[Cassie] Elementare Prinzipien

Sie träumte von pflanzenüberwucherten Räumen und einem sprichwörtlichen Großstadtdschungel, in dem die Natur das Land zurückeroberte. Von fliegenden Rauchschwaden, die grässliche Gesichter bildeten, von großen, schattenhaften Bestien, die am Rande ihres Gesichtsfeldes entlangpirschten, und die sie sich nicht anzusehen traute, aus Angst, verschlungen zu werden mit Haut und Haar.

Sie wachte mit einem Adrenalinstoß wachte sie auf und fand sich in einem fremden Bett wieder. Sie brauchte einen Moment, um ihre Gedanken zu orden und sich klar zu werden, dass sie im Gästebett dieses sogenannten 'Sanctums' war. Ukko reagierte nicht auf Klopfen an seine Tür, und in der Wohnung schien alles ruhig. Sie hörte dann aber leise Musik von unten her dringen. Nachdem sie alles erledigt hatte, was sie erledigen wollte, fand sie sich im Foyer unten ein.

Ukko saß auf einer Couch, eine Kaffeetasse in einer Hand, während er mit der anderen eine Tageszeitung auf der Sofalehne balancierte. Auf dem Tisch war ein üppiges Frühstück aufgebaut. Obst, Toast, Rührei. Kaffe und Orangensaft, selbst gepresst.

"Guten Morgen."
Der Obrimos sah von der Zeitung auf.

"Frühstück?"

"Klar gerne."
Sie schenkte sich Kaffee ein und setzte sich an den Tisch.
"Steht da irgendwas wichtiges drin?"
Sie deutete auf die Zeitung.

"Hmm... naja, das übliche. Irgendwelche angeblichen Ökoterroristen sind in ein Unternehmen drüben in Union City eingebrochen, und jetzt ermittelt die Steuerfahndung gegen das Unternehmen. Merkwürdige Geschichte... aber da haben wir eh keinen Einfluss drauf."

Er legte die Zeitung zusammen und anschließend beiseite.
"Ich hab Tapio eingeladen... ein Thyrsus aus meiner Kabale. Wird demnächst ankommen, dann kannst du die wirklich wichtigen Fragen stellen."

Cassie schluckte.
"Okay, das klingt gut.
Wird Tapio mein Mentor und muss ich etwas über Tapio wissen, damit ich mich nicht sofort komplett blamiere?"
Sie begann zu essen.

Ukko wirkte amüsiert.

"Tapio? Ein Mentor... nein, ich glaube dafür hat er keine Zeit. Und er ist selbst noch relativ jung. Er ist nur der Thyrsus, den ich am besten erreichen kann und der mir kleine Gefallen ohne Gegenleistung tut, weil wir in einer Kabale sind. Wir suchen dir schon noch einen richtigen Mentor, Tapio ist erstmal für die grundsätzlichen Dinge da, für die erste Orientierung."

"Achso okay. Ich freue mich."
Cassie häufte sich noch Rührei auf ihren Teller.

Sie frühstückten in Ruhe. Dann klingelte es. Ukko ging, um die Tür zu öffnen, und kam dann mit einer Person mit blonden, langen Haaren zurück. Die Person hatte sehr feine, androgyne Gesichtszüge, war schlank und trug ein einfaches T-Shirt, Jeans uns eine hellgraue Windjacke. Er lächelte Cassie feundlich an.

"Hey, hallo!"
Er hielt ihr eine Hand zur Begrüßung entgegen.

"Ich bin Tapio."

Cassie stand auf und ging zu ihm. Sie gab ihm ihre Hand.
"Hi, ich bin Cassie. Es freut mich dich kennenzulernen."
Sie musterte ihn genauer.

Abgesehen davon, dass man nicht so ganz klar sagen konnte, ob er männlich oder weiblich war, war sein Auftreten recht unscheinbar.

"Setzt euch doch. Frühstück, Tapio? Ich hole noch frischen Kaffee."
Ukko machte sich mit der Kaffeekanne auf den Weg.

Tapio setzte sich auf eine Couch.
"Gegen ein zweites Frühstück hätte ich nichts einzuwenden. So, und du bist also gerade erst erwacht. Und, wie findest du es bisher?"

"Ehmmm frag mich etwas einfacheres."
Cassie grinste verlegen.
"Noch weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Es ist interessant und ich bin wirklich fasziniert. Aber auch überfordert..."
Sie verstummte.

"Es ist recht viel, und alles stürzt auf einen ein."
Er nickte versonnen.

"Naja, aber du wirst mit der Zeit viel lernen, und dann wird alles etwas alltäglicher... aber es wird nie ganz alltäglich."
Etwas schelmisch zwinkerte er ihr zu.

"Aber ich hab gehört, du bist einem Geist begegnet?"

"Ja stimmt, es war nicht sehr angenehm. Ich wusste ja nicht Mal, dass so etwas existiert. Gibt es irgendwas, was ich jetzt wissen müsste, also sowas wie die Geister? Nicht das noch mehr solche Überraschungen kommen."
Zwischendurch nahm sie ein Bissen zu sich.

Tapio lächelte verschmitzt.

"Tja, es gibt eine ganze Menge Dinge, die man wissen muss. Und es gibt noch viel mehr Dinge, die noch keiner über die Geisterwelt weiß... es ist eine große, wilde Welt, genauso wie unsere und es ist noch lange nicht alles erforscht."

Er musterte sie mit schräggelegtem Kopf.
"Vielleicht reden wir über den Geist, den du gesehen hast? Nach dem, was Ukko mir erzählt hast, war das ein Geist der Unmäßigkeit oder der Trunksucht oder etwas ähnliches. Du musst verstehen, Geister entstehen aus den Dingen und Vorkommnissen unserer materiellen Welt. Der Geist, den du gesehen hast, wird bei irgendeinem Saufgelage entstanden sein, bei dem es hoch her ging. Denn alles, was wir tun, erzeugt Resonanz - Geisterenergie - und aus Resonanz können Geister Essenz, also ihre Nahrung ziehen. Ein Geist der Trunksucht braucht also Resonanz der Trunksucht, um zu überleben und zu wachsen. Und diese Resonanz entsteht nur, wenn Menschen trinken. Also ist es auch logisch, warum der Geist einen Menschen dazu bringt, zu trinken."

"Hmmm ja das ergibt Sinn. Das heißt ein Geist des Schmerzes würde Menschen dazu bringen sich oder andere zu verletzten, richtig? Gibt es auch positive Geister?"

Er nickte.
"Richtig, ein Geist des Schmerzes würde sich der Energie ernähren, die Menschen erzeugen, wenn sie Schmerzen haben. Er könnte sie dazu bringen, sich zu verletzen, oder andere. Er könnte aber auch chronische Schmerzpatienten heimsuchen."

Auf die zweite Frage hin legte er nachdenklich den Kopf schräg.
"Positiv... hm, ich nehme an, das ist eine Frage der Betrachtungsweise. Findest du Freude positiv? Es gibt Geister der Freude..."

Sie legte den Kopf schief und grinste.
"Hmm mir fällt gerade nichts ein, was gegen Freude spricht. Ukko meinte, dass sich jeder Thyrsus irgendwie spezialisiert oder so ... Worauf hast du dich spezialisiert?"

"Ja, an und für sich ist an Freude nichts schlimm. Aber wenn ein Geist jemanden zwingt, immer fröhlich zu sein, egal in welcher Situation... das stelle ich mir wie eine besonders schrecklichen Alptraum vor. Am Ende sind Geister eben immer ihrem Wesen entsprechend. Der Wind kann gut sein, wenn er dich erfrischt, und schrecklich, wenn er dein Haus verwüstet."

Dann schmunzelte er.
"Nicht nur Thyrsus spezialisieren sich. Alle Erwachte tun das irgendwann. Ich persönlich interessiere mich für Elementargeister. Geister des Windes, der Erde... Feuer und Wasser. Mächtige Geister, und manchmal ziemlich alt."

Spoiler:

So faszinierend Elementargeister auch sein mochten, irgendwie kaufte sie ihm die Faszination dafür nicht ab. Sie wirkte übertrieben... gespielt. Wollte er sie an der Nase herumführen?

Spoiler:

"Aha wieso glaube ich dir das nicht?"
Sie legte den Kopf schief und beobachtete ihn genau.
Was verheimlicht er mir?

Er wirkte kurz erstaunt,fing sich aber rasch wieder.

"Tja weißt du, ich interessiere mich nicht wirklich für Elementargeister. Ich fand die Frage nur zu persönlich, also dachte ich, ich erzähle dir was Spannendes, auch wenn es nicht wirklich stimmt."
Für Cassies Begriffe wirkte er nun recht aufrichtig.

"Okay danke.
Es tut mir leid, ich wollte nicht zu aufdringlich sein. Aber du hättest mir auch einfach sagen können, dass dir diese Frage zu persönlich ist. Unaufrichtigkeit mag ich nicht so gerne."

Er lächelte entschuldigend.

"Tja, da sind wir wohl unterschiedlicher Ansicht. Ich ziehe die kleine Notlüge, die dafür sozialverträglich ist, der plumpen Ehrlichkeit vor."

"Da hast du Recht... Aber naja... Ich habe schlechte Erfahrung mit dem Lügen gemacht.
Aber du hast es Recht es gibt Sachen die nicht jeder wissen sollte oder wissen muss..."
Cassies Blick fiel auf Ukko, dann sah sie aber wieder zu ihm.

Ukko war noch Kaffee holen, er kam gerade erst wieder mit einer neuen Kanne die Treppe herunter.

Tapio nickte.
"Das stimmt... naja, ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verunsichert, jetzt. Alle anderen Fragen beantworte ich gerne wahrheitsgemäß."

"Hmmm... Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll."
Cassie guckte verlegen.
"Also fange am besten beim Anfang an.
Was wird auf mich zukommen?
Was wird von mir erwarten?
Was kann ich alles?
Was für Orden gibt es und wo sind die Unterschiede?
Muss ich mich auch einer Gemeinschaft anschließen?
Sowas halt."