Where is my Mind?

Rob schmeckte den Nachgeschmack einer durchzechten Nacht in seinem Mund. Ihm war schlecht. Er hatte Kopfschmerzen... Er lag in einem Bett, oder auf einer Matratze. Das spürte er. Die Sonne schien auf seinen nackten, tätowierten Rücken und wärmte ihn. Das Tattoo zeigte die heilige Maria, zu deren Füßen ein Feuer brannte.

Irgendwo klingelte ein Handy, oder ein Wecker? Es war nicht seins, nahm er an. Roch es da nach Kaffee?

Langsam drehte er sich ächzend auf den Rücken und schlug die rot geäderten Augen auf.

Wo zur Hölle war er?

Er lag in einem weichen King-Size-Bett - vorne plüschige Kissen, am Fußende war er irgendwie noch halb mit einer verkrumpelten, grün gemusterten Bettdecke zugedeckt. Das Sonnenlicht, das an den Seiten der Jalousie vor dem Fenster reinschien stach besonders in seinem Kopf. Das Zimmer war sparsam eingerichtet, abgesehen von einem opulenten Schminkspiegel mit dazugehörigen Utensilien auf dem Tischchen davor und Rock`n`Roll Memorabilia, die übers Zimmer verteilt waren. Poster von Bands, Schmuckstücke, ein Drumstick, der wie ein sakrales Objekt auf einem Kissen dargelegt war.

Die Tür stand einen spalt weit offen und irgendwo kam ein Summen her. Er konnte ein Handy ausmachen, dass auf einem Hocker lag und an einer nahen Steckdose geladen wurde. Irgendwer rief da an - aber war es sein Telefon? Das konnte er nicht so richtig erkennen.

Mit einem Ächzen setzte er sich auf die Bettkante und schlug sich die Hände ins Gesicht. Sekunden vergingen, in denen das Klingeln, einem Bohrer gleich, sich in seinen Gehörgang presste. Zwischen seinen Fingern blinzelte er zum Boden. Dort lagen seine Beinkleider - Und viel wichtiger: Aus seiner Jeans guckte seine Brille raus. Mühseelig setzte er sich die schwarze Sonnenbrille auf, wischte sich die strähnigen Haare aus dem Gesicht und schritt nackt auf das Handy zu. Mit der Brille war die erste Gefahr gebannt. Musste er nur noch das Handy beseitigen.

Das war nicht seins. Wem auch immer es gehörte, wurde gerade von einer "Megan" angerufen. Das Anrufbild zeigte eine junge blonde Frau, die mit Sonnenbrille und Hut vor einem Brunnen poste.

Mit einem kleinen Klick, drückte er den Anrufer einfach weg. Ruhe. Endlich. Er atmete tief ein, ließ die Luft ihn durchströmen und wecken. Dann zog er endlich seine Hose an. Ihm war klar - lange würde es nicht dauern, bis diese Megan zurück rief.

Bei wem war er überhaupt?, fragte er sich, als er die zerschlissene Jeans überzog. Wo auch immer es war - es gab Kaffee. Und das war schon mal gut.

Den tätowierten Oberkörper frei, schritt er Richtung Summen und Kaffee - Und Richtung Freundin von Megan.

Ganz leichter Kaffeegeruch lag in dem Flur, auf der er sich wiederfand. Er musste in einem größeren Haus sein - oder in einer Villa, gemessen am Stil des höherklassigen Interieurs. Rechts ein Stück weiter sah er den Kopf einer Treppe. Von links hörte er leise fließendes Wasser - eine Dusche oder sowas. Mehrere Türen, alle aus poliertem Holz, gingen von dem Flur ab.

'Oh', dachte er und hoffte inbrünstig sie zumindest wieder zu erkennen, würde er sie sehen. Das würde sonst richtig peinlich werden.

Sah es hier eher nach Studentenwohnheim, oder nach persönlicher Villa aus? Am besten er verschwand einfach schnell und frühstückte woanders.

In der Tür stehend drehte er sich wieder um und suchte in dem Zimmer sein Zeug zusammen.

Sein Zeug war durch das ganze Zimmer verstreut und er war sich nach dem einsammeln auch nicht ganz sicher, ob er alles gefunden hatte. Zumindest die wichtigsten Sachen waren da.

Spoiler:

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Zu seinem Glück war er in einer Verbindung und nicht in irgendeinem Privathaus. Über der Jeans hatte er nun ein schwarzes Shirt mit Totenschädel übergezogen und sich die Haare mit einem Haargummi seiner Liaison vor dem Schminkspiegel zusammen gebunden... Die Schminke in seinem Gesicht war verwischt, aber die Brille verdeckte das glücklicherweise.

Rob Savage setzte sich auf die Bettkante und fing an seine Stiefel zu schnüren... Das dauerte eine ganze Weile.

Es tat sich nichts, bis er fertig war mit schnüren. Wenn er nach draußen lauschte, vernahm er, dass das Geräusch des fließenden Wassers nun verstummt war.

Er sollte ihr zumindest eine Nachricht hinterlassen - dachte er sich, ging zum Schminktisch, nahm sich einen ihrer Lippenstifte und schrieb damit "KEEP ON ROCKING!" auf die Oberfläche. Eine weitere Kuriosität für ihr Gruselkabinett.

Dann wendete er sich Richtung Ausgang.

Um das Haus verlassen zu können, würde er erst die Treppe hinunter gehen müssen. Es war eine breite Treppe, die nach einem Dutzend Stufen oder so einen Knick machte und hinter einer Ecke verschwand.

Spoiler:

Der einzige Grund, warum er hätte leise sein wollen, wäre gewesen, um seine Migräne nicht noch weiter zu provozieren.

Also schritt er in normaler, häuserfreundlicher Schrittlautstärke die Treppe herab, während er Mikey anrufte.

Er stellte zu seinem Unmut fest, dass sein Handy keinen Saft mehr hatte. Diese modernen Dinger entluden sich an nur einem Tag, wenn man sie viel benutzte.

Unten angekommen fand er sich in so einer Art Lobby wieder. Sie war groß und protzig, mit Kronleuchtern und edlen Stuckverzierungen. Gegenüber der massiven Doppelflügeltür mit Zierglaseinsätzen waren an der Wand zwei riesige griechische Buchstaben in Gold an die Wand gemalt. Ein Tau und ein Epsilon, glaubte er zumindest.

Er hatte gerade eine Hand an der Türklinke, als jemand von hinten etwas rief.

"Patty?"

Die Stimme gehörte zu einer jungen Frau, die sodann aus einer der angrenzenden Türen kam und dann wie angewurzelt stehen blieb und Rob ansah.

"Oh... du bist nicht Patty..."

Rob sah über die Schulter, lugte kurz über die Sonnenbrille und wendete sich von der Tür ab.

"Stimmt." erwiderte er charmant lächelnd. "Schön dich kennen zu lernen Nicht-Patty." Ein Zwinkern und zwei mit den Fingern geformte Gänsefüßchen unterstrichen den Scherz. "Könnt ich kurz euer Telefon benutzen?"

"Klar, ist in der Küche. Ich bin übrigens Trish... und du?"

Sie schaute ihn lächelnd an, dann wurde ihr Gesicht von einem merkwürdigen Ausdruck umwabert, der dann in erkenntnisvolles Aufreißen der Augen und des Mundes überging.

"Oh... mein... GOTT!"
Sie kam ein paar Schritte näher und schlug erstaunt eine Hand vor den Mund.

"Bist du... bist du etwa... du siehst ja aus wie Rob Savage!"

Robs Lächeln wurde schurkisch.

"Das hör ich häufiger." witzelte er. "Also Trish... Echt nett dich kennen zu lernen und so. Ähm." Er sah an ihr vorbei in Richtung Küche. "Du hast Kaffee aufgesetzt?"

Sie starrte ihn weiter unumwunden an.

"Nee, das war die Jungschwester... die macht den immer etwas zu stark. Naja, willst du trotzdem welchen?"
Sie deutete ihm an, mit ihr in die Küche zu kommen.

"Zu stark klingt genau richtig." Die 'Schwester' ignorierend, stiefelte er an ihr vorbei in die Küche.

"Also ähh Trish. Du stehst auf Alternative?" fragte er, ohne sie anzugucken. Er benahm sich, als würd er hier schon seit Ewigkeiten wohnen.

In der Küche saßen zwei Mädeös, die noch jünger wirkten als Trish.

"Kaffee für unseren Gast!", befahl Trish einer von beiden, die dann in fast schon panischer Hastigkeit herumrannte, Tasse holte und Kaffee eingoss.

"Ach... Alternativ, Mainstream, blablabla", antworte sie dann gut gelaunt und bugsierte Rob auf einen Stuhl am Tisch.

"Ich mag von allem ein bisschen was. Geht das nicht schneller!", blökte sie zur Jungschwester. Diese stellte völlig abgehetzt und mit einem genuschelten "Biddeschö" die Tasse vor Rob auf dem Tisch ab.

Rob nickte verstehend.

Dann sah er der abgehetzten Jungschwester beim Einschenken zu. "Echt cool von dir." Widmete er sich ihr. Die alte Schrecktante konnte ihm mal... Die guckte er jetzt auch nichtmal mehr mit dem Arsch an.

"Und wie heißt du, Aschenputtel?"

Bevor sie antworten konnte, fuhr Trish dazwischen und lachte schrill.

"Ahahaha. Aschenputtel. Sie heißt Gina... oder warst du Liza? Egal, du hast Putzdienst. Mach dich ab!"

Und so wurde dieses Gespräch im Keim erstickt.

"Sag mal", wendete sich Trish dann säuselnd an Rob.

"Bist du denn jetzt Rob Savage? Oder siehst du ihm nur sehr ähnlich?"
Sie plinkerte ihn mädchenhaft an.

Mit einem genervten Blick sah er Trish wieder an. Anstatt zu antworten nahm er einen tiefen Schluck Kaffee und setzte ihn dann betont vor sich auf den Tisch ab.

Zwei melodramatische Sekunden verstrichen.

"Vielleicht." sagte er schließlich und stand auf.

"Aber ich muss jetzt erst einmal meinen Manager anrufen." betonte er extra ironisch. Damit drehte er ihr den Rücken zu.

Er konnte sie nicht mehr sehen, hörte aber ein leises Zischen, nachdem er ihr den Rücken zugedreht hatte. Die andere Schwester floh aus der Küche.

Das Telefon stand auf der Anrichte, ein schnurloses Modell mit allem möglichen Schnickschnack.

Die Nummer von Mike, seinem Manager, kannte er auswendig. Als wählte er sie und rief an.