Guanxi (Phobos)

"Fehlt einer Bahn noch ein Spieler?" fragte er. Mit unglaublich viel Glück würde er direkt bei Bodkins Leuten landen.

"Sonst bleib ich vorerst an der Bar."

Er hob milde erstaunt eine Augenbraue.

"Die meisten Leute kommen schon als Gruppe. Aber fragen Sie doch einfach mal herum."
Er deutete auf die Bahnen. Drei waren gerade in Betrieb. An der Bar saßen auch einige Leute, und in einer Sitzecke eine Dreiergruppe, die Bierflaschen auf dem Tisch stehen hatten.

"Bin neu in der Stadt." erklärte Phobos. "Haben Sie auch einen Bowlingverein oder eine interne Liga?"

Er nickte.

"Sowohl als auch."
Er deutete auf eine Pinnwand unweit des Eingangs.
"Da hängen ein paar Info-Flyer. Ansonsten einfach Gritty fragen."
Er deutete mit dem Daumen auf einen der Bowlingspieler, der gerade verbissen seine Kugel polierte.

"Gut. Dann vielen Dank. Bis gleich." nickte er der Arbeitskraft zu.

Er nickte ebenso.

Wie er so war, sammelte Phobos als erstes jegliche Informationen, ehe er das Risiko einer sozialen Interaktion einging, die bei mangelnden Informationsstand schnell nach hinten losging.

Mit Bowling kannte er sich einigermaßen aus. Mit seinem alten Herrn war er in der verhassten Kleinstadt aus der er stammte, häufiger auf der Bahn gewesen, wenn auch kein herausragender Spieler.

Also betrachtete er die Inforflyer.

Es gab eine Liste für Spieltermine der internen Liga und ein paar freie Spalten, wo sich Teams eingetragen hatten. Sein Blick fiel auf einen der ersten Einträge.


Danny Phelp, Roger M. Tapiano, Charles Bodkin, Aldo Perkins

Irgendwie war das traurig. Der durchgestrichene Name war alles, was Bodkins Ableben hier bezeugte. Und dennoch... Dies war seine Bowlingbar gewesen. Seine Freunde. Danny Phelp, Aldo Perkins und Roger M. Tapiano. Sein Team. Menschen, die einen Verlust zu beklagen hatten.

Phobos war auf der Arbeit gewesen, hatte seine Leiche obduziert - doch erst dies hier machte den Tod des Charles Bodkin greifbar. Das unüberwindbare Ende, auf das sich jedes Leben zubewegte. Erst würde hier der Name stehen. Dann der Strich durch den Namen. Dann nichts mehr - und schließlich das Vergessen. Asche und Staub die in der unvermeidbaren alles gleich machen würde.
Er riss sich aus seinen Gedanken. Wann würden sie das nächste Mal spielen? Gab es Pokalbilder von ihnen?

Es gab einige Gruppenfotos, auf denen Phobos nach kurzem Suchen auch Bodkin finden konnte. Er stand meist eher am Rand und wirkte etwas miesepetrig. Das nächste Spiel war erst in zwei Wochen anberaumt.

Phobos guckte einmal durch die Runde ob einer der Spieler, die in seiner Nähe standen, heute auch da seien.

Er meinte einen der Nachbarn in einem der Fotos in der Dreiergruppe zu erkennen, die in ihrer Nische ein Bier tranken.

Das sprach ja dafür, dass dies das Team Bodkins sei.

Nun die Form solle gewahrt werden.

Also ging es erst einmal zu diesem Gritty und wartete an der Bahn, bis dieser seine Kugel gestoßen hatte.

Gritty stieß nicht, er war immer noch damit beschäftigt, die Bowlingkugel zu polieren, indem er sie in einem Tuch hin und her schwenkte.

"Hä? Gibts was?", fragte er, als Phobos an ihn herantrat.

"Ja. Ich bin gerade frisch hergezogen und such nach einer Bahn für mich." erklärte er. "Wie läuft das hier so?"

"Kommt drauf an."

Er grinste etwas dreckig.

"Biste gut?"

Er schmunzelte kurz.

"Ehrlich gesagt - Nicht besonders. Aber von nichts kommt nichts, ne?"

"Dann solltest du wohl üben."
Er zuckte mit den Schultern.

"Danke für den Tipp." erwiderte er sarkastisch.

"Also gut. Dann such ich mir mal wen zum Üben."

"Ja... such dir mal wen."

Er sah ihm Kopfschüttelnd nach.

Er sah sich noch kurz um, dann trat er auf die drei Sitzenden zu - nicht ohne vorher sich mit seinem geschärften magischen sechsten Sinn umzusehen, sich die Stirn zu kratzen und die oberflächlichen Gedanken des Einen zu lesen, den er vom Foto wiedererkannt hatte.

Irgendwie gelang es ihm nicht, in den Geist des Mannes einzudringen, obwohl der Zauber an sich hervorragend funktionierte. Die Köpfe wendeten sich zu ihm um, als er an den Tisch herantrat.

Spoiler:

Spoiler:

Sein Gegenüber war also willensstärker als die meisten Menschen - Zu mindestens gelang es ihm damit meistens die gedankliche Oberfläche zu durchstoßen, wenn er dieses Maß an Konzentration einbrachte.

Wie dem auch sei.

"Guten Abend. Darf ich mich hinzusetzen?"

Seine Anfrage stieß auf eher ablehnende Blicke. Einer der anderen - nicht der, dessen Gedanken er zu lesen versucht hatte - ergriff nach einem kurzen Blicketausch das Wort.

"Darf man fragen warum? Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber wir sind gerade in einem privaten Gespräch."

"Oh entschuldigt." Das sind die Drei. "Ich bin neu hier. Wollte später 'ne Kugel stoßen und nicht ne Bahn für mich alleine mieten." erklärte er.