[Cassie] Elementare Prinzipien

Cassie ergriff perplex die ausgestreckte Hand und schüttelte sie.
"Hallo" , sagte sie und schaute dann unauffällig erst zu Tapio und dann zu Ukko.
Wer ist das ? Und warum haben die über mich geredet?

Sie schüttelten sich die Hände und irgendwas passierte. Ein kaum wahrnehmbarer Hauch Blütenstaub trieb um sie beide her.

Ukko und Tapio bewegten sich nicht mehr. Es war, als wären sie einfach wie bei einem Video, bei dem man auf Pause drückt, angehalten worden.
"Aion mein Name. Entschuldigen Sie den plötzlichen Überfall, aber ich nutze meine bescheidenen Kenntnisse der Zeitmagie in Gesprächen gerne, um mir und meinem Gegenüber Zeit zu verschaffen, in aller Ruhe, ohne Störungen und vor allem mit garantierter Privatsphäre alles Nötige zu besprechen."

Er deutete auf die Couches.
"Wollen wir uns setzen?"

Es dauerte etwas bis Cassie antwortete.
"Ehm ja.
Also sie haben jetzt die Zeit angehalten, richtig? Wie kann ich mir das vorstellen? Läuft die Zeit für uns weiter und für den Rest der Welt nicht ? Oder läuft die Zeit für die anderen normal und wir sind in einer Art Parallelzeit? Oder wie?
Oh und wie kommt es das sie mit mir alleine reden wollen?"

"Tatsächlich ist es eher so, dass wir in der Zeit stillstehen und zusätzliche Zeit benutzen, die mein Zauber uns verschafft. An und für sich kann man die Zeit nicht wirklich anhalten, sie steht nur ungern still -man muss sie ein bisschen austricksen."

Er lächelte leicht schelmisch.
"Aber an und für sich, aus einem bestimmten Blickwinkel läuft die Zeit für uns weiter und für den Rest der Welt nicht."

Langsam ging er zur Couch und ließ sich vorsichtig nieder.
"Ich nehme an, Ukko hat ein bisschen was dazu gesagt? Ich gehöre zum Orden der Silbernen Leiter und möchte einerseits über meine Organisation informieren und andererseits Ihnen ein wenig Starthilfe in Ihrem neuen Leben geben. Das ist auch schon eine wichtige Aufgabe der Silbernen Leiter. Wir Thearchen haben großes Interessa daran, dass Magier sinnvoll in einer Gesellschaft zusammenleben und -arbeiten."

Cassie war erstaunt.
"Ja ein bisschen hat Ukko mir schon erzählt."
Ein längere Pause entstand, in der Cassie überlegte.
"Was genmau meinen sie mit Starthilfe?"

"Nun, Sie werden sicher die eine oder andere Frage haben, die ich gerne zu beantworten versuchen werden. Und ich kann dabei helfen, Ihnen den Kontakt zu den anderen Orden zu vermitteln. Es ist üblich, dass neue Erwachte sich ein wenig umsehen und umhören und von verschiedenen Menschen verschiedene Perspektiven aufgezeigt bekommen. Sie sollen die Orden kennenlernen, aber die Orden auch Sie... damit Sie sich dann irgendwann in den nächsten Tagen und Wochen womöglich entscheiden können, sich einem der Orden anzuschließen."

Er lächelte freundlich.
"Nicht ganz ohne Hintergedanken möchte ich mit meinem eigenen Orden anfangen, der Silbernen Leiter. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass wir gut zu Ihnen passen."

Cassie legte ihren Kopf nachdenklich schief.
"Wieso denken sie, dass ausgerechnet die Silberne Leiter zu mir passen würde, beziehungsweise ich zu euch?"

"Sie sind jemand, der über den Tellerrand sieht. Jemand, der sich nicht nur um sich selbst kümmert, sondern auch Verantwortung für andere übernimmt und damit das Leben der Menschheit insgesamt ein klein wenig besser macht. Das ist es im Grunde auch, was die Silberne Leiter will. Wissen Sie, vor langer Zeit existierte eine gute, wenn nicht sogar perfekte Gesellschaft. In dieser Zeit Davor, wie wir sie nennen, gab es viele Probleme nicht, die uns heute plagen."

Er lächelte versonnen in sich hinein.

"Die Menschen mussten nicht hungern, denn unter zauberhaften Gesängen wuchsen reichliche Früchte selbst aus dem kargsten Boden. Kälte und schneidender Wind konnte uns nichts anhaben, denn die Weisen hoben Klausen und Türme aus Basalt und Marmor aus dem Erdreich, in denen die Menschen lebten. Die Bestien und Dämonen der Nacht brachen sich an magischen Bannkreisen aus Feuer und Licht - die Menschen waren sicher und zufrieden, denn die Reichtümer der Erde und des Himmels und der Meere standen ihnen offen. Magie war allgegenwärtig, ein Werkzeug und eine hohe Kunst zugleich, und die Praktizierenden vollbrachten Wunder, von denen selbst wir nur träumen können, mit Leichtigkeit. Die Welt war eins, die Menschheit war eins und die Weisen verkehrten selbst mit den Göttern. Es war ein Paradies, eine Utopie, diese mythische Zeit Davor. Wir wissen heute nur aus teils widersprüchlichen Zeugnissen von dieser Ära, denn sie endete... was glauben Sie, wie Sie endete?"

Mit einem etwas müden Lächeln sah er sie an.

"Wahrscheinlich durch den Neid Einzelner und dadurch entstand das pure Chaos?"
Sie schaute ihn leicht fragen an, nicht sicher ob er das so hören wollte.

Er nickte langsam.

"Durch Neid... ja, so kann man es durchaus betrachten. Die mächtigsten der alten Magier wurden neidisch auf die Götter selbst. Magie ist nichts anderes als eine Verbindung zum Höheren zu haben. Zum Himmel, zur idealen Welt, zu den Wahren Symbolen, zu den Göttern - wie immer man dieses Höhere Reich nennen will. Durch diese Verbindung zieht man Magie herunter und verändert damit die normalen Naturgesetze. Man erlangt sie, indem man eine Traumreise, eine Seelenwanderung in diese Höhere Welt unternimmt, was damals potentiell noch jeder konnte. Aber das war den Mächtigen nicht genug. In ihrer Gier und ihrem Hochmut wollten sie nicht nur die Magie nutzen, sie wollten den Ursprung, die Quelle der Magie, das Göttliche selbst kontrollieren - und so selbst gottgleiche Macht erlangen."

Aion hielt kurz inne, sein Blick driftete versonnen ab.
"Also bauten sie eine Leiter in den Himmel, ein mächtiges Artefakt, das Oben und Unten, das Hohe und das Niedrige verband. Und in Scharen begannen die Mächtigen, in das Höhere einzudringen. Das war weit mehr als die Seelenreisen, die bis dahin möglich waren. Die Mächtigen stiegen in ihrem ganzen Sein in das Höhere auf und stürzten die Götter. So standen sie kurz davor, völlige Kontrolle zu erlangen - denn wer das Höhere beherrscht, beherrscht die Wahrheit. Und wer die Wahrheit beherrscht, der entscheidet, was Realität ist und was nicht. Diese Mächtigen, die auch den letzten Winkel der Realität unter ihrer Kontrolle haben wollten, nennen wir die Exarchen - das heißt 'Herrscher von Außen' - weil sie außerhalb der Realität stehen, über die sie Herrschen. Aber nicht alle Magier in der Zeit Davor waren der Meinung, dass göttliche Macht in die Hände von Sterblichen gehört. Viele stellten sich den Exarchen entgegen. Es kam zu einem Krieg, einem Krieg über das Schicksal der Welt."

Aion lächelte sanft.
"Ich hoffe ich langweile Sie nicht mit den alten Geschichten?"

"Nein, nein gewiss nicht! Erzählen sie ruhig weiter."
Cassie setzte sich ein bisschen bequemer hin, da sie dachte dass noch eine längere Geschichte folgen würde.
"Wie lange ist es denn her, dass die Mächtigen die Götter stützten?"

"Das ist eine sehr gute Frage. Wir wissen es nicht genau... warum wir es nicht wissen, werden Sie nachher ein wenig besser verstehen."

Er nickte und räusperte sich.

"Irgendwann in dem Konflikt zwischen den Exarchen - den Mächtigen - und ihren Gegnern, die sicherlich auch mächtige Magier waren, kam es zur Katastrophe. Die Brücke zwischen Himmel und Erde, jene Celestische Leiter, wurde zerstört. Es war ein derartiger Akt der massiven Zerstörung an diesem Artefakt, das eine mächtige Verbindung zwischen dem Oben und dem Unten darstellte, dass der Kosmos selbst verwundet wurde. Zwischen dem Höheren und der Welt, die wir kennen, tat sich ein Abgrund auf, ein Un-Ort, ein realitätsfeindlicher Abszess voller giftiger, unmöglicher Wesen und den kargen Überbleibseln fehlgeborener Universen. Diese Antithese zu allem, was wir kennen, befand sich nun zwischen unserer Welt und dem Höheren Reich. Seitdem kann nicht mehr jeder, der die richtigen Rituale der Seelenreisen kennt, zu einem Erwachten werden - der Abgrund verhindert das. Und weil Magie aus der Höheren Welt kommt und durch den Abgrund zu uns fließen muss, haben wir Erwachte hier unten auch Probleme. Paradox: Wenn Sie einen Zauber wirken, der zu mächtig oder zu kompliziert ist, dann kann sich der Abgrund manifestieren und die Realität verzerren."

Ein bedauernder Ausruck hatte sich auf seine Miene geschlichen.
"Leider ist das nicht das einzige Problem. Die Exarchen waren nach dem Sturz der Celestischen Leiter in der Überzahl in den Höheren Reichen. Und wie ich ja sagte, wer das Höhere kontrolliert, kontrolliert die Wahrheit und dadurch die Realität. Die Exarchen gestalteten die Welt neu. Die Menschheit wurde mit Übeln aller Art versehen - Krieg, Fanatismus, schädliche Ideologien, Krankheit und einer Gesellschaft, die möglichst jede Form der Freiheit und Erleuchtung erstickt. Die Menschen sind nichts als Sklaven für die Exarchen, die nach ihren falschen Regeln in einer falschen Welt, einer Lügenwelt leben müssen. Sie sind die neuen Verräter-Götter der Lüge. Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass ihnen jemand ihre Macht streitig macht - deswegen die Versklavung. Und deswegen haben sie es bei der Neuordnung so arrangiert, dass die utopische Zeit Davor, von der ich anfangs sprach, rückwirkend nie existiert hat - damit niemand das Wissen erlangen kann, das nötig ist, um eine Celestische Leiter zu bauen und die Exarchen zu stürzen. Deswegen kennen wir nur einzelne Dinge aus einzelnen Splittern, Ruinen der Zeit Davor, die irgendwie die Säuberung der Realität überstanden haben. Deswegen wissen wir auch nicht mehr, wie lange es her ist, dass die Exarchen sich erhoben haben."

Er lehnte sich zurück.
"Weil das so ist... weil ein Abgrund zwischen uns und dem Höheren klafft, der den Exarchen in die Hände spielt, und weil die Mehrheit der Menschen eine Lüge leben, in der die höhere Wahrheit der Magie fehlt, sprechen wir davon, dass wir in der Gefallenen Welt leben."