[Galen] Geisterstunde

Tapio nickte langsam.

"Verstehe... naja, wir haben ja ein paar versierte Schlafwandler. Kennst du ja aus dem Überwachungsraum. Wenn du einen wirklichen Experten willst..."
Er seufzte.
"Das wäre Cultor Proxy. Aber der ist... komisch. Deswegen halte ich mich ja eigentlich immer an Angus."

"Danke... Dann schlaf du mal weiter. Die Nummer von Proxy brauche ich erst morgen früh, wenn überhaupt."

Er lächelte ein - für seine Verhältnisse - offenes und breites Lächeln der Dankbarkeit.

"Aber was genau meinst du mit komisch?"

"Ja, kann ich dir dann geben."
Tapio gähnte herzhaft.

"Er... hängt eigentlich die ganze Zeit nur vor seinen Rechnern und kann über nichts anderes reden als über seine verschiedenen Systeme. Sein Labyrinth ist eins von diesen Systemen - und ein richtiger Psychomagnet."

"Klingt nach Spaß.", erwiderte er freudlos.

Er lächelte noch einmal entschuldigend.

"Gute Nacht."

"Nachti."
Tapio schlappte wieder in sein Bett.

Kurze Zeit später klopfte Galen mit seinem Laptop unterm Arm im Überwachungsraum.

Er wurde hereingebeten. Eine Schlafwandlerin war da, eine von drei Überwachern, die in diesem Raum im Schichtbetrieb tätig waren. Sie sah etwas müde aus, arbeitete aber eifrig an einem der Monitore.

"Guten Abend", grüßte sie höflich.
"Kann ich helfen?"

"Sie sind also die Nachtschicht. Freut mich Sie kennen zu lernen. Galen mein Name." grüßte er sie ebenso höflich.

"Und ja, können Sie vielleicht in der Tat. Ich war gerade im Darknet unterwegs, es gab einen Hackangriff und den habe ich abgewehrt, die Backdoor entfernt und den Rechner von Netz genommen. Aber es kann natürlich sein, dass es multiple Angriffe simultan gab." erklärte er. "Vier Augen sehen mehr als Zwei. Wenn Sie also gut in diesen Dingen sind..."

"Mein Codename ist Gamma. Diese Namen wurden nach... nun."
Sie schaute etwas beschämt zu Boden.

"Nach Sachkenntnis vergeben. Alpha und Beta sind wesentlich besser als ich in diesen Dingen. Deswegen würde ich Ihnen ungerne ohne Anweisung von Kivutar zur Hand gehen, denn ich kann es nicht verantworten, mehr Schaden anzurichten."

"Danke für die Ehrlichkeit. Das weiß ich zu schätzen." erwiderte er freundlich. Meine Güte... Kivutar kann ganz schön gemein sein. dachte er. Und deshalb hat sie die Nachtschicht, in der alle Observationsziele schlafen.

"Es eilt auch nicht. Brauchen Sie etwas? Einen Kaffee oder so?"

Sie lächelte nun etwas.
"Danke der Nachfrage, aber wir sind hier versorgt."
Sie deutete auf eine unscheinbare Tür neben dem Zugang zum Raum.

"Da ist eine kleine Küche mit Kaffeemaschine und so."

"Wir Neuen müssen doch zusammen halten." stieg er in das Lächeln ein. "Und eine Pause vielleicht? Ich kann gerne ein paar Minuten übernehmen, falls Sie sich mal die Beine vertreten wollen."

Was wird das hier? Warum bist du so freundlich? fragte er sich. Vielleicht... Vielleicht weil das hier möglich sein könnte... dachte ein anderer Gedanke, etwas leiser.

Ihr lächeln wurde erst breiter, dann fiel es urplötzlich in sich zusammen.

"... uhm, danke, das ist ein sehr freundliches Angebot", entgegnete sie kühl.
"Aber ich würde nie meine Pflichten hier verletzen."

Test bestanden..., dachte er bitter.

Er nickte betroffen.

"Ich verstehe. Falls das ein Test gewesen wäre, hätten Sie mit Bravour bestanden. War es aber nicht." erklärte er. "Ich verstehe aber, dass Sie wohl Probleme kriegen, wenn ich für Sie einfach übernehme."

Er stieg wieder in das Lächeln ein und sah auf seine Uhr.

"Vier Augen sehen mehr als zwei. Etwas Zeit habe ich noch."

Der leise Anflug eines Lächelns stahl sich zurück.

"Also... gerne. Viel gibt es aber nicht zu sehen und zu hören. Die meisten Ziele schlafen um diese Zeit. Nur drei, die noch aktiv sind, davon hängen zwei vorm Fernseher oder der Playstation."

"Und was wird gespielt?" fragte Galen und setzte sich neben ihr auf einen der Bürostühle.

Privatkram stehen als Themen außer Frage.

"Irgendso ein Shooter, glaube ich."
Das schien sie nur mäßig zu interessieren, zeigte aber einen Kamerafeed, der ein Wohnzimmer zeigte. Man konnte Geballer auf der Mattscheibe sehen.

"Und was läuft sonst so im Fernsehen?" fragte er an dem Spiel ebenfalls desinteressiert. Shooter fand er auch ziemlich öde. Er stand eher auf Strategie und Rollenspiele - wenn überhaupt. Warcraft 3 hatte er ziemlich viel gespielt. Die Untoten natürlich.

"Sieht sich irgendeine Quizsendung an."

Sie stöpselte sich einen Knopf ins Ohr und wartete kurz.

"Aha...William 'Count' Basie war ein bekannter... Golfer, Jazzpianist, Chemiker oder Koch?"

"Ahh das ist leicht... Ein Jazzpianist." erwiderte Galen prompt und wie aus der Pistole geschossen.

Sie nickte anerkennend.
"Nicht schlecht. Mal sehen, ob es richtig ist."

Für einen Augenblick lauschte sie.
"Ah, stimmt. Der Kandidat dachte allerdings, dass das ein Koch wäre. Was sagt uns das wohl über ihn?"

Galen schmunzelte.

"Das ist das wesentlich bessere Quiz." meinte er anerkennend. "Ich fange an: Der Kandidat kennt sich in schwarzer Kultur nicht aus. Jetzt Sie."

Er sah sie nicht an, sondern sein Blick war auf den Bildschirmen geheftet. Das machte es leichter für ihn. Das ganze Gespräch erinnerte ihn an seine mit Lara: Ein nettes Mitarbeiter-Pausengespräch.

Sie legte nachdenklich den Kopf schräg.

"Hm, das ist es denke ich nicht. Der Kandidat ist einfach jemand, der gerne isst und deswegen unterbewusst eine Antwort wählt, die damit zu tun hat."

Das war die offensichtliche Antwort. Allerdings außer einem Bauchgefühl schwer zu belegen.

"Möglich. Gibt es ein Indiz, mit der Sie ihre Hyopthese stärken können?" fragte er zurück und blickte sie dabei kurz interessiert an.

Spoiler:

Sie deutete ein Schulterzucken an.

"Naja, außer, dass er ein wenig dicklich ist gibt es nichts mehr. Aber für Ihre Hypothese sehe ich erstens auch keine Indizien, und zweitens erklärt sie nur, warum er die richtige Antwort nicht wusste... aber nicht, warum er dann die Antwort 'Koch' gewählt hat."