen.

Ihr Handy summte. Es war eine Nachricht von Thommy - in der Schule war die zweite große Pause.

Code:

hey! alles klar bei dir? soll ich HA bringen?

Oh. Na... wenn er jetzt bei mir auftaucht gibst total Ärger... oh, hab ich überhaupt- Sicherheitshalber schaute sie noch einmal nach ob Thommys Nummer auch zu den von ihren Eltern nicht zu lesenden Sachen gehörte... Und tippte, als sie dies bestätigte, schnell eine Antwort.

Code:

Hey... mich hat die Grippe voll erwischt. Keine Ahnung bei wem ich mich da angesteckt habe, aber wenn du du das nicht auch haben willst, komm lieber nicht vorbei... kannst du mir die Aufgaben vielleicht schicken?

Thommy hatte sich natürlich selbst auf die Liste der geheimen Nummern gesetzt. Er antwortete rasch.

Code:

klar, kann ich machen. Mrs dillane hat aber ne menge zeug ausgeteilt. kann das gerne bringen. is nicht schlimm, wenn ich mich ansteck, dann muss ich wenigstens ende der woche nicht mathe schreiben.

Natürlich war Thommy so ziemlich der letzte, der sich Sorgen wegen einer Mathearbeit machen musste. Beth selbst allerdings war noch nicht wirklich zum Lernen gekommen...

Oha, na gut, aber meine Eltern sollten das echt nicht mitbekommen... also nachmittags noch mal raus. Hoffentlich macht ja keinen Stress.
Wieder tippte sie fast schon hastig eine Antwort.

Code:

Du suchst doch nur eine Ausrede! Aber na gut - Ich schleich mich raus. Treffen wir uns am alten Kinderspielplatz?

Code:

Ok... wenn du meinst, dass das ne gute idee ist mit deiner grippe... dann komm ich nach der schule rum

Immerhin war Thommy einiges an Heimlichtuerei von Beth gewöhnt, daher würde er das zumindest nicht hinterfragen.

Ohne noch einmal zu schreiben steckte sie das Handy weg...und holte es sofort wieder hervor. Irgendwie muss ich ja Zeit totschlagen... jetzt kann ich mich ja auch einfach in ein Café setzten. Und etwas leckeres trinken... das wäre gut...
Sie suchte nach einem Café in der Nähe oder... auf halben weg heim, während sie einfach schon weiter ging. Sie musste ja nicht wie blöd in der Gegend rumstehen.

Die Stadt bot viele todschicke Cafés, Bistros und Snack Lounges. Sie hatten eines gemeinsam: Die Preise waren gepfeffert. Von ihrem schmalen Taschengeld konnte sie sich vielleicht einen schwarzen Kaffee leisten, mehr war nicht drin. Dabei lächelten Frappuccinos und Iced Lattes von den großen Speisekarten und -tafeln. Ganz zu schweigen von den herrlichen Kuchensortimenten, die ihr kärgliches Pausenbrot wie mittelmäßige Pappe aussehen ließen. Und die ganzen jungen, hippen Menschen - sicher, einige Jahre älter als Beth selbst, vermutlich gut von ihren Eltern durchgefütterte Studenten oder Mitarbeiter bei einer dieser ultramodernen Techfirmen, für die San Francisco bekannt war.

Mit jeder weiteren Speisekarte an der sie vorbei lief sank Beth's Laune weiter. Ich hab keinen Lehrer, der nächste Magier hält mich für dämlich - Und ich kann mir nicht mal einen verdammten Cappuccino leisten...
Abrupt blieb sie schließlich stehen und lief in die andere Richtung.
Genug Selbstmitleid. Ich kanns mir nicht leisten, ich hab keinen Bock jemanden deswegen und anzubetteln, und... Nein. Magie wäre wohl zu gefährlich. Also. Mach ich halt was, was nichts kostet... spazieren gehen? Mein Gott, das klingt voll Oma. Fehlt nur noch, dass ich stricke...

Sie konnte die Zeit, bis sie zuhause sein wollte, mühelos mit Seniorenaktivitäten wie ausgedehnten Spaziergängen, ruhigem Sitzen auf Parkbänken und dem leicht missbilligenden Beobachten anderer Menschen zubringen.

Schließlich kam sie zuhause an, wo ihre Mutter - anscheinend ohne jede Ahnung der Tatsache, dass ihre Tochter nicht in der Schule war - am Herd stand und das gutbürgerliche Mittagessen zubereitete.

"Hallo, Beth. Wie war es in der Schule? Das Essen ist gleich soweit."

"Wie immer. Nichts besonderes...", meinte Beth und schmiss ihren Rucksack in den Flur. Das Biobuch fiel heraus. Na super.

"Was gibt's denn?"

"Chicken-Wraps. Holst du bitte deine Schwester?"

Das Essen verlief wie immer. Sie saßen zu dritt um den Tisch, Charity redete wie ein Wasserfall, sodass Mrs. Guildwater sie immer wieder dazu anhalten musste, auch ihren Wrap zu essen.

"Warum haben wir dieses Handy eigentlich gekauft? Du benutzt es ja kaum", stellte die Familienmutter plötzlich unvermittelt fest, während sie sich Salat auftat.

Beth verschluckte sich an einem ihrer letzten Bissen des Wraps und hustete erst einmal los. Mist! Und Thommy hat mich noch gewarnt! Erklärung, aber plötzlich...

"Dein essen will mich umbringen - und war nicht Dads Argument gegen mein Handy, dass ich dann nur noch davor sitzen würde?", fragte Beth zurück und gab sich Mühe es wie eine ganz normale Schlussfolgerung klingen zu lassen, dass sie dann nicht viel damit machen konnte.
"Und außerdem hatte ich Unterricht!"

Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge und Beth wusste, dass ihre Argumentation nicht zog.

"Natürlich sollst du nicht ständig davor hängen und diese dummen Spiele spielen oder sowas. Aber um dich zu verabreden oder so... mit den netten Mädchen vom Gebetskreis zum Beispiel! Oder um mal zu Hause anzurufen, wenn es länger dauert... so wie gestern zum Beispiel. Und was hast du gemacht? Nichts... dafür haben wir das Ding nicht gekauft."

"Entschuldige, dass ich nicht angerufen habe... ich dachte es reicht, wenn ich dir mit meinem neuen Handy eine Nachricht schreibe. Nächstes Mal rufe ich dich an", entgegnete Beth bemüht ruhig. Wenn ich mir dadurch den Stress erspare...

Mit einem vielsagenden Blick zu ihrer Mum stand sie auf, holte ihr Handy und setzte sich wieder an den Tisch mit dem wagen Plan im Internet nach einer Website zu suchen, die ihr das Biothema erklärte - natürlich für ihre Eltern erkennbar.

"Spar dir diesen Sarkasmus!", schnappte sie gereizt und drohte mit der Gabel.

"Dein Vater und ich sind dir sehr entgegengekommen mit diesem Gerät. Diese Dinger verderben die Jugend!"

"Ja Mom... Und ich versuche doch vorbildlich damit um zu gehen...", grummelte Beth leise vor sich hin - Und legte zu ihrer eigenen Verwunderung das Handy zur Seite.

"Ich bin halt grade noch dabei zu lernen wie man mit dem Teil richtig umgeht. Die meisten andern Mädchen kennen sich da halt auch nicht so aus...", das sagte sie etwas lauter und an ihre Mom gewandt.
"Und ich dachte lieber nutze ich es wenig, als falsch...?"

Sie seufzte.

"Dann hoffe ich, dass du es in Zukunft richtig nutzt. Fürs Lernen, für Notfälle, um uns anzurufen... naja, und auch um dich mit netten Leuten zu verabreden."

Mit 'netten Leuten' meinte sie natürlich nur die Leute, die zu ihrer Gemeinde gehörten.

"Ja Mom", wiederholte Beth noch einmal in einem wunderbar einstudiertem freundlichen Tonfall, der über ihre Genervtheit hinweg täuschen sollte. Sie nahm ein paar Bissen von dem Salat - okay... Dressings waren nie die Stärke ihrer Mutter gewesen... sie legte Messer und Gabel weg und fragte höflich:

"Darf ich aufstehen? Ich habe so einiges an Hausaufgaben..." Und muss sie mir erst noch organisieren. Und krank aussehen... verdammt! Reicht abschminken wohl um Thommy zu täuschen...?

Erneut seufzte die zweifache Familienmutter, nickte dann aber.

"Natürlich... ich hoffe, es hat dir geschmeckt."

In ihrem Zimmer hatte Beth nach ihrer Schätzung mindestens eineinhalb Stunden Privatsphäre, bevor möglicherweise ihre Mutter vorbeikam, um ihr Tee oder so anzubieten, obwohl sie eigentlich nur überprüfen wollte, ob Beth auch tatsächlich Hausaufgaben machte. Immerhin war da Zeit, um sich vorzubereiten und zu organisieren.

Spoiler:

"War gut", sagte Beth noch, grinste Chari zu und ging in ihr Zimmer hinüber. Wo sie erst einmal irgendwelche Sachen auf ihrem Schreibtisch platzierte. Unter anderem ein aufgeschlagenes Biobuch. Tarnung musste auch hier sein.

Passt. Okay... wenn ich wirklich krank wäre... würde ich wahrscheinlich einen Schal tragen... Halsschmerzen. Ne Mütze ist übertrieben... dazu etwas halbwegs warmes zum anziehen... und dann mal schauen ob ich es irgendwie schaffe etwas heiser zu klingen. Ansonsten abschminken. Wichtig.
Sie suchte die Sachen zusammen die sie meinte zu benötigen, lief hinüber ins Bad und schminkte sich rasch ab. Wann bin ich das letzte Mal ungeschminkt vor die Tür? Ein langer Blick in den Spiegel zeigte ihr deutlich, dass sie noch keine Magier-Augenringe hatte. Einerseits gut, andererseits wären die der Tarnung sicher zuträglich gewesen. Dann schaute sie etwas ungeduldig auf die Uhr... und dann auf ihr Handy. Sollte sie Thommy schreiben? Ja.

Code:

Hey... bist du schon unterwegs?

"Verdammt", murmelte Beth leise. Schnell packte sie ein wenig von den Schulsachen aus dem Rucksack (weniger Gewicht ist immer gut).
Sie zog sich den Schal und ihre Jacke an, zog den Rucksack über, öffnete ihr Fenster, kletterte mit geübter Leichtigkeit aus ihrem Fenster und duckte sich hinter der kleinen Hecke entlang bis sie zur Parallelstraße kam.