[Beth] Schöne neue Welt

Beth ließ schnell Stift und Quittung in ihrer Hosentasche verschwinden und stand auf und wollte schon zur Tür gehen... als sie sich noch einmal umwandte.

"Was tust du denn für diesen Galen?", fragte sie neugierig. Die Fragen die sie gestern an Ba'al gestellt hatte verbiss sie sich. Nicht das er noch behauptete Galen wäre ein Psychopath. So viel Humor war Proxy vielleicht zuzutrauen...

Proxy warf ihr einen etwas ungehaltenen Blick zu.

"Du bist zu neugierig."

Beth zuckte kurz mit den Schultern, grinste ein ehrliches "Ja" und verließ damit das Zimmer. Naja. Das war wohl vorauszusehen gewesen...
Okay, dann finde ich jetzt mal diese Münze... und diesen Galen... Sie konzentrierte sich auf den Zauber und folgte ihrer Kette, wobei sie sich nur ein ganz bisschen komisch vorkam...

Ihr Weg führte sie geradewegs in die große Bibliothek. Dort saß jemand in einem Ohrensessel und las ein Buch.

Spoiler:

Vor ihr saß ein junger Man, der in etwa so kränklich aussah wie Proxy. Beinahe anämisch würden manche sagen. Heute hatte er sogar Augenringe und eine geplatzte Ader im Auge, was die Ähnlichkeit noch etwas stärker betonte. Er trug einen schwarzen Kapuzenpullover und hatte eine Frisur, die kaum dieses Wortes würdig war.

Er legte das Buch herunter und musterte die frisch Erwachte einen Moment, ehe er sich erhob und einen halben Schritt auf sie zu ging.

"Ich bin Galen, dein Lateinlehrer." begrüßte er sie so trocken, dass man meinen könnte, er würde es ernst meinen. Seine Stimme war ziemlich leise und sein Gesicht war schwer zu lesen.

Irgendwie hatte Beth das Gefühl, das sie falsch gekleidet war (auch wenn dieser Galen ein Makeover echt nötig hätte) und zog ihren Pulli etwas zurecht. Ich sehe aus wie immer, ist ja nicht meine Schuld, dass mir hier alle auf den Kopf spucken können...

Beth gab sich große Mühe nicht zu Grinsen, während sie ihn kurz musterte und dann antwortete:
"Sehr erfreut. Ich bin Beth." Wahrscheinlich hat sich Proxy schon bei dir über mich beschwert.

"Bist du Proxys Bruder?", rutschte ihr die naheliegendste Frage heraus.

Galens Blick blieb eisern an ihr heften.

"Bist du die kleine Schwester von dem Mädchen aus 'the Grudge'?" antwortete er schlagfertig auf ihre taktlose Frage.

Es wurde wirklich schwer für sie nicht zu grinsen. Aber sie konnte das...

"So weit ich weiß nicht - Aber vielleicht hatte meine Mum ja auch so etwas wie eine wilde Jugend"  Nie im Leben. Kakerlaken. Tote Hundebabys. Nicht lachen.
Was war überhaupt 'the Grudge' ?- wieder so ein Film den sie nie und nimmer schauen dürfte wahrscheinlich...

Er nickte knapp.

"Wollen wir weiter Spitzfindigkeiten austauschen, oder willst du lieber das Zaubern lernen?" fragte er diplomatisch.

"Ich würde gern weiter Zaubern lernen", gab sie zurück.
Hoffentlich dauerte das jetzt nicht wieder Stunden... sonst würde sie beim Lernen verhungern.

"Ich werde jetzt einen Zauber wirken, um einzuschätzen, wie talentiert du als Magierin bist." antwortete er. "Das wird mir helfen, dein Können einzustufen."

Dann spürte Beth das aufflammen von Magie im Raum, während sich Galen umständlich ein Auge rieb. Dabei bildete Daumen und Zeigefinger immer wieder, als sei es ein Zufall, einen Kreis, durch den er hindurch sah.

"Enthüllung magischen Potentials." hörte sie ihn in der fremden Sprache sprechen.

"Die menschliche Psyche ist ein zerbrechliches Gefäß. Einem rohen Ei nicht all zu unähnlich. Ein Stich an der falschen Stelle und sie wird irreparabel beschädigt sein. Direkte Einflussnahmen können ebenso verheerende Folgen nach sich ziehen, wie eine Lobotomie. Du weißt, was eine Lobotomie ist?"

Aufmerksam betrachtete Beth ihn während er scheinbar seinen Magie-Talenttest machte. Wie schön das ständig alle an mir rumzaubern... und nett, dass ja alle soooo lieb fragen...

"Ich fürchte, ich habe keine Ahnung", gab sie zu, da sie sich nicht zutraute auch nur halbwegs richtig zu raten.

Spoiler:

Galen nickte knapp. Darin konnte man - warum auch immer - eine Spur Anerkennung erkennen.

"Die Lobotomie war ein medizinischer Eingriff der sich vor allem im neunzehnten Jahrhundert sehr großer Beliebtheit erfreute. Psychisch kranken Menschen, etwa hysterischen Frauen... übrigens ein beliebtes Krankheitsbild in den London Asylums... wurden lange Metallnadeln durch die Augen oder die Schädeldecken eingeführt. Beziehungsweise mit Hämmern hineingetrieben. Dabei wurden bestimmte Hirnteile zerstört, sodass die Opfer dieser grausamen Behandlung zwar lebten, aber kaum oder gar kein Bewusstsein mehr an den Tag legen."

All dies erklärte er mit einer Ausdruckslosigkeit in der Stimme, dass man sich zu recht fragen konnte, ob selbst das spannendste Thema der Welt durch einen langweiligen Dozenten ebenfalls langweilig wurde.

"Jeder Zauber, den du wirkst, kann permanente Schäden hinterlassen. Verlierst du durch den Abgrund auch noch die Kontrolle über den Zauber, ist es nicht nur ein gezielter Stich, den du setzt, sondern das Paradox lässt dich wild in der Psyche deines Opfers herum wühlen. Die Konsequenzen können katastrophal sein."

Beth nickte kurz.
Ja, sie hatte es kapiert... Sie könnte ganz, ganz viel kaputt machen... Es wurde wirklich schwer für sie nicht langsam ungeduldig zu werden. Also, noch ungeduldiger. Aber würde nur das Gegenteil bewirken, wenn sie sich das anmerken ließ. Zumindest wenn sie bedachte wie Proxy reagiert hätte...

Galen starrte sie einen Moment lang an.

"Was schlussfolgerst du aus dem, was ich gerade gesagt habe, für dein eigenes Verhalten?" fragte er dann etwas verschachtelt.

"Ich soll vorsichtig sein und Magie erstmal nur unter kompetenter Aufsicht ausführen", wiederholte Beth, was ihr am Tag zuvor gesagt würde. In kurz. Und weniger... ach, wie auch immer...

Galen seufzte müde.

"Das soll mir reichen... Jetzt gib mir deine Hand."

Er streckte sie ihr förmlich und erstaunlich galant entgegen. Sie war ziemlich kühl.

"Warum?", fragte sie zurück. Sollte das jetzt wieder so etwas werden wie mit diesem Schicksalsding? Traute ihr eigentlich überhaupt keiner?
"Muss ich dir jetzt auch irgendwas versprechen?"

Galen schüttelte den Kopf. Er hat sie also etwas versprechen lassen... Aha.

"Nein. Es ist leichter, Objekte zu verzaubern, die man unmittelbar berührt. Umso ferner etwas von dir entfernt ist, umso größer ist die Lüge, die du besiegen musst. Es fordert den Abgrund weniger heraus." erklärte er. "Also ergreife meine Hand. Danach wirst du durch meine Anleitung versuchen, meine derzeitige Stimmung in Erfahrung zu bringen."

"Oh, okay...", erwiderte Beth zögernd.
Wunderbar...dann kann ich jetzt also genau herausfinden, ob er so gelangweilt ist, wie er aussieht... Aber wenigstens lerne ich Magie. Also los...
Sie nahm seine Hand und schaute dann wieder prüfend zu ihm auf.

"Wenn ich diesen Zauber wirke, stelle ich mir vor, wie ich die Schädeldecke öffne und auf der Hirninnenfläche Gedanken und Emotionen lese... Aber ich bin auch Nekromant. Das mag für dich keine angemessene Vorstellung sein... Also sieh mir tief in die Augen... Die Augen, so heißt es, sind ein Tor in die Seele. Stell dir dieses Tor vor und wie du es öffnest. Frage dich, wie ich mich gerade fühle... Und vielleicht auch, wie klug ich bin." erklärte er. Seine kühle Hand hielt ihre sanft fest.

"Wenn du dieses Bild vor deinem inneren Auge geformt hast, sprich folgende Symbole: Offenlegung von Gefühlen. Offenbarung von mentaler Kapazität. Ich werde den Zauber beobachten... Wenn du versuchst tiefer zu gehen oder mehr heraus zu finden, werde ich mich wehren. Und ich werde dies nicht ungestraft lassen. Klar soweit?"

Beth starrte Galen einen Moment lang einfach nur an. Im nächsten war sie recht froh, dass das zu ihrer Aufgabe zählte.
Allerdings wirbelten ihre Gedanken grade zu sehr durcheinander um sich wirklich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.

Was war das eigentlich für ein Typ?
Als ob der regelmäßig Leichen zerpflückte, oder... tat man so etwas als Nekromant? Das war echt krank... oh... dieser Galen war viel eher ein Psychopath als Proxy... sie würde klinische Psychopathie auch nicht erkennen - aber krass verdammt!
Sie wollte gar nicht wissen, was er mit ihr anstellen würde, wenn Sie doch... mehr sah, als er erlaubte. Warum... Das war alles so verrückt...

"Wie kann ja sich gegen so etwas wehren?", fragte sie nach und versuchte nicht ganz so eingeschüchtert zu klingen, wie sie sich grade fühlte. Eine Antwort würde ihr vielleicht Zeit geben sich etwas zu sammeln...

Galen guckte auf Hand, die sie beide noch immer verband.

"Mir sind lange Berührungen unangenehm." stellte er fest. "Deine Frage kann eine halbe Minute warten." befand er dann.

"Entschuldige", sagte Beth und biss zum wiederholten male auf ihre Lippe. Das sollte sie sich wirklich abgewöhnen...

Okay, Konzentration... ich schaffe das...ich zu einfach so als wäre das jetzt das absolut wichtigste auf der Welt...

Sie starrte ihm fest in die Augen, gut... das war ein guter Fixpunkt.
Da sie das mit der Tür blöd fand, ließ sie den Part weg und stellte sich den Raum hinter seinen Augen vor, hinter seiner Stirn. Was fühlst du? Unwillkürlich kniff sie dabei die Augen zusammen. Und wie schlau bist du?

Sie versuchte diese Gedanken zu intensivieren und murmelte schließlich die Worte die Galen ihr gesagt hatte.