Im Auge des Sturms (Vivien)

Vivien knirschte kurz mit den Zähnen, als sie auf die neu entstandene Schlucht zufuhr.
Verfluchter Cheater!
Der Abgrund war zu groß um ihn mit einem Sprung zu überwinden, selbst mit ihrer Geschwindigkeit, und Bremsen stand für sie außer Frage.
Aber wenn er Blitze und Wasser mit ein paar Worten kontrollieren konnte, dann konnte sie das auch.
Zeit die konventionellen Lösungsansätze hinter sich zu lassen.

Vivien streckte die Hand Richtung Meer aus.
Welle
Sie versuchte genug Wasser vor - aber vor allem unter- sich zu bewegen um eine improvisierte Straße daraus zu bilden.
Auf diese Weise, so hoffte sie zumindest, würde sie kaum an Geschwindigkeit verlieren.
Vielleicht wollte sie auch nur sehen ob es funktionierte.

Wieder reagierte die Welt auf das, was sie wollte. Der Wind heulte auf und schleuderte eine Welle in die Schlucht, in etwa, wie sie es sich vorgestellt hatte. Dabei bemerkte sie, dass sie den Wind und die Energie der Wasserbewegungen mit ihren magischen Zeichen beeinflussen konnte. Das Wasser an sich blieb aber schlüpfrig und außerhalb ihrer Kontrolle.

Energie was? Damit kann ich doch arbeiten!

Ein erneutes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab als ihr Plan, zumindest zum Großteil, aufging.
Sie hatte das Gefühl als könnte nichts sie mehr aufhalten.
Jetzt bin ich dran! Energie...Hitze ist im Grunde pure Energie, oder?

Sie versuchte auf einen Bereich im Weg des Goldenen zu zielen
Feuer

Flammen züngelten empor und ein Inferno breitete sich in einer wuchtigen Explosion auf der Straße vor ihrem Kontrahenten aus - dieser musste langsamer werden. Allerdings begann das Feuer schnell, im Regen zu zischen und von den heftigen Winden niedergedrückt zu werden. Und ohne Material, um sich auszubreiten, nur auf dem Asphalt der breiten Straße, würde es bald wieder verlöschen.

"Heilige Scheiße!"
So eine heftige Reaktion hatte sie weder erwartet, noch beabsichtigt.

Wenn das hier mein Traum, oder einfach nur eine Einbildung ist, wie kann dann etwas passieren, was ich so nicht wollte? Und ein goldener Biker? Sowas würde ich mir nicht ausdenken. Was zur Hölle ist hier los?

Vivien blickte sich kurz um. Wenn sie es schaffte ein paar der Bäume, die am Hang wuchsen, auf die noch brennende Strecke stürzen zu lassen, konnte das Feuer möglicherweise groß genug werden um den Goldenen aufzuhalten.

Sie hob die Hand neben die Bäume.
Blitz. Kraft.

Blitze schlugen mit lautem Donner ein - etwas, woran sie sich beinahe schon gewöhnt hatte - sofern man sich an die prasselnde Macht der mythischen Zeichen und der energetisch geladenen Namen, die sie in die Welt schickte, gewöhnen konnte.

Ein Baum wurde von den Blitzen regelrecht zerfetzt und brennende Splitter gingen auf die Straße nieder. Zwei weitere Exemplare wankten bedrohlich und stürzten dann die von Regen aufgeweichte Böschung hinunter und krachten in das Feuer, dass mit gierigen Fingern in die Kronen und an die Stämme griff. Der Goldene riss nun das Lenkrad herum und kam nach einem reifenquietschenden Seitenschwung vor der Feuerwand zum stehen, seine Maschine zum Meer in der Buch hin gewandt. Mit herausfordernd aufgerichteter Körperhaltung wendete er sich Vivian zu.

Komm doch, schien er sagen zu wollen, denn noch immer trennte ein Abgrund, aus dem in unregelmäßigen Abständen Wellen die Gicht nach oben treiben, die beiden.

Vivien hörte sich selbst ein fast schön wütendes Zischen ausstoßen.
Allmählich ging die herrausfordernd arrogante Art ihres Gegners ihr gehörig auf die Nerven.
Ihr Blick glitt kurz über die Wellen, die immer wieder für kurze Zeit die Schlucht vor ihr füllten.
Wenn ich es schaffe eine Welle richtig abzupassen...Wie schnell müsste ich sein um über Wasser fahren zu können?

Einfach nur schnell genug, entschied sie bevor sie einige Meter zurücksetzte.
Wird schon klappen, dachte sie noch bevor sie erneut Vollgas gab und je näher sie der Schlucht kam, desto weniger kam ihr diese Idee lebensmüde und im Grunde völlig wahnsinnig vor.

Kurz bevor sie den festen Boden unter sich verließ, hob sie noch einmal ihre Hand und versuchte mit Energie. Welle. und Rückenwind sich und ihr Motorrad auf die andere Seite der Schlucht zu bewegen.

Von einer Mischung aus emporschießenden Wassermassen, einem gewaltigen Windstoß und purer telekinetischer Kraft - die elementaren Mächte umschlossen sie wie eine Faust - wurde sie über die Schlucht geschleudert. Sie landete etwas unsanft und mit quietschenden Reifen, aber noch immer aufrecht.

Der Goldene senkte minimal das Haupt - war das sowas wie ein anerkennendes Nicken? - dann gab er Gas, die Reifen drehten durch und er schlingerte auf die Feuerwand zu. Mit herrischen Gesten band er die Flammen mit magischen Zeichen und sie wichen vor ihm zurück, sodass er durch eine Lücke in dem Inferno rasen konnte, die sich hinter ihm wieder schloss.

Kurz strich Vivien entschuldigend über den Lenker ihres Motorrads - beinahe als würde sie einen kleinen Hund streicheln, dem sie auf die Pfote getreten war.

Wenn das so weitergeht schuldet der Typ mir neue Reifen

Sie gab erneut Gas und ließ die Feuerwand vor sich mit den neu erlernten Zeichen und Worten  zur Seite weichen, gab sich allerdings nicht die Mühe sie wieder hinter sich zu schließen.

Das Adrenalin kribbelte durch ihren Körper und obwohl sie noch immer nicht wusste was genau hier los war, falls es überhaupt irgendeine Bedeutung hatte, fühlte sie sich seltsam wohl in dieser doch ungewohnten Situation.
Irgendwie...befreit.

Nun allem Anschein nach völlig von den sonst geltenden physikalischen Gesetzen entbunden flogen sie regelrecht auf der Straße dahin, Sturm und Berg und Bucht nur schemenhafte Umrisse, die im Rausch der Geschwindigkeit vorbeisausten.

Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter kam sie dem goldenen Motorrad näher, sodass sie schließlich selbst die Prägung auf dem Tankdeckel der Maschine erkannte. Ein Schlüssel, der ihren Blick mit hypnotischem Magnetismus anzog. Diese Prägung des Schlüssels war gleichermaßen der Schlüssel zum Sieg in diesem Rennen, das erkannte sie instinktiv, wusste es, wie sie wusste dass die Strahlen der Sonne Wärme brachten.

Sie fühlte sich fast wie eine Elster, die etwas wirklich unwiderstehlich glänzendes gefunden hatte, als sie wie gebannt den Schlüssel auf dem Tankdeckel des Goldenen anstarrte.
Und während ihr Kopf noch damit beschäftigt war krampfhaft zu versuchen sich daran zu erinnern wie diese kleptomanischen Viecher aus Harry Potter hießen - Und warum sie sich grade mir einem vergleichen wollte - streckte sich ihre Hand bereits wie von selbst der Schlüsselprägung entgegen.

Nur wenige Zentimeter trennten sie noch von der goldenen Oberfläche. Wenige Zentimeter, die wie ein unüberwindbarer Abstand wirkten. Sie musste wohl etwas nachhelfen.
Wenn sie dazu in der Lage war genug Kraft zu erzeugen um sich mitsamt ihrem Motorrad über eine Schlucht zu befördern, dann wohl auch genug um einen kleinen Tankdeckel dazu zu bewegen seinen Weg in ihre Hand zu finden.

Vivien streckte nun nicht mehr ihre Fingerspitzen nach der Prägung aus, sondern ihre geöffnete Handfläche, als würde sie versuchen es aufzufangen.

Kraft. Energie. Eines der Worte würde schon irgendwas bewirken

Sie sah, wie der Tankdeckel sich drehte, Zentimeter um Zentimeter verschoben wurde von der Kraft, die sie aussendete. Dann flog er ab und landete pfeilschnell - wie ein goldener Blitz - in ihrer Hand. Durch ihre Hand, ihren Arm, floss eine gewaltige Energie von diesem goldenen Schlüssel in ihren Körper, baute sich in ihr auf.

Aus dem Tank des goldenen Motorrads dagegen schossen Fontänen von gleißend-grellem Licht, mehrere Gaben, die wie irisierende Kaskaden begannen, in alle Himmelsrichtungen davonzuschießen. Der Motor der Maschine begann zu stottern und zu rasseln und der goldene Reiter fiel mit einem Mal hinter sie zurück.

Vivien aber spürte, wie die gewaltige Macht des Schlüssels, die in sie strömte, sich mit einer anderen Energie verband - einer Quelle von beinahe unerschöpflicher Kraft, die aus ihr selbst kam, ihrem tiefsten Innersten, ihrer Seele, wie auch immer sie es in diesem Moment der Euphorie nennen wollte. Etwas in ihr, das schon immer da gewesen war, und nur auf diesen Moment gewartet hatte, verquickte sich mit den Gewalten von Sturm und Feuer. Zusammen erreichte die Energie in ihrem Inneren nun eine Intensität, die jegliche Vorstellungen sprengte.

Sie hatte das Gefühl zu brennen, zu fliegen, zu explodieren und sich über alle Winkel des Universums zu zerstreuen. Sie musste den Überschuss an Energie irgendwie loswerden, sonst, das spürte sie in ihren Knochen, würde es sie zerreißen!

Pures Adrenalin strömte durch Viviens Körper als sie sah wie der Tankdeckel sich langsam, Stück für Stück, drehte. Adrenalin, das sich in ihr anstaute, sich in der Brust sammelte und nur auf den Moment wartete endlich herauszubrechen, das Gefühl von purer Spannung und dem Gefühl wahrlich am Leben zu sein.

Ein Gefühl das sich nur noch verstärkte als der Schlüssel sich endlich löste und in dieser Welle von unbekannter, unbeschreiblicher Energie und Macht durch sie schoss und sich mit etwas tief in ihr verband.

Einen kurzen Moment starrte Vivien auf ihre Finger, spürte diese ungeahnte Kraft in sich, bevor sie von der Rechten auf die linke Hand wechselte, diese zum Himmel emporstreckte und die überschüssige Energie durch ihren Körper, in ihre Fingerspitzen und durch sie wieder hinaus fleißen ließ, begleitet von einem Ausruf der puren Euphorie.

Sie wusste noch immer nicht genau was mit ihr geschah in diesem Moment, doch es fühlte sich irgendwie...richtig an

Sie wusste nach diesem Augenblick nicht mehr, was tatsächlich passiert war... ob sie von einem Blitz getroffen wurde, selbst einen Blitz in den Himmel geschossen hatte oder für einen Moment ein Blitz wurde. Sie erinnerte sich nur noch vage an den Bruchteil eines Bruchteils eines Augenblicks, in dem sich ihr Geist in die Unendlichkeit ausdehnte und sie das gesamte Universum mit all seinen hochkomplexen Zusammenhängen und Wechselwirkungen, Kräften und Gegenkräften, erfasste. Es war eine Komposition höchster Eleganz und energetischem Gleichgewicht.

Sie wusste auch nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, nachdem sie im Graben rechts neben der südlichen Küstenstraße wieder zu sich kam. Sie lag einige Meter neben ihrer leicht lädierten Maschine, deren Reifen schwelend im schweren Regen zischten. Es roch nach verbranntem Gummi und Meerluft, nach Ozon und Benzin. Immerhin fühlte sie sich unverletzt, geradezu elektrisiert. Dann fiel ihr Blick auf ihre Hand. Leicht erschrocken nahm sie die Brandwunde wahr, die komischerweise kein bisschen schmerzte. Es war ein Abdruck des Tankdeckels, sie konnte den Schlüssel und den kreisrunden Rand, der sich tiefrot in ihre Handfläche gebrannt hatte. Vom Tankdeckel selbst fehlte jede Spur.

Keuchend, nach Luft schnappend, fluchend, aber gleichzeitig lachend kam Vivien wieder zu sich. Sie nahm sich einen kurzen Moment Zeit sich nach Brüchen und Schürfwunden abzutasten, schließlich war das nicht das erste Mal, dass sie in einem Graben gelandet war, brach ihre oberflächliche Selbstuntersuchung jedoch abrupt ab als sie ihr lädiertes Motorrad bemerkte.

"Fuck!", verschaffte sie ihrem Ärger Platz "Verdammter...die Reifen waren grade neu!"
Sie wollte sich gerade erheben um ihr Bike genauer zu untersuchen als ihr Blick auf ihre rechte Handfläche und die neue Brandwunde in ihr fiel. Sie stutze einen Augenblick, blinzelte ein paar Mal, riss sich dann den, ohnehin mittlerweile unbrauchbaren, Lederhandschuh ab und starrte ihre Hand an.
Das glaubt mir Keiner. Absolut Niemand.

Sie atmete einmal tief durch. "In Ordnung.", murmelte sie zu sich selbst. "Ich bin nicht verrückt, wahrscheinlich nicht auf Drogen, der Scheiß ist wirklich passiert und ich muss irgendwie irgendwen finden, der weiß was Sache ist, aber erst" Sie erhob sich und steuerte auf ihr beschädigtes Fahrzeug zu "Wer zur Hölle ersetzt mir jetzt meine Reifen?!"

Ihre Selbstuntersuchung ergab, dass alles noch dran war. Tatsächlich hatte sie dafür, dass sie mehrere Meter von der Straße die Bresche hinunter in den Graben geflogen sein musste, kaum einen Kratzer. Dasselbe konnte man von ihrer Kluft nicht behaupten - die sah aus, als wäre sie durch ein Minenfeld in einen Schredder geschleift worden. Die Jacke hing in Fetzen, ihr Top darunter hatte Brandlöcher und Risse und starrte vor Dreck - die Hose ebenso.

Sie hatte gerade begonnen, den Schaden an ihrem Bike zu inspizieren, als sie über den Regen Motorengeräusche sah. Sie stutzte. Ja, sie sah das Geräusch, tausende kleine, ineinander verdrehte Muster, die wie feine Wellen durch den Regen drifteten. Je mehr sie sich darauf konzentrierte, umso deutlicher wurden diese kleinen Geräusch-Mandalas. Überall wo sie hinsah, waren jetzt mehr von diesen Mustern zu sehen. Gewaltig große, die immer wieder mit Blitzen am wolkenschweren Himmel aufleuchteten, lange Wogen, die auf den heftigen Windböen ritten. Das ganze war den mystischen Zeichen nicht unähnlich, die sie bei ihrem Wettkampf mit dem Goldenen gesehen hatte, bloß reagierten diese wohl irgendwie auf ihre Aufmerksamkeit - wenn sie sich auf sie konzentrierte, wurden sie deutlicher, wendete sie sich etwas anderem zu, verblassten sie und traten in den Hintergrund.

So jetzt auch das sichtbare Motorgeräusch... nein, das trat nicht in den Hintergrund, es verschwand völlig. Sie konnte nicht über die Böschung auf die Straße sehen, aber da musste gerade ein Auto gehalten haben. Ein hörbares - und sichtbares Türenknallen bestätigte den Gedanken. Dann sah sie einen etwas untersetzten Mann um die 40, der gerade dabei war, eine Regenjacke zuzuknöpfen, während er an die Böschung trat und mit besorgter Miene zu ihr herunter schaute.

"Sind Sie verletzt?", rief er, um Regen und fernes Donnergrollen zu übertönen.

Mit einer Mischung aus absoluter Verwirrung und unglaublicher Faszination beobachtete Vivien gebannt die Geräusche um sie herum und vergaß beinahe völlig in welcher Situation sie sich grade befand.
Ich hab zwar keine Ahnung was mit mir passiert ist, aber das ist ziemlich geil!

Die Ankunft des fremden Autos und der dazugehörigen Person erinnerten sie jedoch an ihre momentane Lage.

"Nein", rief sie zurück und setzte ihren Helm ab um etwas weniger laut rufen zu müssen. "Mir geht’s gut, aber mein Bike hats etwas erwischt."
Sie machte ein paar Schritte auf den Mann zu.
Er scheint nichts von dem ganzen Runen-Zeugs zu sehen. Also hat sich wirklich etwas in mir verändert?
"Haben Sie zufällig ein Handy dabei? Schätze ich müsste wen anrufen der mich abholen kann."

Der Mann schlug die Kapuze seiner robusten, gelben Regenjacke hoch.

"Ja, hab ich! Wenn Sie wollen, können sie kurz in meinem Wagen telefonieren. Ich muss nur leider gleich weiter, da vorne ist wohl ein Straßenschaden."
Er deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war und zog dann ein Telefon aus der Hosentasche. Vivien fielen sofort die wellenartigen Muster auf, die um das Handy herumwaberten und in regelmäßigen Pulsen pfeilschnell in alle Richtungen davonschossen.

Etwas unschlüssig hielt er ihr das Gerät entgegen. Sie musste nur die Böschung hochklettern, aber das war nicht allzu schwer. Dann sah sie auch sein Auto, ein Pick-Up, an dessen Seite man die Aufschrift "South San Francisco Public Works Dep." sehen konnte. Der Mann musste für die Stadtwerke arbeiten, die Ladefläche stand voller orange-weißer Absperrzäune, die eng an eng festgezurrt waren.

"Danke, das wär ne große Hilfe!" Vivien begann die Böschung zu erklimmen und sich dabei etwas mehr in ihrer Umgebung umzusehen, in der Hoffnung irgendetwas zu finden, das ihr verriet wo genau sie gestrandet war.

Sekunde. Ich kann das Handynetz sehen?
Allmählich kam sie sich so vor als sei sie in einem abstrusen Superhelden-Comic gelandet. Sie versuchte sich nichts von ihrer vermutlich immernoch leicht sichtbaren Verwirrung anmerken zu lassen.

"Äh, Straßenschaden?" Ihr Blick blieb kurz an den festgezurrten Absperrzäunen hängen, während sie das ihr entgegengestreckte Telefon entgegennahm "Wird das ne Komplettsperrung oder kommt man noch durch? Ich glaube ich muss genau in die Richtung zurück."

Sie konnte wegen des dichten Regens und den Sturmböen dem Verlauf der Küstenstraße nicht besonders weit folgen, weder vor, noch zurück. Sie schätzte, dass sie irgendwo zwischen San Francisco und South San Francisco war, aber sicher war sie sich nicht, das wenige, was man von der Umgebung sehen konnte, war die karge Böschung, ein paar geduckte Bäume in Richtung Landesinnere und die sturmgepeitschte Bucht.

Mit einem knappen Nicken überließ er ihr sein entsperrtes Smartphone, ein schlichtes Modell, und wendete sich seinem Wagen zu.
"Ja, jemand hat sich beschwert, dass man nicht mehr nach Frisco kommen würde über die Straße hier. Hab ein paar Meilen südlich schonmal provisorisch gesperrt und wollte mir gerade mal die Straße ansehen. Die Feuerwehr wär eigentlich hier, aber die haben wegen Sturmflutalarm andere Dinge zu tun."

Es war tatsächlich ziemlich stürmisch und unangenehm, unter freiem Himmel unterwegs zu sein. Immerhin könnte sie jetzt in den Pickup steigen, wenn sie das denn wollte. Der Stadtwerker steuerte jedenfalls schon auf die Fahrerseite zu.

Sie nickte kurz und folgte ihm zu seinem Wagen. Dort angekommen warf sie einen Blick auf die Uhr des Handys bevor sie Mikes Nummer wählte.
Wie lange war ich wohl ohnmächtig?

"Danke nochmal. Gibt genug die einfach vorbeigefahren wären.", bedankte Vivien sich noch einmal etwas nüchtern während sie darauf wartete, und hoffte, dass auf der anderen Seite abgenommen wurde.

"Kein Problem. Also bei dem Wetter kann man doch wohl niemanden einfach stehen lassen", brummte er gutmütig und schaltete das Automatikgetriebe in den D-Gang.

"Ich würde jetzt mal fahren um nachzusehen... ich kann Sie gern danach wieder hierherbringen, oder mitnehmen nach South. Wie Sie wollen."


Da hatte Mike auch schon abgehoben.
"Ja?!"
Er klang ziemlich aufgeregt.

Vivien wollte grade etwas erwidern als sie Mikes Stimme hörte.

"Hey, Mike! Alles klar bei dir? Der Sturm hat mir die Reifen zerlegt und ich sitze fest. Könntest du mich abholen oder muss ich irgendwo in South ne Werkstatt suchen?"

Die mystischen Zeichen des 'Handynetzes' vibrierten vor ihren Augen und umwirbelten das Telefon in ihrer Hand. Sie hatte das Gefühl, sie müsste nur den Arm heben und mit ihren Fingern ein bisschen an den elektronischen Stängen ziehen, dann könnte sie Mikes Stimme ebensogut direkt aus der Luft pflücken anstatt sie über den Hörer zu hören.

"Alles klar bei mir? Alles klar bei dir, ist wohl eher die Frage!", gab er besorgt zurück.

"Hier... die Straße ist weg! Ich hab dich vorhin hinter ner Kurve aus den Augen verloren, und plötzlich muss ich ne Vollbremsung machen, weil da voll der Abgrund ist. Hab versucht dich anzurufen und alles, hab mir schon Sorgen gemacht, dass du vielleicht abgestürzt bist..."

Vivien lachte leicht während sie fasziniert die Zeichen um sich beobachtete.

"Ne mir geht's gut, noch alles dran. Gut zu hören, dass du auch noch lebst! Sorry, dass du mich nicht erreichen konntest. Ich, äh, hab mein Handy im Winchesters vergessen."
Während sie noch redete hob sie ihre freie Hand mit einem fast unbezwingbaren Verlangen eine der seltsamen Runen zu berühren und einfach nur zu sehen was passierte und streckte die Finger nach den Zeichen aus.
"Ich sitze grade nur auf der anderen Seite fest sozusagen. Meinst du du kannst mich irgendwie abholen? Muss mir dann nur noch überlegen was ich mit meinem armen Bike mache..."