Where is my Mind?

Rob war ungern allein. Also zog er mit Mike ab, bestellte sich ein Taxi nach Hause und unterhielt sich dabei mit dem Taxifahrer...

Seine Wohnung war nicht besonders groß, aber mit alten Perserteppen ausgelegt. Es war eine richtige Musikerwohnung. Einige Instrumente und Poster hingen an den Wänden. Ein Klavier stand sogar im Wohnzimmer, gleich neben dem spärlich dekorierten Tisch und dem bequemen Ledersofa.

Auch wenn Rob eigentlich ganz gern kochte, der Kühlschrank war so gut wie leer. Er nahm sich ein Glas saure Gurken und aß sie auf dem Sofa sitzend auf. Insgesamt herrschte kreatives Chaos in seiner Wohnung.

Es war still in seiner Wohnung - und leer. Der Fernseher war verstaubt. Er sah auf den freien Platz neben ihn und fühlte sich mit einem Mal einsam auf dem Sofa. Das Glas Pickles hatte er gerade halb aufgegessen, da schnappte er sich das Aufladekabel und lud sein Handy auf... Er sah kurz die Kontakte durch und hoffte, dass ihm da irgendjemand etwas in ihn weckte... Nicht so wirklich. Die Stille im Raum war einengend.

Hatte er irgendwelche Nachrichten - außer die Deprimierenden von Mike?

Neben den irgendwas zwischen 20 und 30 verpassten Anrufen von Mike hatte er auch eine SMS von "Unbekannter Rufnummer"

Code:

Hey! Sorry wegen heute. Leben bei den Tau-Epsilons ist manchmal anstrengend.
Was hast du noch so gemacht heute?
kiss, Patricia

Rob hatte eigentlich keinen Bock auf sie... Er kannte sie ja nicht einmal. Langsam wanderte sein Blick zum leeren Sofa und dachte dann an das kalte Bett, in das er sich heute legen müsste.

Code:

Wenn du ne pause von denen brauchst, schau doch vorbei.

Er schickte ihr noch die Adresse einer nahe gelegenen Bushaltestelle.

Woher hatte die überhaupt seine Nummer? Sonst war er nicht so freizügig mit sowas. Er musste sie gestern wirklich gemocht haben.

Er griff sich eine Gitarre von der Wand, spielte ein paar Takte und versuchte seine Gedanken in der Musik zu sortieren.

Ein kurzer Seitenblick auf das Handy. Er nahm die SMS ohne besondere Gefühlsregung hin. War am Ende eh egal, wer bei ihm war. Er kannte solche Mädchen. Sie waren scharf auf Rob Savage. Aber für Robert Michaelson interessierte sich keine. Also interessierte er sich auch nicht für Patricia, sondern nur für Patty. War nur fair.

Er sah auf die Gitarre in seiner Hand. Scheiße... auf der hatte er damals auf dem ersten Gig gespielt, den Mary für ihn organisert hatte. Er hatte eigentlich gedacht, er hätte alles verbrannt, was zu ihr gehörte. Aber das war SEINE Gitarre, nicht ihre! Er knirschte kurz mit dem Zähnen, stand auf, ging zum Kühlschrank und schnappte sich die angebrochene Flasche Jägermeister.

Mit ihr setzte er sich ans Klavier... Er nahm einen tiefen Schluck, der in der Kehle brannte. Dann spielte er los. Es war Trauermusik... Wie so oft in diesen Nächten.

Irgendwann später bekam er eine SMS

Code:

Bin an der halte... was jetzt?

Der Musiker brauchte etwa eine Minute, ehe er antwortete.

Code:

Ich hol dich ab.

Er warf sich seine Lederjacke über, schlüpfte in die Stiefel und verließ seine Wohnung. Die Nacht war kühl und klar.

Pat wartete an der Haltestelle, wo sie von einer älteren Dame auf spanisch zugetextet wurde und mit Händen und Füßen versuchte, zu kommunizieren. Sie bemerkte Rob erst gar nicht.

Er wusste selbst nicht, wie oft er schon auf Spanisch angequatscht wurde, weil er von den meisten für einen Latino gehalten wurde.

Savage schritt gerade an einem der wunderschönen Murals vorbei. Aus einer nahe gelegenen Tapas Bar hörten man gedämpft Tangoklänge. Die Mieten stiegen in den Missions ständig - und so musste er vor etwa einem halben Jahr umziehen. Seit dem parkte sein Wagen nicht mehr auf seinem eigenen Parkplatz, sondern auf dem seiner Mutter, die ein paar Blocks weiter in einer Künstler-WG lebte.

Schlussendlich lehnte sich Rob an eine Straßenlaterne etwas abseits der Beiden an - gut sichtbar... Und beobachtete Patty belustigt, wie sie versuchte sich mit der Frau zu verständigen.

Der Dame schien es völlig egal zu sein, ob Patty was verstand oder darauf reagieren konnte.

"Y entonces le dije a mi sobrino, que no es para hacer pis de pie constantemente.
¿No te parece que demasiado repugnante?
Los hombres no pueden comportarse simplemente."

"Äh... ähm, Linie 5?"
Sie hob fünf Finger.
"Linie 5 kommt in... einer Viertelstunde. Also 15 Minuten."
Einmal zehn Finger, einmal fünf. Dann sah sie Rob.

"Entschuldigen Sie, ich muss los."
Die Dame sah zu Rob und lächelte verstehend.
"Si fuera más joven me cojo este chico caliente!"
Sie lachte keckernd und ging weiter die Straße entlang.

"Hi!"
Patty kam auf Rob zu.

"Hey Sweetheart." er grinste sie frech an. "Hast du dich mit der Abuela gut amüsiert?" zwinkerte er und baute sich verführerisch vor ihr auf.

Sie schaute der Dame hinterher und lachte mit einem Kopfschütteln.

"Ohje... ich dachte, sie fragt mich die ganze Zeit nach den Bussen... aber jetzt läuft sie ja einfach da entlang..."

Sie hakte sich bei ihm unter.
"Kannst du Spanisch?"

Er schüttelte den Kopf als Antwort. Man konnte ihm anmerken, dass er schon oft diese Frage hören musste.

"Bist du gut hergekommen?" wollte er wissen und zog sie eine Spur näher an sich ran.

"Oh, ja sorry. Wollte nicht oberflächlich sein."
Arm in Arm gingen sie, wohin auch immer er sie hindirigierte.

"Ja. Also, bis auf ein paar komische Leute im Bus. Die haben wohl nix besseres zu tun, als Tag und Nacht Bus zu fahren."

Rob zuckte mit den Schultern. Er war schon leicht angetrunken. Das konnte ein aufmerksamer Beobachter erkennen.

"Wollen wir noch irgendwo hingehen? Es gibt hier einige sehr schöne Bars. Das Nachtleben ist hier sehr bunt..." wollte er leicht lallend wissen. "Oder doch lieber direkt zu mir?"

"Ach, das in der Bar gestern hat mir erstmal gereicht. Lass uns doch direkt zu dir", gab sie gut gelaunt zurück.

Rob grinste sie fett.

"Ich hatte schon ordentlich einen im Tee, was?" wollte er von ihr wissen und steuerte auf sein Heim zu.

Sie lachte.

"Das kann man wohl sagen. Deutlich mehr als jetzt gerade... hab schon fast ein schlechtes Gewissen gekriegt, als ich dich dann mit nach Hause genommen hab, statt dich in ein Taxi zu setzen."

Sie schaute zu ihm rüber.

"Da war ich kein Gentleman"

"Tse tse tse." machte er gespielt rügend. "Mann muss die Feste feiern, wie sie fallen." ergänzte er dann verständnisvoll. Dann sah er sie noch einmal musternd von oben nach unten an.

"Und zu meinem Schaden scheint's ja auch nicht ausgegangen zu sein." Ein kurzer Moment, dann sagte er noch: "Sorry, ich hab echt nen kleines Blackout. Aber ich vertrau mal meinem Betrunkenem Ich, dass du schon ne Gute bist."

"Da hat dein betrunkenes Selbst schon gut entschieden. Ich hoffe, ich kann auch noch dein nüchternes... naja, halbwegs nüchternes Selbst überzeugen."

Sie wirkte kurz nachdenklich.

"Hm... vielleicht hättest du den Absinth nicht trinken sollen. Davon kriegt man leicht Blackouts. Aber da hast du dich irgendwie wegen einer Wette oder so drauf eingeschossen."

"Ahh Absinth." stimmte er verstehend zu. "Der verträgt sich nicht mit Tequila." Er machte eine wegwerfende Bewegung.

"Was studierst du überhaupt?" wechselte er das leidige Thema. Für solche Gespräche hatte er seine Therapeutin.

"Ach, frag nicht. Hab bis vor nem halben Jahr Jura gemacht, aber das war gar nichts für mich. Jetzt mache ich Wirtschaft... naja."

Sie seufzte.

"Das Traumfach ist das auch nicht."

Savage hob skeptisch eine Augenbraue und besah sich sie.

"Scheiße, du bist hier in Frisco. Da kannst du doch nicht Jura und Wirtschaft machen." behauptete er überzeugt.

Sie lachte trocken.

"Ja, blöde Wahl für hier. Aber was ist die Alternative? Soll ich Kommunikation oder Soziale Arbeit oder Meeresbiologie studieren um dann am Ende auf der Straße zu sitzen oder Taxi zu fahren?`"