Im Auge des Sturms (Vivien)

"Okay, ja klar kann ich dich holen. Ich muss nur nen Umweg nehmen... kann nen Moment dauern. Mach mich gleich auf de Weg. Aber was ist eigentlich genau passiert? Der Sturm hat dir die Reifen zerlegt?!"

Ihr Finger berührte eine der freischwebenden Sigillen. Nur eine kleine Willensanstrengung, und sie würde ihre Geheimnisse offenbaren...

Spoiler:

Ein elektromagnetisch-bläulicher Schimmer baute sich vor ihr und um sie herum auf. Sie hörte das Wispern von Radiosendungen, ein Lied, Nachrichten, sie sah sogar flackernde Fernsehbilder, die sich aus der Statik der Symbole herausschälten und wieder verschwanden. Besonders klar taten sich Mikes nächste Worte hervor - sie hörte sie zweimal, sowohl aus dem Hörer, als auch den glimmenden Signal-Zeichen, die sich um sie herum aufstaffelten.

"Hallo? Bist du noch da?"

Einige Momente war sie völlig im Bann der neuen Geräusche und Bilder um sich herum, wie ein Kind, das zum ersten Mal einen Film auf der großen Kinoleinwand sah. Ganz neue und trotzdem vertraute Eindrücke, eine ganz neue Welt, eine ganz eigene Welt, in der sie für einen Moment eintauchen konnte.
Mike riss sie, zum Teil, wieder aus dieser Welt heraus.

"Äh, was? Ja, Sorry, bin noch da." Sie brauchte einen Moment um sich auf seine Stimme, und deren Zeichen, zu konzentrieren. "Ich warte dann an der Absperrung, ok? Also South Seite und mach dir keinen Stress. Während ich warte kann ich mir ja überlegen wie ich mich bedanken kann. Vielleicht reibe ich dir sogar nicht rein, dass ich unser Rennen absolut gewonnen habe!"

"Pff! Ja, gewonnen wegen nem Erdrutsch oder so. Das zählt ja wohl nicht!"
Immerhin schien er sich soweit beruhigt zu haben, dass wieder ein Witz drin war.

"Ich mach mich auf den Weg. Geh nicht weg. Und schwimm auch nicht weg!"
Dann legte er auf, und sein Signal verschwand. Dafür blieben die ganzen anderen frei fließenden Sende-Symbole in ihrer Umgebung erhalten. Sie spürte, dass von ihr sowas wie ein unsichtbares, elektromagnetisches Feld ausging, das diese ganzen Transmissionen um sie bündelte und es ihr ermöglichte, sie instinktiv zu verstehen. Sie hatte auch das Gefühl, dass sie jederzeit einfach 'loslassen' könnte, um die schwirrenden Signale wieder in den Hintergrund zu entlasse.

Derweil verlangsamte sich die Fahrt, und durch strömenden Regen und heftig arbeitende Scheibenwischer konnte man mehr schlecht als recht die Straße vor ihnen erkennen - was davon übrig war, vielmehr.

"Uff", machte der Mann von den Stadtwerken.
"Das sieht ja... uff."

Die Flut umspülte ein paar Asphalttrümmer, die noch aus dem schäumenden Wasser ragten, wo eigentlich die Straße sein sollte. Ein verkohlter, noch leicht schwelender Baum lag vor der ins Meer gerutschten Passage auf der Straße.

Spoiler:

Die Wassermassen mussten hier ganz schön gewütet haben, um so einen Schaden anzurichten.

Grade wollte Vivien dem Fahrer sein Handy zurückgeben als auch ihr Blick auf die Überbleibsel der Straße fielen.
"Heilige Scheiße!", kommentierte sie den Anblick halb überrascht, halb bewundernd. Es war doch etwas anderes das Resultat ihres Rennens zu sehen.

Ok ich glaub der Baum liegt wegen mir da, aber der Rest...nicht meine Schuld!

Sie blinzelte einige Male, versuchte sich zu entspannen und all die Symbole und Zeichen um sich aus ihrem aktiven Sichtfeld zu schieben.
Dafür hatte sie noch genug Zeit wenn sie auf Mike warten musste.

"Ich konnte wen erreichen, der mich abholt. Hab versucht mich kurzzuhalten. Hier, ihr Handy."

Die mystischen Signale und Zeichen verschwanden und die Welt sah wieder so normal aus, wie sie es gewohnt war. Jedenfalls so normal, wie eine halb weggespülte und in Trümmern liegende Straße inmitten eines schweren Unwetters eben aussehen konnte.

Recht eilig nahm er das Handy an sich, den Blick wie gebannt auf das Bild der Verwüstung vor ihnen gerichtet.

"Ich muss jetzt ein paar Anrufe machen... wo wollen Sie denn warten? Hier oder bei ihrer Maschine?"
Indessen hatte er schon einen Eintrag in seinem Telefonbuch herausgesucht und angewählt.

Sie dachte kurz über seine Frage nach.

Ist zwar echt nass draußen, aber ein bisschen Regen hat mir bisher nie geschadet. Außerdem hab ich jetzt ein paar Dinge zu testen.

"Ich sammel wohl besser mein Bike ein, sonst verpasse ich noch meine Mitfahrgelegenheit." Mit diesen Worten überließ sie ihn seiner Arbeit und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem lädierten Gefährt und damit weiter zu der vorher genannten Absperrung.
Dort angekommen setzte sie sich auf den Boden, viel dreckiger konnte ihre Kleidung ja eh nicht werden, und versuchte sich wieder auf die magischen Zeichen zu konzentrieren.
Ob ich von hier hören kann mit wem auch immer er telefoniert?

Auch der Stadtwerkarbeiter stieg aus dem Wagen, um die verwüstete Straße zu inspizieren, wobei er sich sein Telefon ans Ohr hielt. Vivien entfernte sich etwas und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Bike. Sobald sie sich konzentrierte, wurden auch die mystischen Symbole wieder sichtbar, und sie konnte sich auch wieder mit einer kleinen Anstrengung die elektromagnetischen Transmissionen aus der Luft 'pflücken'.

So fand sie auch schnell die Stimme des Mannes wieder, der sie mitgenommen hatte, und der in ein aufgeregtes Gespräch mit einer Kollegin verwickelt war. Kaum verzerrt hörte sie das Gespräch, als wäre sie mit in der Leitung - und das, obwohl sie schon über ein Dutzend Meter entfernt war.

"...nein Carol, nicht beschädigt, die Straße ist weg! Wir brauchen eine dauerhafte Sperrung und müssen uns mit den Kollegen aus Frisco verständigen. Und ich brauche verdammt nochmal ein paar mehr Leute! Schick mir..."

Ein leichtes Lächeln huschte über Viviens Lippen
Zuhören geht also. Mal gucken was ich so verändern kann!

Aber bevor sie ihren Gedanken Taten folgen ließ, suchte sie sich eine neue Leitung aus.
Teils um ihre Reichweite zu testen, teils, weil sie dem Mann nicht potentiell in seinen Anruf pfuschen wollte.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie ihm, und noch einigen anderen, eh schon mehr als genug Arbeit für die nächste Zeit beschert hatte.

Hatte sie nicht vorhin irgendwo ein paar Fernsehbilder gesehen?
Ob ich wohl die Lautstärke oder den Kanal von hier ändern kann? Ich könnte ja ausnahmsweise mal klein anfangen

Sie forschte mit ihren neuen Sinnen in der Gegend herum und fand mehrere Radiosender und auch Fernsehen (wenn auch kein Kabelfernsehen). Die 'Zeichen' waren überall zu sehen, und es schien so, als ob diese bündelnde Kraft, die sie herbeigerufen hatte, es ihr ermöglichte, die rätselhaften Symbole von hoch- und niedrigfrequenten elektromagnetischen Impulsen zu deuten und die digitalen Wellenkaskaden wieder nach Bedarf in Bild und Ton umzuwandeln.

Für sie wirkte es, als ob sie sich ein Signal greifen und es einfach 'lesen' konnte. Da aber alles an Transmissionen hier in der Luft herumschwirrte und es kein Endgerät gab, an dem man an den mystischen Zeichen der Lautstärke oder des... Umschaltens, wenn man so wollte, herumspielen konnte, fiel das schonmal aus. Für weitere Experimente brauchte sie also entweder jemanden, der ein Endgerät benutzte, oder sie müsste an den freischwebenden Transmissionen herumspielen. Eine Wiederholungssendung des "Fox and Friends"-Frühstücksfernsehen bot sich gerade an, wo gerade ein erzkonservativer Terrorismusexperte davor warnte, den Bau von Moscheen in dicht besiedelten Gebieten zu genehmigen.

Kurz war sie frustriert, dass sie scheinbar nicht so viel Einfluss auf die Dinge um sie hatte, wie sie es sich wünschen würde, als das Signal der "Fox and Friends" Wiederholung an ihr 'vorbeiflog'.

Frühstücksfernsehen. Den Scheiß kann man eh in die Tonne treten.

Ohne weiter darüber nachzudenken, entschloss Vivien, dass es niemanden interessieren würde was dieser selbsternannte Experte zu sagen hatte und begann zu versuchen die Zeichen die er hinterließ aus dem Signal zu 'pflücken'.

Erneut spürte sie ihre eigene Macht, die in die Welt hinaus griff, in einen Bereich um sie herum, wo sich die Zeichen ihres Willens mit denen des Funksignals verbanden und sie veränderten. Der Experte verstummte tatsächlich! Allerdings, so musste sie zu ihrem Ärger feststellen, nur in diesem 'Bannkreis' um sie herum. Ihre eigene Energie schien eine Grenze zu haben, das Signal dieses nationalen Fernsehsenders war wesentlich weitläufiger und ging vermutlich von Dutzenden und Aberdutzenden Sendetürmen aus.

Sie war sich ziemlich sicher, dass wenn in ihrem Bannkreis ein Fernseher wäre, man auf diesem Gerät die Stimme des Experten nicht mehr hören könnte. Jenseits davon sah sie sein dummes Gerede leider immer noch in den Wellen-Zeichen ihrer neuen Sehfähigkeit. Gleichzeitig spürte sie aber auch wieder diese gewaltige Kraft in sich aufwallen, bereit aus ihr herauszubrechen. Konnte es sein? Musste sie diese Energie nur freilassen, um ihren Bannkreis größer zu zwingen? So groß, dass er bis zum Sendezentrum von Fox News reichen würde?

Spoiler:

Gerade war es Vivien gelungen den Experten, zumindest in ihrem Wirkungsbereich, verstummen zu lassen und sie überlegte noch was sie jetzt mit diesem Ergebnis anstellen wollte, als ihre eigenen Gedanken von einem kräftigen Niesen unterbrochen wurden.

Ok der Typ kann warten, erst muss ich was gegen das Scheißwetter machen!

Sie schauderte kurz unter dem Gefühl des kalten Regens der ihr über Nacken und Rücken lief.
Wenn sie vorher Feuer und Sturmböen kontrollieren konnte, dann sollte sie doch wohl dafür sorgen können, dass der Regen endlich aufhörte, oder wenigstens nachließ!

Spoiler:

Vivien blinzelte kurz nach oben in den mit Sturmwolken verhangenen Himmel.

Gewitter sind echt ätzend, wenn man nicht einfach durchfahren kann!

Sie atmete einmal tief durch und begann sich vorzustellen wie sie das Wetter verändern wollte,
wie der Regen und der peitschende Wind aufhörten um einer leichten Brise Platz zu machen.
Etwas Sonne konnte auch nicht schaden, nicht zu heiß, nur angenehm warm auf ihrer klatschnassen Haut.
Vielleicht konnte sie sich sogar einen plötzlichen Regenbogen aus dem Ärmel schütteln.

Vivien grinste als sie mit einem Schnipsen ihrer Finger die in ihr angestaute Kraft freiließ.
Sie hatte keine Ahnung ob das, was sie sich vorstellte auch so funktionieren würde, oder wie weitreichend die Veränderung sein wird,
aber egal was genau passierte, langweilig wird ihr mit dieser neuen Kraft fürs Erste wohl nicht werden.