Springbreak

Galen setzte ein Lächeln auf die Lippen und griff dabei ins höhere Reich. Ein freundliches Lächeln, hilfsbereit, aber auch hilfsbedürftig. Er spürte, wie das Mana floss um die Verbindung zu halten, konzentrierte sich darauf - doch er scheiterte darin, sich einen wirklich sympathischen Klinkenputzer vorzustellen, so sehr er es auch versuchte.

Das es sowas gibt, ist ja auch eine Lüge... dachte er zynisch. Und klingelte an der Tür.

Eine ältere Dame, wahrscheinlich so Ende 50, öffnete die Tür. Sie hatte dicke Lockenwickler in den Haaren und sah Galen über den Rand einer schmalen Brille forschend an.

"Guten Tag. Haben Sie mein Paket dabei? Ich warte auf ein Paket."

Galen lächelte verlegen.

"Nein, tut mir wirklich leid..." Er sah kurz in Richtung des Hauses in denen die Shepherds leben. "Hätten sie kurz einen Moment... Es geht um Hannah Shepherd. Mir ist es wirklich wichtig..."

Sie runzelte die Stirn.

"Was, diese Sektenfutzies? Ach, eigentlich hab ich für die keine Zeit. Komisches Volk, wenn Sie mich fragen."
Ihr kritisch äugender Blick ging zu dem Haus der Shepherds und wieder zurück zu Galen.

"Oder sind Sie etwa auch so einer?"

"Nein... Ich bin in keiner Freikirche." Er verdrehte die Augen... "Mein Zweig der Familie versteht sich noch nicht einmal besonders gut mit denen..."

Er machte ein zerknittertes Gesicht.

"Naja - Außer Hannah. Aber vielleicht wollen sie mir ja deshalb nicht sagen, was mit ihr ist."

Er sah sie hoffnungsvoll an.

Sie hob eine Augenbraue.

"Und Sie sind...?"

Er streckte ihr höflich die Hand entgegen.

"Michael Shephert."

Er lächelte sie etwas verängstigt an

"Hannas Cousin..."

Sie schaute kurz mit einem kaum verhohlenen Naserümpfen auf die Hand, rang sich dann aber zu einem schlaffen Schütteln derselben durch.

"Ich wusste nicht, dass die Shepherds noch Verwandschaft haben... vor allem außerhalb von..."
Sie ließ ihren Zeigefinger in Richtung des Shepherdhauses kreisen.

"...naja Sie wissen schon. Und wo kommen Sie dann her? Und mit wem sind Sie dann verwandt? Sie sehen der Mutter ein bisschen ähnlich... ich hätte es gleich wissen müssen."
Sie lächelte selbstgefällig.

Er verzog missbilligend den Mund. "Sie hängen das auch nicht an die große Glocke..."

Dann sah er sie entschuldigend an.

"Leider falsch geraten. Ich bin ein Shephert. Unser Zweig ist nach Frisco gezogen. Und Hannah wollte da ein Praktikum machen. Während der Zeit bei uns wohnen."

Er sah sie hilfesuchend an.

"Sie tauchte nicht auf. Und ihre Eltern gingen nicht ans Telefon... Also bin ich vorbei gefahren. Aber sie machen mir nicht die Tür auf... Also bitte... wissen sie wo sie sein könnte?"

Nun zeigten beide angehobenen Brauen, dass sie plötzlich noch interessierter war.

"Achja? Das ist ja allerhand... ich habe sie hier seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Hier in der Nachbarschaft erzählt man sich, dass die Eltern so tun, als hätten sie nie eine Tochter gehabt. Ich dachte, das würden die dann so machen, wenn jemand die Sekte verlässt."

Galen hob ebenfalls die Augenbrauen.

"Ja das könnte ja sein..." dachte er mit ihr mit. "Aber wenn sie dann nicht zu uns kam... Wissen Sie wo sie dann sein könnte? Irgendeine Freundin oder so?"

"Freunde? Außerhalb von dieser Sekte?"
Sie machte ein zweifelndes Gesicht, das sich dann etwas aufhellte.

"Also ich habe sie mal mit der Tochter vom Kioskbesitzer die Straße runter rumhängen sehen. Weiß aber nicht, ob die befreundet sind."

Sie kam einen Schritt näher und schaute sich demonstrativ nach potentiell Lauschenden um - natürlich war niemand in der Nähe.

"Vielleicht... haben diese Sektenleute sie auch... naja, sie wissen schon. Nach dem Motto: Keiner verlässt die Kirche..."

Galen verzog etwas schockiert die Augen.

"Na man muss es ja nicht gleich überdramatisieren... An sowas will ich gar nicht erst denken, solange es nicht auch einfachere Lösungen gibt..."

Er sah kurz die Straße auf und ab.

"Einen heimlichen Freund oder so hatte sie aber nicht, oder?"

Sie lächelte gekünstelt.

"Wenn es ein geheimer Freund wäre, würde ich das ja wohl nicht wissen, oder? Weil er geheim ist?"

Etwas enttäuscht ließ er die Schultern hängen. "Stimmt auch wieder..."

"Fragen Sie mal bei der Tochter vom Kioskbesitzer nach. Und..."

Sie schaute ihn verschwörerisch an.

"Falls sich wirklich herausstellen soll, dass sich eine Tragödie ereignet hat... ich sage gerne gegen diese Leute aus. Ich habe sicher ein paar... Beobachtungen gemacht."

Er nickte sie ernst an.

"Gut... Halten Sie sich aber solange bedeckt, ja?" ging er darauf ein. "Danke für die Hilfe, Ma'am."

Die Abgründe des Menschen sind tief und schwarz... Und einige lieben es in sie zu blicken...

"Immer gerne."

Sie schenke ihm noch ein glibberiges Lächeln zum Abschied und schloss dann, sofern er nichts mehr zu erwidert hatte, die Tür.

Er drehte sich um und ging in Richtugn der Straße.

Also gut... Jetzt heißt es, zu filtern... Der Großteil von dem was sie gesagt hatte, war verbittertes Oma-Aluhut-Gerede... Aber die Sache mit dem Kioskmädchen ist im Moment meine einzige Spur... Also hoffen wir da mal das Beste. Und hoffen wir, dass sie nicht direkt ihre beste Aluhut-Tanten-Freundin anruft und Aluhut-Tanten-Teetrinken mit ihr macht...

Kurz fragte er sich, warum er diese Arbeit überhaupt machte. Soziale Interaktionen waren einfach nicht sein Ding.

Aber Hannah dingfest zu machen war ein ganz guter Grund, auch dieses Opfer zu bringen.

Mit diesen Gedanken ging er in Richtung des Kiosks.

Ich werde so tun, als würde ich mir einfach was zu essen holen wollen und die Gelegenheit nutzen, um dann dort rumzufragen.

Der Kiost war in einer schlichten Bretterbude untergebracht, die auf einem kleinen Eiland platziert war, das der Bürgersteig bildete, bevor sich eine Kreuzung auftat. Das tägliche Angebot - zwei Hot-Dogs mit Getränk für 7 Dollar - war mit krakeliger Schrift auf eine Stehtafel vor dem Eingang geschrieben.

Es tönte ein leises Klingeln von einer elektronischen Kundenglocke, als er die Tür öffnete. Drinnen waren dicht gedrängte Regale mit Magazinen, Zeitungen, Getränken und - in ein paar Eisschränken an der hinteren Wand - Tiefkühl-Fernsehmenüs.

Eine gelangweilte junge Frau stand über den Tresen gebeugt neben der Kasse und blätterte träge in einem bunten Heftchen mit allerhand Tratsch. Die blickte nur einmal kurz auf, besah Galen, dann kehrte ihr Blick zu ihrem Heft zurück.

Kurz sah er sich etwas verloren im Raum um und trat dann auf sie zu.

"Einen Hot Dog und 'ne Coke bitte." sprach er sorgenvoll. Vielleicht bietet sie mir das Menü an... Würde es leicher machen ein Gespräch zu beginnen...

Sie schaute auf, blickte kurz an ihm herunter.

"Kannst auch nen zweiten Hotdog dazuhaben, kost' das Gleiche."

Er schmunzelte bitter. Was sagte Tapio über das Kind? Hilfsbedürftig...

"Zumindest einmal am Tag muss man Glück haben, was?" Er sah zu ihr auf. "Dann auch gerne 'nen zweiten."

Sie nickte knapp, klappte ihr Heft zu und ging zu einem Warmhaltetopf, in dem die Hotdogwürste schwammen, um zwei davon in vorgesehene Brötchen zu bugsieren. Alldieweil plauderte sie nebenbei mit ihm.

"Is heut nicht dein Tag? Biste hier liegengeblieben? Gurke?"

"Ne ich such meine Cousine... Hannah" erwiderte er. "Aber ihre Eltern wollen mir nicht weiter helfen und ich kenn hier niemanden." Er sah kurz in ihr Gesicht.

"Ja, mit Pickles." bestätigte er dann mit einem schmalen, traurigen Lächeln.