[Cassie] Schläft ein Lied in allen Dingen

Er deutete ein Schulterzucken an.
"Naja, soweit ich weiß warst es nicht du, die den Karren an die Wand gefahren hat, sondern dein Bruder. Und wie gesagt, es ist mein Job, daher gibt es nichts zu danken."

Nebenbei goss er Milch in eine der Kaffeetassen und reichte sie Cassie. Er selbst trank den Kaffee schwarz.

"Ein waberndes Gesicht? Hm. Könnte ein Geist gewesen sein... nicht im Sinne von toter Mensch, sondern Naturgeist. Bloß, dass nicht nur natürliche Dinge wie Berge und Flüsse einen Geist haben können, sondern auch Dinge, Gefühle... und alles mögliche. Dein Pfad, die Thyrsus, sind sowas wie Mittler zwischen der Geisterwelt und unserer Welt. Ganz genau weiß ich es nicht, aber das klingt für mich so, als hätte ein Geist die Geisterwelt verlassen, einen armen Tropf in Besitz genommen. Und jetzt treibt er seinen Schabernack..."

Cassie nahm einen kleinen Schluck ihres Kaffees.
"Hmm, gibt es viele dieser Geister? Und gibt es auch 'Gute' Geister? Und können die auch was anderes als Gedanken einpflanzen?"

Er zuckte ratlos mit den Schultern.

"Naja, ich glaube es gibt viele in der Geisterwelt, aber eigentlich nicht so viele hier bei uns. Die Welten sind... irgendwie getrennt. Ich bin da kein Experte, auch was das Können angeht, und was es so alles gibt. Ich kann dir aber jemanden besorgen, der dir das erklären kann. Ein anderer Thyrsus... ein erster Mentor, wenn man so will."

"Bringt er mir dann auch bei, wie ich gegen die Kämpfen kann? Also besser gesagt, wie ich dem Mann hätte helfen können?"
Cassies Mine hellte sich auf, dann legte sie ihren Kopf schief.
"Was kannst du mir denn alles beibringen?"

"Vermutlich schon, ja."

Er deutete auf die Sitzgelegenheiten.

"Setz dich doch. Also ich werde versuchen, dir die grundlegenden Dinge für das Leben als Magier beizubringen. Nicht unbedingt viel Magie an sich, vielleicht ein paar kleinere Sachen. Eher, was man beachten muss, wie man Teil der Gemeinschaft wird, sich einem Orden anschließt und einen Mentor findet."

Sie nickte langsam und nahm Platz.

"Das klingt vernünftig. Wollen wir direkt mit dem Unterricht anfangen?
Ich würde mich auf jeden Fall freuen."
Ihre Augen strahlten, die Tatsache, dass ihre Wissbegier gestillt wird, überschattete sogar die Ereignisse des Tages.

"Ich denke, das wichtigste ist, dass unsere Augen offen sind für die Geheimnisse der Welt. Schläfer sind in der Lüge gefangen und können nicht begreifen, dass es viel mehr da draußen gibt, als sie alltäglich wahrnehmen. Ich meine, du bist zum Beispiel gerade einen Tag oder so erwacht und triffst direkt auf einen Geist."

Er trank einen Schluck Kaffe.
"Das Geheimnissvolle ist offensichtlich für uns, und die meisten Magier fühlen sich von magischen Geheimnissen, Kräften und Wissen angezogen und entwickeln mit der Zeit Interessen- und Studiengebiete. Du hast dir doch zum Beispiel die Pflanze da unten im Foyer näher angesehen, als du vorhin zum ersten Mal hier warst. Warum?"

Sie überlegte, zuckte aber schließlich nur mit den Schultern.
" Ehrlich gesagt weiß ich es nicht genau. Ich ... Ich glaube, sie haben mich an die Waldlandschaft, die entstand als ich mich um meinen Bruder gekümmert habe, erinnert. Aber das ist nur eine Vermutung, es war eher intuitiv, glaube ich. Und als ich sah das sie vertrocknet waren, hat mich das irgendwie traurig gemacht."
Cassie überlegte.
" Wie hätten denn Schläfer die Situation wahrgenommen? Hätten sie sich nur gewundert über sein Verhalten?"

Er nickte.

"Genau das meine ich... es war irgendwie intuitiv. Und so intuitiv fühlen wir Erwachte und eben zu bestimmten Dingen, vor allem übernatürlichen, hingezogen."

Fragend legte er den Kopf schief.
"Welche Situation meinst du?"

"Als der Mann aus der Bar sich betrank...
Ich habe ja das Flüstern gehört."

Er schüttelte den Kopf.
"Nein, die anderen Gäste werden nur denn Mann gesehen haben, nicht den Geist. Die wenigsten Schläfer können das Übernatürliche wahrnehmen. Selbst wenn du direkt vor ihren Augen Magie verwendest, werden sie sich daran nicht erinnern... sie werden sich ganz gewöhnliche Erklärungen suchen, und lieber diese glauben. Sie haben leider keine Wahl, das ist der Fluch des Schlafs."

Sie nickte langsam.
"Hmmm also könnte ich theoretisch jederzeit Magie wirken und es würde den Menschen in meinem Umfeld nichts ausmachen...
Wieso sehe ich dann nicht Magier die ganze Zeit Magie wirken?
Gibt es sokko wenige Magier? Oder bin ich einfach blind dafür? Aber ich habe doch das verzauberte Gemälde irgendwie wahrgenommen...Das ist so verwirrend."

Er schüttelte heftig den Kopf.

"Nein, leider ist das nicht so. Dieser.... Verdrängungsprozess, den Menschen haben, wenn sie Magie sehen - er schadet ihnen psychisch. Es ist so eine Art Trauma - wie ein furchtbares Erlebnis, das man verdrängen muss. Deswegen sollte man es vermeiden, offensichtliche Magie vor Schläfern zu verwenden. Diskrete Zauber sind okay... ihre Auren lesen, oder was ihr Thyrsus so könnt... Lebenskraft spüren, mit Geistern sprechen... das ist kein Problem. Und wirklich viele Magier gibt es tatsächlich nicht, auch deswegen sieht man nicht an jeder Ecke welche herumzaubern."

"Hmmm okay ergibt Sinn. Wie viele Magier gibt es denn ungefähr?"

"Puh. Das ist schwer zu sagen. Ich schätze so um die 60 Pentakel-Magier in San Francisco, plus eine Dunkelziffer von Erwachten, die nicht zum Pentakel gehören. Das ist aber auch von Stadt zu Stadt oder Region zu Region unterschiedlich."

Er hob erklärend eine Hand.
"Je mehr mysteriöse Vorkommnisse und große Rätsel es in einer Stadt gibt, umso mehr Magier zieht sie an. Manche Städte haben zum Beispiel kein Konsilium, weil es in ihnen nur den einen oder anderen Vampir oder so gibt... langweilig."

"Pentakel, Konsilium ... Vampire? Ehm echte Vampire? Gibt's auch Werwölfe? Sorry das klingt dumm..."
Ihre Stimme würde leicht hysterisch.

"Ja, echte Vampire. Parasiten, die Blut saugen, mehr oder weniger. Werwölfe gibt es auch, aber ich weiß nur, dass die sich eben in große Wölfe verwandeln können."

Er legte nachdenklich den Kopf schräg.
"Konsilium... wie erkläre ich das. Also die Grundlegende Einheit in unserer Gesellschaft ist die Kabale. Eine kleine Gruppe von Magiern, mit denen man sich für gemeinsame Ziele, gegenseitigen Schutz, eine bestimmte Funktion, mehr Stärke in Verhandlungen oder eine Mischung aus allem zusammengetan hat. Die einflussreichsten Kabalen schicken je ein Mitglied zu einem Rat zusammen, dem Rat des Konsilium. Der Begriff Konsilium bereichnet einerseits den Rat und alle Amtsträger, die dieser Rat ernennt, und zum anderen die Region und ihre Kabalen, die zu dem Rat gehören. Das Konsilium von San Francisco sind also alle, die zum Rat gehören einerseits, und alle Magier-Einwohner der Stadt andererseits. Der Rat ist sowas wie der Gesetzgeber und eine richterliche Instanz. Er hat vor allem die Aufgabe, Konflikte zwischen Magiern aufzuklären und da Entscheidungen zu treffen, und dafür zu sorgen, dass die Lex Magica, unser Gesetz, eingehalten wird."

"Ehm...Ja gut, das ergibt Sinn, jeder braucht eine Art Regierung. Aber naja außer das mit den Vampiren, das ergibt keinen Sinn.
Und was genau sind Pentakel? Ehm es tut mir leid, dass ich dich so ausfrage..."

"Naja, so eine richtige Regierung ist der Rat zwar nicht, zumal jeder Orden noch seine eigenen Führungsebenen hat. Aber es geht in die Richtung."

Er stellte seine Kaffeetasse auf dem Couchtisch ab und lehnte sich gemütlich nach hinten.

"Das Pentakel ist ein Bündnis zwischen den vier Diamantorden und dem Freien Konzil gegen die Seher des Throns - Magier, deren Ziel es ist, die Menschheit in der Lüge gefangen zu halten und so dauerhaft zu Versklaven. Das Ziel vor allem meines Ordens ist es, diese Sklaverei zu beenden und die Menschen zur Freiheit und letzlich zum Erwachen zu führen."

"Hmm okay gibt es dafür irgendwo ein Nachschlagewerk."
Cassie grinste, ihr Gesicht würde danach aber wieder ernst.
"Das ist so viel Neues, was ich heute erfahre. Hmm aber warte Mal... Wenn ihr dafür sorgt, dass die Welt 'erwacht'..."
Sie malte imaginäre Anführungszeichen in die Luft.
"Würde das nicht für extrem viel psychischen Schaden sorgen?"

"Es gibt tatsächlich Nachschlagwerke... oder zumindest sowas in der Richtung. Mal sehen, ob ich sowas für dich besorgen kann."

Er schmunzelte nach ihrer Frage.
"Naja, es funktioniert natürlich nicht, so oft vor Menschen zu zaubern, bis sie erwachen... dann würden die meisten wahrscheinlich wahnsinnig werden. Es müssen eher alle, oder möglichst viele Menschen erwachen so wie du und ich. Dafür versuchen wir die Voraussetzungen zu schaffen."

"Hmmm und wie kann ich mir diese Vorraussetzungen vorstellen?"

"Es ist schwierig, so viel ist klar. Im Grunde muss man gegen viele Dinge arbeiten, die schlecht für das Wohl der Menscheit sind und sie daran hindert, sich den Höheren Dingen, dem Erwachen zuzuwenden. Menschenverachtender Krieg und Ganggewalt, permanente Überwachung, Gleichmacherei und Hassschürerei, Schulden und Raubtierkapitalismus, Fanatismus und verbohrte Glaubensvorstellungen... die großen Probleme der Welt."

Er seufzte schwermütig.
"Du siehst, es gibt einiges zu tun."

"Hmmm, ja das klingt so."
Cassie konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
"Also wenn ich das richtig verstanden habe... dann wollt ihr, also du und dein Orden, dafür sorgen, dass alle Menschen erwachen... und dann Magie wirken? Oder wie darf ich mir das vorstellen?"

"Wenn alle erwachen würden, dann wäre die Welt von der Lüge befreit, so viel ist sicher. Das wäre das beste. Was wir mindestens wollen, ist, dass die Magie wieder der Menschheit zur Verfügung steht, auch wenn nicht jeder ein Magier ist - weil die Menschheit ein Recht auf Magie hat."

Er nickte mit entschlossener Miene.