Heimkehr

Er nickte zustimmend.

"Das kann ich mir vorstellen. Ich glaube, hier kannst du finden was du suchst. Die Lage ist bloß etwas angespannt im Moment. Ach was, eigentlich schon länger. Wundert mich fast ein bisschen, dass dieser Lovecraft dir das nicht erzählt hat."

Er schaute durch das große Fenster nach draußen auf die Straße, wo man in einiger Entfernung das Ugly Truth sehen konnte.

"Was da passiert ist, ist so ein bisschen Teil des ganzen Problems. Das Assembly - also das Freie Konzil hatte da so einen Ort für Alle aufgemacht, wo jeder hinkommen konnte. So zwecks Ideenaustausch und Meinungsbildung und solche Sachen. Bloß, dass es oft richtig Stress und Streit gab. Vor ein paar Wochen ist das Fass dann übergelaufen und zwei Leute haben sich geprügelt."
Er schaute sich um.
"Magisch", fügte er hinzu.
"Schläfer haben es mitbekommen - eine riesen Sauerei. Das Konsilium hat den Laden dann dichtgemacht bis auf weiteres... und das hat einigen Libertins gar nicht gefallen. Seitdem ist die Lage angespannter denn je."

Richard nickte knapp.

"Du bist hier, um dafür zu sorgen, dass der Beschluss des Konsiliums umgesetzt wird." ergänzte er.

Er nickte langsam.

"Ja, sozusagen, als einer von mehreren. Wir haben Patrouillen organisiert... hauptsächlich, damit sich die Hardliner vom Freien Konzil nicht trotzdem dauernd hier treffen. Ein paar von denen sind leider echt auf Krawall gebürstet. Undankbarer Job, das kann ich dir sagen."

"Und von wem waren die Beiden, die dort ihre Bat'Leth gewetzt hatten?" wollte er wissen. Davon war sicher einiges abhängig, was die derzeitigen Spannungen anging.

Er wirkte amüsiert.

"Bat'Leth? Ist an dir etwa ein Trekkie verloren gegangen?"
Er winkte ab und kehrte zum eigentlichen Thema zurück.

"Ein Libertin der auf den eingängigen Namen Kapoonis hört und ein Jungthearch - ähm... Sendou oder so."

"Danke sehr." erwiderte er knapp. "Jetzt wo die Bar geschlossen hat. Wo kann ich jetzt hin um Antworten zu finden?" fragte er ihn.

"Also ich kann dich mit jemandem mit offiziellem Posten beim Konsilium bekannt machen, das ist kein Problem. Da kannst du dich dann offiziell anmelden, wenn man so will."
Er grinste.

"Tja, und irgendwen vom Assembly werden wir dann auch erreichen - du hast ja gesagt, dass du dir ne eigene Meinung bilden willst. Dann solltest du wohl auch beide Seiten der Medaille kennen lernen."


Sendou sagte ihm gar nichts. Kapoonis klang indianisch. Den Namen Angus hatte er schonmal irgendwo gelesen. Spontan fiel ihm nur die keltische Mythologie ein - entweder Angus war ein notorischer Trunkenbold oder ein Gott der Liebe und Schönheit - vielleicht auch beides.

"Das wäre eine feine Sache." willigte er ein und lächelte ehrlich dankbar.

Wieder warf er einen kontrollierenden Blick zur Goetia. Erstaunlicherweise hielt er sich gerade gut zurück.

"Gehört es sich nicht, nach dem Orden im Konsilium zu fragen, oder wird so etwas vor Außenstehenden geheim gehalten?" fragte er dann noch einmal durch die Blume.

Er zuckte mit den Schultern.
"Klar, ist ja selbstverständlich."

Er musste wieder grinsen.
"Das kann man ruhig fragen. Ich gehöre zu den Hütern des Schleiers, falls du das wissen wolltest."

"Dann vermute ich, wolltest du entdeckt werden?" lächelte er zurück. "Um mich zu testen, wann ich dich entdecke und wie ich mich verhalte." Er legte den Kopf schräg, wie es oft seine Angewohnheit war. "Um mich kennen zu lernen."

Er schüttelte mit einem milde bedauernden Gesicht den Kopf.

"Nein, ich wollte nicht entdeckt werden. Dein Schildzauber muss meine Verschleierung abgeblockt haben. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, dass du mich bemerkt hast, bis du angefangen hast, Magie anzuwenden. Ich dachte am Anfang, du wärst einer der Libertins, der sich verkleidet hat oder so. Auf der anderen Seite hattest du diesen Goetia dabei... ich hätte dich wohl noch ein Weilchen observiert, bevor ich mich vorgestellt hätte. Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht."

"Du hättest nur 'ja' sagen müssen und ich wäre überwältigt gewesen." grinste er ihn an. Soviel zu der grandiosen Stasi.

"Ja, Vorsicht ist besser als Nachsicht." bestätigte er anschließend und sah einen Augenblick lang durch die Augen seines Vertrauten, der gegenteiliger Meinung war.

Er schnalzte mit der Zunge.

"Das mit dem überwältigen überlasse ich lieber anderen. Wozu auch? Du wirst noch genug Schauermärchen über meinen Orden hören. Da muss ich ja nicht gleich die Steilvorlage zum Klischee des Meister-Manipulators oder so geben."

Ein zufriedener Ausdruck zeigte sich in seinem Gesicht.

"Freut mich, dass du das auch so siehts. Das ist auch ein Grundsatz der Hüter. Naja, in etwas anderer Form."



Sh'aoc war in einer Ecke des Cafes auf der anderen Seite und beobachtete Phobos und Angus - der Moros sah sich selbst durch die Augen der Goetia am Tisch sitzen.

Nahezu augenblicklich war er wieder bei sich selbst. Wieder ein leichtes Nicken.

"In welcher denn?" fragte er interessiert nach.

"Paradox stärkt den Abgrund."
Er machte Gänsefüßchen mit den Fingern.

"So heißt es. Wer der Welt ohne Rücksicht und Vorsicht seinen Willen aufzwingt, wird früher oder später die Kontrolle über seine Magie verlieren."
Er sah Phobos fragend an.
"Du bist noch nicht lange dabei. Hast du schon einmal ein schlimmes Paradox erlitten?"

Phobos schüttelte den Kopf.

"Lovecraft hatte eine Demesne, in der ich solcherlei mächtige Zauber übte." entgegnete er. "Ein paar wenige Male musste ich ein schwaches Paradox in mir einschließen, aber das lässt sich an einer Hand abzählen."

"Gut für dich. Es gibt ja die Möglichkeiten, Gefahren bei der Anwendung unserer Kunst zu vermeiden. Die sollte man auch nutzen."

Er seufzte.

"In einer öffentlichen Kneipe mit Zaubern herumzuballern ist da schon eine Schande, finde ich."

Richard nickte schwermütig.

"Sollte man. Manchmal hat manch einer sich aber scheinbar nicht unter Kontrolle." erwiderte er. "Aber wer bin ich, darüber zu richten. Als Sozusagen-Verbannter hat man nicht gerade oft Gelegenheit seine Mäßigung zu beweisen."

"Naja, was heißt richten? Seine Meinung wird man ja wohl sagen dürfen, auch als sozusagen Verbannter."

Er legte nachdenklich den Kopf schräg.

"Wobei du kein Verbannter bist, auch nicht sozusagen. Du bist ein Namenloser."

"Ich weiß." Er schmunzelte. "Mir ging es um das Leben, das ich seit meinem Erwachen führte, nicht um meinen Status."

Namenlos, das bin ich in der Tat...

"Aber du hast natürlich Recht."

"Achso. Das Leben eines Verbannten, verstehe."

Er schlürfte einen Schluck Kaffee, der vor einer Weile gebracht worden war.

"Damit ist es ja jetzt vorbei. Jetzt kannst du dir hier Rang und Namen machen."
Er setzte die Tasse an die lächelnden Lippen.

Phobos nippte ebenfalls. Er lachte kurz auf.

"Nicht, dass ich nicht ehrgeizig wäre, aber Titel und Ränge bedeuten mir nicht die Welt..." erklärte er. "Die Welt bedeutet mir die Welt." Er runzelte die Stirn, als er merkte, dass nicht jeder einen 'einfach nur' Satz verstehen könnte.

"Was ich damit sagen will ist: Ich mache lieber einen echten Unterschied machen, als ein Etikett zu tragen."

"Klingt wie ein würdiges Ziel."

Er stellte die Tasse ab.
"Manchmal muss man aber vielleicht ein Etikett tragen, um einen echten Unterschied zu machen. Oder es hilft zumindest. Außerdem erkennt man Leute gut an ihren Etiketten - und kann sie dann besser einschätzen. Vielleicht ist ein Etikett auch eine gute Tarnung."

Er wackelte mit den Augenbrauen.
"Doch nicht so ganz unnütz, dieses Etikett."

"Nur weil ein Etikett mir nicht die Welt bedeutet, heißt es nicht, das es der Welt nichts bedeutet." fasste er zusammen.

"So kann man es wohl sehen."

Er verschränkte mit leicht kritischer Miene.

"Hast du denn irgendwas konkretes vor? Oder ist der Unterschied, den du machen willst, erstmal so eine Art leere Menge?"