Feeling Good

"Also dann..." Er hing die Gitarre nebenbei um. "Ich fang an zu spielen. Guck die einfach, wie du drauf passt, kay?" schlug er vor. Er griff sich noch einen Mickey-Mouse Ohrenschutz.

Dann fing er an, den Song zu spielen. Sein Bandmitglied konnte gut hören, dass er noch an dem Stück arbeitete. Aber es klang schonmal nach was.

Spoiler:

"Roger."

Er gab ihm einen Beat dazu und legte auch ein paar Versatzstücke an passende Stellen. Insgesamt war das ganze noch etwas holprig. Es lag nicht an dem Werk, eher an der Konzentration, aber er spielte durch und durch mittelmäßig. So probierten sie eine Weile rum und machten dann eine Pause.

"Hey... was ist eigentlich mit Mikey los? Der wirkt so... naja, weiß nicht. Anders. Irgendwie angespannt."

"Mhm..." machte Rob und setzte sich erschöpft auf eine Box. "Kein Plan. Geldprobleme schätz' ich mal." dachte er nach. "Ich red mit ihm nochmal drüber."

"Okay..."

Er nickte langsam.

"Hoffe mal, es ist nix schlimmes. Naja, unser Mike wird schon keine allzu große Scheiße gebaut haben."

"Was für Scheiße soll Mikey denn bauen?" fragte er ihn verwirrt. "Das Schlimmste, dass dem passieren könnte, wäre überraschend Vater zu werden mit seiner Kleinen." behauptete Rob fest überzeugt. "Der ist der rechtschaffenste Rocker, von dem ich weiß - außer vielleicht noch 'Fratello Metallo'." Das war irgend ein katholischer Mönch, der Leadsänger einer White Metal Band war.

Toni zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Vielleicht hat er jemanden überfahren oder so."

Rob nickte zustimmend.

"Jo, das könnt sein." Er sah auf die Uhr. "Dann lass uns den Song nochmal durchgehen und dann guck ich mal, wo Mikey abgeblieben ist."

"Alles klar."

Und damit legte er los.

"Danke, Mann." sagte Rob. "So kann man's dann den andern auch mal vorstellen." entschied er.

Er gurtete die Gitarre wieder ab.

"Bis gleich dann." verabschiedete er sich und guckte mal, wo Mikey abgeblieben war. Kaum wurde er nicht mehr von der Musik abgelenkt, schon schlugen die Kopfschmerzen voll ein.

Drei Mal klopfte er an die Tür, ehe er ins Büro eintrat.

"Yo!", rief Mike von drinnen.

Er saß am Schreibtisch vor seinem Computer und blickte erst Rob, dann seine Armbanduhr an.

"Du bist früh", stellte er mit etwas Erstaunen fest.

"Hab mit Toni an nem neuen Song gearbeitet." sagte Rob, schlurfte zu Mike an den Tisch und ließ sich in den Stuhl fallen. Dort rieb er sich die Schläfen und sah ihn aus müden Augen an.

"Und ja, ich war gestern feiern und mir geht's Scheiße." Er hob seine zwei Zeigefinger. "Aber ich bin hier und pünktlich und werd den Gig heute Abend rocken." versprach er mit Zuversicht in der angeschlagenen Stimme.

Mike schloss seufzend die Augen und legte zwei Finger an die Nasenwurzel, wie jemand, der schwere Migräne hatte.

"Ich erinnere mich dunkel gestern darum gebeten zu haben, nicht völlig zu eskalieren. Du klingst wie eine Holzraspel..."

"Dann haben wir ja Glück, dass ich Hardrock und nicht Oper singe." entgegnete er abwinkend. "Ich bin hier, du musst mich nicht aus einem Hotelbett ziehen, wie letztes Jahr in L.A." erinnerte er ihn genervt. "Und ich kann spielen." betonte er.

Er stöhnte entnervt, als Rob L.A. erwähnte.

"Wag es nicht, auf der Bühne zu kotzen oder zusammenzubrechen. Diese Megan ist ein kleines Aas, die würde-"
Er unterbrach sich und räusperte sich umständlich.

"... die würde dann wohl ihr Geld zurückfordern."

Wieder legte er misstrauisch den Kopf schief und die Stirn in Falten.

"Okay Mikey... Was zur Hölle ist los mit dir?" wollte er wissen - und klang dabei so nett, wie er es gerade hinbekam. "Toni macht sich auch schon Sorgen."

Er besah ihn sich sorgenvoll.

"Warum brauchst du das Geld so dringend?" wollte er wissen. "Was würde sie sonst machen?"

"Was denn, du weißt ganz genau, dass wir Geldnot haben. Die Geschäfte könnten besser laufen", gab Mike ausweichend zurück.

"Jetzt noch für lau spielen können wir uns nicht erlauben."
Wieder dieses verdächtige Räuspern, während er ein paar Papiere sortierte und möglichst unbeteiligt in die Gegend schaute.

Spoiler:

"Mike." begann Rob langsam und nannte ihn beim richtigen Namen. "Wir sind durch so ziemlich jede Scheiße zusammen geschwommen, seit dem du mein Manager bist. Und du hast mich - warum auch immer - nicht aufgegeben. Dafür hast du meine Dankbarkeit, Dude." Rob räusperte sich.

"Vielleicht denkst du, du seist mir wegen damals in der Schule noch was schuldig, aber das ist Bullshit. Ich bin dir was schuldig. Gib mir die Gelegenheit, dir was zurück zu geben. Mikey... Bitte. Sag mir einfach, was hier für 'ne Scheiße läuft."

Er fuhr sich fahrig durchs Haar.

"Scheiße..."

Er ließ sich in seinem Stuhl nach hinten fallen und atmete tief durch.

"Gottverdammt, ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll."

"Bei deinem Verhältnis zu deiner Mutter." witzelte Rob. "Das empfiehlt mir meine Therapeutin zumindest immer.

Er winkte ab uns sah ihn wieder vollkommen ernst an.

"Sorry. Kein Plan. Vielleicht bei Megan?" empfahl er. "Die hasst mich, warum will die, dass wir da auftreten und warum sagst du 'ja' dazu?"

Er schüttelte den Kopf.

"Nee, ich muss vorne anfangen."

Er seufzte, fuhr sich nochmal durchs Haar und wirkte sichtlich gequält.

"Also... pass auf, das ist echt hart. Die Firma, also Quicksilver Records... ich musste sie verkaufen."
Er atmete auf, schrumpfte aber gleichzeitig ein bisschen in sich zusammen, als würde er jetzt den Sturm des Jahrtausends erwarten.

"Hä?" machte Rob.

Es war kein "Hu", dass Rocker auch gene mal Füllwort nutzten. Es war ein ganz normales "Hä", des Unverständnisses, dass +10 auf Verwirrtheit gab, wie es Mike sagen würde.

"Warum das denn?" Er klang überhaupt nicht sauer, nur verwirrt.

"Weil wir eigentlich seit der Gründung fast nur rote Zahlen schreiben."
Der Damm war gebrochen und Mike konnte jetzt endlich Tacheles reden.

"Die Firma hat jede Menge Schulden. Wir hatten nie groß Kapital, das ganze Equipment, die Räumlichkeiten, die anderen Angestellten... und die Band will ja auch bezahlt werden... all das läuft mehr oder weniger von Anfang an auf Pump. Lizensierung und Plattenverkauf, die paar kleinen Gigs die wir haben, das bringt alles nicht genug Geld rein, um die ganzen Kosten zu decken."

Er seufzte schwer.

"Vor ein paar Wochen hat sichs dann rauskristallisiert. Insolvent gehen oder verkaufen."

Rob nickte verstehend. "Fuck it." Er sah kurz weg. "Scheiße Mann, ich hatte ja keine Ahnung."

Er sah ihn väterlich rügend an. "Und wann wolltest du uns das sagen? Wir sind hier eine Familie..."

Wieder sah er weg und flüsterte schuldbewusst. "Hätte ich gewusst, wies aussieht... Ich hätte mich doch ganz anders benommen, Mann."

Er lachte trocken.

"Bullshit. Du kannst gar nicht anders... aber so muss es doch auch eigentlich sein. Ihr seid die Musiker, ihr solltet euch keine Gedanken über diesen finanziellen und bürokratischem Kram machen. Da erstickt jegliches Talent dran."

Er schüttelte langsam den Kopf.

"Ich wollte es regeln. Ich dachte, ich kriege es hin... lenke euch nicht von euren Jams und Gigs ab. Der Rockoff steht vor der Tür..."