[Galen] Kein Verschnaufen

Es tutete und knackte kurz in der Leitung, dann ertönte ein ganz normales Freizeichen.

"Pryor?", meldete sich dann eine männliche, etwas ruppige Stimme.

"Roger Pryor? Sind sie alleine?" fragte Galen in düsterem Tonfall.

"Ich möchte, dass Sie etwas für mich tun."

Er stöhnte genervt.

"Nicht schon wieder irgend so ein Verschwörungsquatsch..."

"Verschwörungsquatsch... Klingt das hier für sie wie eine Verschwörungstheorie?" fragte er mit gespielter Schadenfreude - denn Freude daran hatte er nicht.

"Es gibt einen Redakteur, der hat drei überzogene Konten. Und er war sogar ehrlich genug, seiner Ehefrau von einem dieser Konten zu unterrichten. Habe ich jetzt ihre ungestörte Aufmerksamkeit?"

Man hörte eine Art erstauntes Knurren, dann war es für einen Moment still am anderen Ende.

"Wer sind Sie?", fragte er dann mit unterdrücktem Ärger in der Stimme.

"Ich stelle die Fragen und gebe die Anweisungen. Sie befolgen sie. Dann bekommt ihre Frau auch keinen Kunde über diese Banken, während Sie bei der Arbeit sind." erklärte Galen ruhig.

"Wer ist ihre Quelle bei Greensheet?"

"Ein anonymer Mitarbeiter", antwortete er recht zügig, aber mit deutlich widerwilligem Unterton.

"Arbeiten Sie für Greensheet? Wenn nur die Hälfte stimmt von dem, was ich rausbekommen habe, dann ist das Unternehmen fertig. Warum also noch Schadensbegrenzung betreiben?"

"Ich möchte, dass Sie sich mit diesem Mitarbeiter zu einem Kaffee treffen."

Galen nannte ihm ein vorab recherchiertes Café, dass sich gut beschatten ließe in San Fransisco.

"Um die Person zu identifizieren? Warum?"
Er klang ziemlich zwiegespalten.

"Habe ich mich unklar ausgedrückt, als ich unsere Tätigkeiten in diesem Arrangement festlegte? Sie kann ich ja unproblematisch an ihre Schulden erinnern... Wie ihre Frau auf eine Erinnerung an ein Konto reagiert, von dem sie nicht einmal was weiß..." Er ließ die restliche Drohung ausgesprochen.

"Und inwiefern ihre journalistische Unabhängigkeit noch gewährt ist, wenn so eine Verschuldung aufgedeckt wird... Es wäre wirklich leichter für sie, einfach einen Kaffee zu trinken."

"Sie verdammtes Arschloch!", schimpfte er erbost. Dan hörte man ihn für einen Moment, in dem er sich seine Lage wohl genau vor Augen führte, nur wütend schnaufen.

"Ich machs. Gott, ich hoffe Sie kriegen, was Sie verdienen."

"Sehr gut." erwiderte er. "Und wenn Sie oder ihre Zeitung weiterhin über Greensheet schreiben wollen, haben Sie meinen herzlichen Seegen. Da ist ohnehin nichts mehr zu retten. Aus Interesse: Was haben Sie denn in Erfahrung bringen können?"

"Aha."
Er klang etwas verwirrt, aber vor allem noch sauer.

"Ich habe genug, um Geensheet zu versenken. Öko-Unternehmen am Arsch, das Ding ist ein Hedgefond, das mit den Steuerbefreiungen für ökologisches Wirtschaften nen Reibach macht, weil Investoren Drittmittel da durchfließen lassen. Der IRS wird das Ding implodieren lassen!"

Also hat er nicht mehr als ich im Darkweb fand... Was wiederum bedeutet, dass er vermutlich Angriff der Hacker wurde.

"Sie hören von mir." Galen legte auf.

Er konnte sich eine Weile seinen sonstigen Erledigungen widmen, bis er eine Kurznachricht bekam.

Code:

Besprechung. Bin im zuhause. K.

Das wirkt eilig. dachte Galen und fuhr umgehend los. Beth wäre jetzt vermutlich ohnehin erst einmal beschäftigt und ihren Auftrag konnte er ihr sonst auch telefonisch durchgeben.

Kivutar war in ihrem Zimmer und arbeitete, kam aber hervor, als Galen in der Wohung eintraf, und begab sich mit ihm ins Wohnzimmer.

"Ich wollte mich zum einen Erkundigen, ob du bereits neue Erkenntnisse gewonnen hast. Zum anderen habe ich gehört, dass du eine Kabale gründen willst. Ein ehrgeiziges Projekt", sprach sie über ihre Schulter zu ihm, während sie durch den Flur ins Wohnzimmer gingen.

"Und damit meine ich nicht nur die nervenaufreibende Arbeit der Mitgliedersuche und -evaluation, der Verträge und Protokolle und dergleichen. Allein den Wohnraum in dieser Stadt zu finden kann schon eine Herausforderung sein."
Sie ließ sich auf der Couch nieder.

Galenus von San Fransisco nickte ob ihrer Anliegen.

"Leistung soll die Gefallene Welt lenken." zitierte er eine exoterische Lehre. "Ohne Ehrgeiz, keine Leistung."

Er setzte sich an den Rand des Sofas, auf der kurzen Couchseite - der, auf der man die Füße zum Fernsehen ausstrecken konnte - und beugte sich, auf seine Oberschenkel stützend, zu ihr herüber.

"Fortschritte, aber keine Erkenntnisse im eigentlichen Fall." entgegnete er auf den ersten Punkt. "Wir müssen uns vorsichtig an den inneren Kern dieses Falls heranschleichen... Das haben mir die gestrigen Komplikationen erneut vor Augen geführt... Soll auch heißen... Das Mutterschiff könnte eine Reparatur vertragen...."

"Ich habe mich bereits um den Wagen gekümmert. Einschüsslöcher... ich denke, eine Mission, in der man beschossen wurde, bedarf auch einer gewissen Reflexion."
War da ein kleines, diebisches Lächeln in ihrem Mundwinkel? Schwer zu sagen.

"Du hast nie zur Miete gewohnt, nicht wahr? Nur im Studentenwohnheim? Ein Einzimmerappartement mit Wohnküche, wo eine dreiköpfige Familie einigermaßen leben kann, solange das Kind kein eigenes Zimmer braucht, liegt durchschnittlich bei einer Monatsmiete um die 2500 Dollar. Weniger, wenn es Sozialbau ist oder anderweitig mietpreisgebunden. Häuser wechseln in der Regel den Besitzer nicht für einen Preis unter einer Million Dollar."

Erst hat sie Sorge um mein Leben und jetzt hat sie Schadenfreude daran, dass ich beschossen wurde?

Galen nickte ernst. Die Mietpreise waren ihm bewusst.

"Als Kabale von Magiern hat man zum Glück einige Möglichkeiten, renovierungsbedürftige Wohnungen, Schimmel etwa, kostengünstig zu renovieren." erwiderte Galen.

"Was nichts daran ändert, dass ich bis zu dem Zeitpunkt, da ich als Arzt arbeite, kein eigenes Einkommen habe... Was ich allerdings auch nur mit maximal einer halben Stelle kann. Sofern die Jung-Erwachte sich der Kabale anschließt, haben wir eine Mitbewohnerin, die jahrelang keine mundane Arbeit in einem Umfang, welcher die Finanzierung unterstützen könnte, erledigen kann."

Wir können ja einfach im Zwielicht irgendwo wie Gespenster zur Untermiete wohnen.

"Bleibt zu hoffen, dass es noch ungebundene, superreiche Magier in der Stadt gibt..." sprach er, ohne zu wissen, dass seine zukünftigen Kabalenmitglieder eine Studentin, eine Schülerin, eine verschuldete Barkeeperin und ein Obdachloser werden würden.

"Selbst völlig baufällige Wohnungen werden nicht weniger teuer verkauft. Mittlerweile sind Wohnungen in vielen Gegenden um die Bucht herum eher Investitionen als jemandes Zuhause. Ich habe sogar von einigen Leuten gehört, die Häuser kaufen und dann gar nicht vermieten, sondern ausschließlich als Anlagen verwenden... was dazu führt, dass hier und da baufällige Häuser leerstehen, obwohl links und rechts zu wenig Wohnraum da ist."

Sie zuckte mit den Schultern.
"Ein Sanctum auf legalem Weg zu etablieren ist jedenfalls überaus kostspielig."

Wieder nickte er. Er hatte befürchtet, dass sie darauf hinaus wollte.

"Jemanden Wohnraum zu stehlen wird wohl kaum mit den Moralvorstellungen der meisten Magier im Einklang stehen." erwiderte er.

"Allerdings... Plane ich ohnehin einen Identitätsbetrug... Sollte es einen Wohnungsbesitzer geben, welcher keine Erben hinterlässt - Nun... Vielleicht gibt es ja doch einen Erben, der zufälligerweise auch Mediziner ist... Dann beklaut man lediglich die Banken, was für die Moralvorstellungen der meisten Menschen in einem erträglichen Rahmen liegt - auf einer Stufe mit Versicherungsbetrug..." dachte er laut nach.

"Ich wollte auch nicht empfehlen, eine Familie aus ihrer Wohnung zu vertreiben oder ähnliches. Ich sage nur, dass man eine Menge finanzieller Mittel braucht, um Wohnraum auf legalem Weg zu bekommen. Wenn man diese Mittel nicht aufbringen kann, müssen... weniger legale Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden. Der Orden kann hier nur bedingt helfen. Wir unterhalten den einen oder anderen sicheren Unterschlupf, aber das sind mehr Abstellkammern und Kellerlöcher..."

Sie nickte langsam.
"So ein Erbbetrug wäre eine Möglichkeit. Allerdings setzt das voraus, einen Besitzer ohne Erben zu finden, der in absehbarer Zeit... die letzte Reise antritt. Nicht sehr wahrscheinlich, so eine Person ohne Weiteres ausfindig zu machen."