[Präludium] Ein Abend im Sommer (Markus)

"Huh..."

Einen Moment hellte sich Markus Gesicht mit kindlicher Freude auf.
Ein Bild von ihm mit Cape schoss ihm durch den Kopf und er musste ein Lachen unterdrücken.

Dann knurrte sein Magen wieder.
Er musste aufhören zu denken und anfangen zu handeln.

Er stand auf und ging zu dem Fremden.

"Hey, Mister. Sie wirk'n als würd'n s'e auf wen wart'n. Woll'n s'e die Zeit totschlag'n, bis dahin? 'ne Runde Schach für -"
Knurren.
"- zwei Quarter."

Und ich kenn auch viele, die hier oft vorbei kommen. Vielleich kann ich helfen
Er fühlte sich leicht schuldig, in seinem Kopf gekramt zu haben und wollte dieses Gefühl nun mit einer guten Tat befrieden.

Der Mann sah etwas unschlüssig aus, und auch noch immer angesäuert.

"Hm? Achso... weiß nicht."
Er runzelte die Stirn.

"Ach, was solls. Nagut."

Gemeinsam gingen sie zu einem freien Tisch.
Markus baute das Brett auf und verteilte die Figuren.

Das Spielfeld war um 90 Grad versetzt, so dass der Fremde sich, durch ein Drehen der Fläche, entscheiden konnte welche Farbe er wollte.

"Schönes Wetter hab'n wir heut'. Wer is'n die Glückliche auf die s'e wart'n?"

Er entschied sich für die schwarzen Figuren.

"Hm? Oh, nein, ich warte eigentlich auf niemanden."
Er ruderte kurz hilflos mit den Armen.

"Also, beziehungsweise, nicht auf eine Frau. Nichts Romantisches."

"Geschäftlich dann also? Weil s'e seh'n doch 'n bischen mehr rausgeputz aus, als wenn's nur 'n Freund wär', den s'e treff'n."

Er zog also als erster. Gut. Mit einem Damengambit hat das alles begonnen. Also warum nicht jetzt ein Königsgambit um mich hier wohl zu fühlen?

"Oh, un' will ihn'n nich zu sehr auf'e Pelle rück'n. Sag'n s'e nur, wenn's zu viel is'."

"Ja... auch nicht."
Er machte einen eher unmotivierten Zug.

"Also... vielleicht können Sie ja helfen. Ich suche eigentlich jemanden. Ein guter Freund vom mir vermisst seinen Onkel. Der... ist wohl manchmal etwas verwirrt. Büxt aus seinem Wohnheim aus, wandert durch die Gegend und solche Sachen. Wir machen uns alle ziemlich Sorgen deswegen. Hier kommt er wohl auch ganz gerne hin."

Spoiler:

Spoiler:

"Sein Onk'l also... So... So..."

Irgendwie kam ihm die Geschichte krumm vor. Sie klang auswendig gelernt - aber am Tonfall des Mannes konnte er auch keine möglichen anderen Intentionen ablesen.

"Ja, genau. Haben Sie vielleicht einen verwirrten, älteren Herren gesehen? Wird wohl in Ihrem Alter sein - nichts für ungut."

"Wenn's sein Onk'l is', werd'n s'e sicher 'n Namen hab'n. Wa'?"

Markus runzelte leicht die Stirn. Der Typ war komisch...
Alter Mann... MEIN Alter...
Nur Vornamen...
Kommt öfter hier her...
Auf Anhieb fällt mir da nur einer ein... Ich!

"Ja, hab ich. Wobei der wohl nur seinen Vornamen verwendet."
Er starrte etwas ratlos das Feld an.

"Markus."

Spoiler:

Als er seinen Namen höhrte, lockerte sich sein Griff. Der Turm den er gerade zog, tackte auf sein Feld und sprang ein wenig. Tackte erneut. Blieb dann stehen.
Markus überspielte es als leichte Altersschwäche.

Mich?
Warum?

"Sin' s'e mit dem kleinen Verwandt?"
Denk. Warum sollte dich jeman-
Erneut das Bild von ihm mit Cape.
Diesmal machte ihn das nicht glücklich. Eher ängstlich
Oh...

"Oh... un' s'e sin' im Schach."

Er schien nichts bemerkt zu haben von Markus Überraschung. Verdutzt schaute er auf das Brett.

"Oh, da hab ich wohl nicht aufgepasst."
Er setzte einen Bauern dazwischen.

"Mit wem verwandt? Es ist der Onkel von einem guten Freund von mir. Ein paar Leute durchkämmen jetzt sozusagen die Stadt, um ihn zu finden."

Als der Fremde den Bauern nahm und bewegte reagierte Markus sofort

"Oh, das is' 'n eher schlecter Zug. Schau'n s'e mal, wenn s'e den Bauern- "
Er griff freundlich nach der Hand des Spielers
"-hier lass'n un' stattdess'n mit 'm Läufer... So."

Die Hand weiterhin haltend fragte er dann:
"Was mach'n s'e denn, wenn s'e den find'n?"

Markus konzentrierte sich. Stark sogar.
Er wollte wissen was sein gegenüber dachte, als er diese Frage gestellt wurde. Irgendwie ahnte er, dass Körperkontakt dabei helfen würde.

"Oh, achso..."
Er schaute etwas ratlos auf den Läufer. Ein besonders pfiffiger Spieler war er nicht.

Wieder das gleiche Phänomen. Er spürte die Laune des Mannes, die sich etwas gebessert hatte, und hörte, was in dessen Kopf vor sich ging.

Wenn ich finden würde, das wäre genial. Dann ist mir eine Belohnung sicher - müsste ihn dann nur überzeugen, mitzukommen.

"Naja, dann würd ich natürlich sofort meinen Freund anrufen und auf jeden Fall dranbleiben. Dass der dann nicht wieder verloren geht."

Belohnung war ein eher neutrales, bis schlechtes Wort.
Es sprach dafür, dass er gesucht wurde, vielleicht sogar gejagt schon fast.
Und zwar von einer Organisation.

Nur was wollte diese Organisation von ihm?

Überzeugen war ein gutes Wort.
Es war nicht zwingen, nicht fangen und vor allem nicht töten.

Vermutlich wollten sie ihm Fragen stellen?

"Ma' 'ne andere Frage... Wenn s'e nur den Nam'n kenn'n... Wie könn'n s'e dann sicher sein, ob s'e ihn hab'n? S'e klingen nämlich nich' so, als hätt'n s'e ein Bild von ihm..."

Vorsichtig alter Mann

"Weil 's gibt 'n paar Makusse hier. Is' ja nich' selt'n der Name..."

"Das ist wohl richtig. Ich glaub Sie sind dran."

Er deutete auf das Brett.

"Ja, ich weiß nicht, wie der Herr aussieht. Ich würde dann wohl ein Foto machen und das meinem Freund schicken. Und der weiß ja, wie sein eigener Onkel aussieht."
Er lachte kurz, als wäre das ein toller Witz gewesen.

Markus reagierte sofort, als der junge Mann ihn von der Zugreienfolge informierte.
Wäre sein Gegenüber besser in Schach, würde er feststellen, dass der Zug weniger durchdacht wirkte, als alle bisherigen.

Der Bettler war in Gedanken versunken.
Höhrte nur noch halb zu.

So viel informationen...
Ordnen!
Festestellung: Ich kann Gedanken lesen.
Oh und anfassen hat sich weniger... komisch? ... angefühlt?
Frage: Was man sehen kann, kann man oft auch ändern.
Ich sehe dass zwei Dinge einen Meter entfernt sind und ich kann da was ändern.
Vermutung: Das ist anstrengender als nur lesen.
Und für das Lesen habe ich mich schon anstrengen müssen...
Aber...
Der typ scheint nichts zu merken...
Das bedeutet...

Sollte es klappen, hätte Markus mehr gewonnen als er auf Spiel gesetzt hatte. Deutlich mehr...

Plötzlich lachte der Mann. Markus war kurz verwirrt und sah ihn fragend an.
Dann begann sein Gehirn mit dem Aufarbeiten des Gesprächteils, den er verträumt hatte.

"Ah... haha..."
-Was ist da so lustig dran? Aber ich kann das nutzen.. Muss es nur... falsch... verstehen...
"Aber, aber müss'n ja nich' gleich panisch lach'n. Gibt kein Grund die Hoffnung zu verlier'n."

Markus griff erneut seine Hand und tätschelte diese sanft, wie ein Großvater, der sein Enkelkind beruhigen will.

"Wir find'n den scho'. Un' bis dahin - "

Markus konzentrierte sich derweilen wieder einmal. Konnte man das zu oft machen? Markus würde es bald herausfinden, dachte er.
Er stellte sich vor, wie er behutsam ein einzelnes Wort in den Fluss an Gedanken seines Gegenüber einpflanzte.
Ein einzelnes Wort, das den Fluss umlenken sollte. In eine Richtung, die Markus besser gefiel.

"- Rede! -"

Markus sprach das Wort auch aus. Nur um sicher zu gehen.

"- es dir von 'er Seele. Das hilft. kannst 's mir glaub'n."

Spoiler:

Spoiler:

Markus bemerkte, dass er sich langsam genug verausgabt hatte für heute.
Nur noch anstrengen, wenn es wirklich sein muss, nahm er sich vor.
Aber er lernte mehr und mehr mit seiner neuen Macht umzugehen.

Markus spürte während seiner eigenen geistigen Schwerstarbeit, wie sich ein Körnchen seines eigenen Willens in den mentalen Garten des Fremden setzte und rasant anfing, zu wachsen. Der Mann fing an, ohne Punkt und Komma zu reden.

"Ja, da haben Sie sicher recht, man soll ja viel reden, über alles reden, reden hilft. Reden... jaa, also das Wetter wird ja immer besser."
Er zog beiläufig seine Hand weg.

"Ich finde den Nebel ja faszinierend. Vor allem wenn man auf einer Anhöhe steht, und nur die Spitzen von den Hügeln der Stadt gucken raus, früh morgens, dazu der Sonnenaufgang am Horizont. Herrlich... und irgendwie romantisch. Ich schaue mir das manchmal einfach so an. Immer alleine. Tja, ich werde wohl nie eine Frau finden. Aber das ist wohl eine andere Geschichte."
Er wirkte etwas verwirrt.
"Und Sie? Ach, wie unhöflich, ich rede und rede und rede und lasse Sie gar nicht zu Wort kommen. Sie sind ja nun auch nicht mehr das jüngste Semester. Gibt es eine Frau? Kinder? Ich wollte eigentlich nie Kinder. Die Verantwortung ist einfach zu groß. Aber manchmal frage ich mich, ob dann nicht etwas fehlt. Im Leben. Was bleibt dann eigentlich übrig, wenn man nicht mehr ist? Ich mein, die meisten Leute sind ja nicht berühmt oder so, oder erfinden irgendwas geniales, oder schreiben einen tollen Roman, um sich zu verewigen. Da bleibt nur die Familienlinie. Wobei, ..."
Er ließ Markus keine Zeit, um etwas einzuwerfen, sondern redete in einer Tour weiter.

Markus sah den Fremden eine lange zeit mit großen Augen an.

Es klappt.

Er begann leicht zu grinsen.

Es klappt!

Dann, nachdem er feststellte, wie nutzlos die Aussagen seines Gegenüber waren verschwand sein grinsen.
Der Bettler legte sein Gesicht in die Hände und schaute den Fremden zwischen den Fingern an.

Puuuuuuuuuhhhh....
Es... klappt...

"Un' wer ha-" Wieder unterbrochen.

"Was is' 'n de-" Schon wieder.

Gib mir wenigstens deinen Namen verdammt!

"Warum suchs-"

Wer mich sucht will ich wissen!

"Wer such-"

"Kannst' mir sag'n-"

Gib mir etwas mit dem ich arbeiten kann verdammt!

"Mach' ma' halbla-"

"Kannst'e nich' ma-"

"Hey, Mann, sag' m-"

GOTT!


Verdammt! Halt die KLAPPE!

Markus spürte wie er etwas loslies. In seinen Gedanken. In seinen Gedanken.
Leider bemerkte er das ein wenig zu spät.

"Jetz' halt ma' dein vermalledeit'n Sabbel! Ich wollt' doch nur wiss'n warum'e mich suchst!"

Endlich komm ich auch mal zu Wort!
Markus Augen weiteten sich.
Shit.

Augenblicklich klappte er den Mund zu. Seine Augen huschten verwirrt von Markus, zum Schachbrett, auf seine eigene Hand. Die Stirn gerunzelt und mit glotzendem Blick verlieh er seiner Verwirrung Ausdruck.

"Hä? Was?"

Dämmernde Erkenntnis.
"Moment mal... Sind Sie etwa...?"

shit shit shit shit

Markus krallte sich die 50 cent, die noch immer auf dem Tisch lagen.
Dann wischte er einmal schnell über das Schachbrett und griff nach allen Figuren die er zu fassen bekam Steckte sie in seine Taschen.
Bretter finden war einfach. Die Figuren waren selten.
Danach sprang er auf und rannte los, so schnell ihn seine alten Beine trugen.

Raus aus dem Park und in eine Gasse. Dort würde er sich schon verstecken können.
Verstecken und nachdenken.

So zumindest der Plan der ihm durch den Kopf schoss während er sich vorbeugte zu dem Geld.
Würde er schnell genug sein?
Er hoffte auf die Verwirrung seines Verfolgers.

"Also sind Sie... hey!"
Etwas hilflos folgte er mit den Augen den hastigen Bewegungen.

"Sie... was machen Sie denn? Ich will doch nur mit Ihnen reden!"
Markus hatte die meisten Figuren zusammengepackt. Ein Bauer und ein Springer waren allerdings heruntergefallen.

"Nicht weglaufen..."
Ein paar der Leute, die an den anderen Tischen saßen, schauten zu ihnen herüber.