[Galen] Kein Verschnaufen

Kenshin hatte nicht zu wenig versprochen, als er versprochen hatte, dass der Zauber nicht mehr all zu lange halten würde. Als Galen in die Tiefgarage fuhr und endlich Zeit hatte, seine Wunden zu verarzten, lag der Zauber noch auf dem Wagen. Doch als er verbunden dem Gefährt entstieg, dass auch sein eiserner Sarg hätte werden können, konnte er die Schäden bereits begutachten. Ehe er das Magazin der Angreiferin entfernen konnte, hatten bereits fünf Kugeln die Karosserie durchschlagen.

Erschöpft schleppte er sich mit Sh'aoc in die Höhe... Die Geisterjagd... Und auch noch die gefährliche Mission in Oakland. Er war vollends fertig und brauchte dringend Erholung. Er hatte nicht einmal die Kraft, sich bis in sein Zimmer zu schleppen und sich umzuziehen.

So legte er sich - verbunden und in durchschossener Kleidung - auf das Sofa der Irminsul und dämmerte binnen weniger Augenblicke ein.

Er wachte auf, weil jemand an den Verbänden herumzupfte. Es war eines dieser Aufwachen, bei dem man das Gefühl hatte, zu fallen, und dann zuckte.

"Na?"
Tapio beugte sich über ihn und grinste diebisch.
"Was ist denn mit dir passiert?"

Er blinzelte mehrfach ehe er erkannte, wo er war und sich entspannte.

"Eine Frankensteins-Golem-Monster-Oma hat mir aus ihrem Handgelenk einen Bolzen durch den Rumpf geschossen." sagte er so trocken, dass man sich nicht sicher sein konnte, ob er das wirklich ernst meinte.

"Ich habe gehört, die schießen ziemlich hart", konterte Tapio ebenso trocken, ohne eine Miene zu verziehen.

"Das sehe ich mir mal lieber an. Machen Sie sich schonmal frei."
Den letzten Satz sagte er in typischer Scherzdoktor-Manier.

"Ist nur eine Fleischwunde." erwiderte er - ohne die Absicht, taff klingen zu wollen, sondern weil das sein medzinisches Fachurteil war - zog dann aber ohne Umschweife den Hoodie aus und zog sein Shirt hoch.

"Hmhm."
Fachmännisch überprüfte der Thyrsus die Wunde.

"Stimmt wohl. Naja, ich sorge trotzdem besser dafür, dass sich nichts entzündet, dann kann das abheilen."
Mit leichtem Druck legte er eine Hand auf die Wunde, was durchaus nicht ganz schmerzfrei möglich war. Dann hörte Galen, sollte er sich kurz für die Sicht öffnen, Tapios Nimbus, der wie Wind in Baumwipfeln raschelte, während das Lebensarkanum sich wie warmer Honig in die Wunde ergoss und seine wohltuende Wirkung entfaltete, bevor es in Galens Körper versickerte.

"Hast du die Neue schon getroffen?"
Er erhob sich aus der Hocke, in die er neben der Couch gegangen war und setzte sich schräg gegenüber in den Sessel.

Erst zog Galen schmerzvoll die Luft zwischen den Zähen ein, dann entwich den Lippen des sonst so gefassten Moros ein wohliges Seufzen.

"Ja, habe ich in der Tat." antwortete er schließlich, als er sich wieder gerade hinsetzte. "Hat Angus dir von ihr erzählt?" kombinierte er.

"Das auch. Ganz schön frech, die Kleine."
Das schien Tapio zu gefallen, zumindest kicherte er leise.

Galen zuckte mit den Schultern.

"Mir gegenüber war sie recht freundlich. Aber ich habe sie ja auch zaubern lassen." erwiderte er schmunzeln. "Und naja.. Sie steckt auch in ihrem Teenie-Drama."

Er runzelte die Stirn.

"Wie war das für dich? In dem Alter zu erwachen?" fragte er ihn interessiert.

"Es war... naja... krass..."
Er hob beinahe entschuldigend eine Hand.

"Ich meine, Teenie-Hormoncocktails im Blut plus plötzliche ungeahnte Macht über die Kräfte des Kosmos... ich habe schon das eine oder andere angestellt."

Wieder nickte er dieses langsame, verstehende Nicken.

"Mir macht das schon Sorgen... Aber Belehrungen sind das letzte, was sie hören will, auch wenn es genau das ist, was sie jetzt braucht." dachte er laut nach. "Es muss eine Alternative dazu geben, aus den eigenen Fehlern zu lernen, die sie unweigerlich begehen wird."

"Sie braucht nen verdammt guten Mentor. Jemanden ohne Hobbies und eigene Interessen, der praktisch 24 Stunden ein Auge auf sie haben kann."

Er lachte trocken.
"Und so jemand muss schnell her, bevor Proxy sie einfach an den meistbietenden verschachert."

"Tja, ich habe keine 24 Stunden. Und ich fürchte, so einen Magier ohne Interessen gibt es nicht... Aber eine Kabale könnte das vielleicht gemeinsam stemmen." dachte er laut nach und runzelte dann die Stirn.

"Du versuchst mich los zu werden und es so aussehen zu lassen, als sei es meine Idee." stellte er analytisch fest.

Tapio hob die Augenbrauen und blickte erstaunt drein.

"Was, du willst eine Kabale gründen?"

Galen schmunzelte ehrlich.

"Ach will ich das?" fragte er Tapio amüsiert, seufzte jedoch dann schwer und beinahe niedergeschlagen.

"Ich fürchte, ich habe die Nerven dazu..." entgegnete er resigniert.

"Namensvorschlag: Der Leidgeprüfte und seine Bande."
Er grinste und vollführte dann eine wegwischende Geste.

"Aber mal ernsthaft gesprochen... ist das eine Option?"

Galen schwieg einen Moment lang und dachte nach. Dann erinnerte er sich an Kenshins Worte.

'Irgendwer muss den Job machen.'

Er nickte langsam. "Ich könnte einen Gegenpol zur Hüterarbeit gut gebrauchen." erwiderte er müde. "Aber zwei Leute machen noch keine Kabale. Und so sehr ich auch die Hybris der Mastigos kenne, macht mich das noch lange nicht zu einem guten Mentor für sie."

"Ja, ich glaube auch, dass du einen Gegenpol gebrauchen könntest. Das wievielte Himmelfahrtskommando war das heute?"

Er schüttelte den Kopf.
"Ich helfe gerne bei der Suche nach geeigneten Leuten."

Galen zuckte mit den Schultern und sah auf seine Armbanduhr. Kurz vor Mitternacht. "Erst das Zweite heute..." bezog er seine Frage nicht auf seine gesamte Zeit in San Fransisco, sondern auf den heutigen Tag.

"Danke." sprach er dann ehrlich dankbar.

Tapio lächelte sanft.

"Muss ich dich jetzt ins Bett schicken, oder gehst du freiwillig?"

"Ich geh ja schon..." erwiderte er müde, erschöpft und ausgezehrt, erhob sich aus dem Sofa und lächelte Tapio noch einmal an.

"Bleib auf der Hut." wünschte er ihm statt einer guten Nacht und verzog sich in das Gästebett.

Sein Telefon summte, als er gerade an der Grenze zum Schlaf dämmerte.

Code:

Hab Ergebnisse. Meld dich bei Gelegenheit. P.

Die Nachricht löschte sich kurz darauf selbsttätig.

Anstatt einzuschlafen schrieb er ihm eine Nachricht.

Code:

Komme morgen früh, wenn das reicht.

Und drehte sich dann auf die andere Seite.

Es kam noch eine kurze Bestätigung, bevor endgültig dir Nachtruhe einkehrte.

Spoiler:

Trotz der Erschöpfung stand Galen in aller Frühe auf, kümmerte sich um seinen Körper und untersuchte besorgt seine Gesundheitszustand.

Blässe, Dunkle Augenringe, mentale Erschöpfung... Alles Anzeichen von Schlafarmut und Stress. Steigert das Risiko eines Herzinfarkts. Mangelernährung? Aus meinem Körper Mana zu schröpfen ist sicherlich auch nicht gesund: Übersäuerung des Muskels, geplatzte Adern, trockener Mund...

Er besah sich das Loch im Rumpf. Es war nur noch eine blasse Stelle.

Das Leben und Todesarkanum haben ganze Arbeit geleistet.

Er sah wieder in den Spiegel und fuhr sich über die Bartstoppeln. Richard sah ihm müde entgegen. Dann rasierte er sich mit medizinischer Präzision, aß Toast und schwarzen Kaffee und fuhr mit seiner eigenen Rostlaube zum Anwesen Proxys.

Auch wenn der Spaziergang durch den Garten des Anwesens nur ein kurzer war, spürte Galen, wie ihn dieser Moment der Ruhe - die aufgehende Sonne, der noch kühle Wind eines Sommermorgens und die idyllische Ruhe des verfallenden, verwilderten Garten - ihn revitalisierten.

Schließlich klopfte er an der Gartenlaube.

Spoiler: