[Cassie] Schläft ein Lied in allen Dingen

Schließlich beruhigte sich der Widerstreit. Das Wesen hatte sich halten können und Cassies Energie waberte nur noch träge um den rauchigen Körper herum, ohne etwas weiteres auszurichten.

Cassie stöhnte frustriert auf.
Das kann doch nicht wahr sein.... Wozu hab ich denn sowas, warum kann ich das komische Zeug sehen, wenn ich doch eh nichts ausrichten kann...
Während sie sich Schweißperson von ihrer Stirn strich, dreht sie sich um und ging zur Bar. Sie schenkte zwei Gläser voll Wasser, das eine leerte sie in einem Zug. Dann brachte sie das zweite zu ihm.
"Bitte trink etwas Wasser! Sonst fühle ich mich gezwungen dir ein Taxi zu rufen. Du bist vollkommen betrunken und es ist noch nicht mal Mitternacht!"

Er schnaubte.

"Das 's ja wohl n schlechter Scherz!", pöbelte er.

"I bin zahlender Kunde! Lass mich doch hier nicht bevormunden von so ner Saftschubse! Weiter auffüllen, sonst red ich mal ein Wörtchen mit dem Manager hier!"

Das dargebotene Glas ignorierte er.

"Wenn du meinst..."
Sie hob ihre Schultern kapitulierend und ging wieder hinter die Bar, dort warteten schon einige Kunden auf sie.
Aber sie ließ ihn nicht aus den Augen und musste mit ansehen, wie er sich immer weiter Richtung Besinnungslosigkeit trank.

So kam es, wie es kommen musste, und um die 20 Minuten bevor auch Cassies Schicht zu Ende ging, lag er mit dem Kopf auf dem Tresen und schnarchte lautstark. Einige der anderen Kunden warfen ihm halb mitleidige, halb angeekelte Blicke zu.

Sie ging zu ihm hin und schüttelte seine Schulter.
"Aufwachen! Ich habe dir ein Taxi geholt...Jetzt geht's nach Hause."

Er war nicht wirklich ansprechbar und mümmelte nur irgendwas vor sich hin. Dummerweise hatte er auch noch nicht alle seine Drinks bezahlt...

Cassie ging zurück hinter die Theke und füllte dort ein Glas mit Eiswasser und zusätzliche noch paar Eiswürfeln.
Dann schreib sie seine Schulden auf seinen Deckel, da er Stammgast war, könnte er alles beim nächsten Mal zahlen.
Sie ging zurück und kippte ihm das eiskalte Wasser in den Nacken.

Zuerst regte er sich nur langsam.

"Mrghn...hm? HM?! AHHHHH!"
Um sich wedelnd bäumte er sich auf, fiel vom Barocker und krachte geräuschvoll auf den Boden, wo er wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelte.

"Verdammde Mistkacke...scheiß Scheiße... was?! Wassislos?!"
Orientierungslos schaute er sich um und sah in die mitleidigen Mienen der anderen Gäste, die auf ihn herabschauten.

Sie kniete sich neben ihn.
"Du musst nach Hause, dein Taxi wartet und es tut mir leid, aber ich habe dich nicht anders wach bekommen...du warst vollkommen weggetreten...", sagte sie, während sie die Eiswürfel vom Boden sammelte.

"Sau... Arschkuh!", blaffte er erbost und zog sich mühsam an der Theke hoch. Dann wankte er unter weiteren Beschimpfungen und Drohgebärden nach draußen, wobei er beinahe mit dem Garderobenständer kollidierte.

Abgesehen davon verlief der Rest von Cassies Schicht störungsfrei. Sie räumte noch etwas auf, zählte das Trinkgeld, das ihre Haupt-Einnahmequelle darstellte, und dann kam auch schon ihre Ablösung.

Jetzt war es halb 11 Uhr nachts.

Sie suchte die Adresse von Ukko heraus, um den besten Weg mit den Bahnen zu nehmen. Sie machte sich auf den Weg.

Es war fast 11, als sie schließlich wieder bei dem bunt bemalten Gebäude ankam. Diesmal wurde sie ohne fiel Federlesens eingelassen. In dem geräumigen Foyer hing nun der sanfte Dampf einer Wasserpfeife in der Luft, während Stimmen und leise klimpernde Ambiente-Musik die Geräuschkulisse bestimmten. Mehrere Personen, vom Aussehen her im Studenten- oder jungen Erwachsenenalter saßen auf den Sofas beziehungsweise standen in kleinen Grüppchen verteilt herum. Es wurde getrunken, geraucht und alle hatten offensichtlich eine gute Zeit.

Ukko kam von einer kleinen Gruppe weiter links zu Cassie, kurz nachdem sie eingetreten war.

"Hey... komm am besten mit."

Er führte sie durch das Foyer und sie gingen die Treppe hinauf, die hinten anschloss. Oben durchqierten sie einen kleinen Flur und eine Tür, die Ukko erst aufschließen musste. Hinter ihnen sperrte er wieder ab. Sie bogen rasch ab in sowas wie eine Lounge mit einer kleinen Kaffeeküche. Das ganze war kleiner als das Foyer unten, es gab eine alte, gemütliche Ledercouch mit Sessel und einen niedrigen Tisch. Auf der linken Seite war die kleine Küche mit einer Anrichte abgetrennt.

"Willst du was? Einen Kaffee? Oder ein Bier?"
Ukko ging zum Kühlschrank.

"Ehm ... ein Kaffee wäre ganz gut."
Cassie schaute sich die Einrichtung näher an.
"Und was ist da unten los?", fragte sie.

Er nickte und begann, einen Kaffee aufzusetzen.

"Das sind... sozusagen Schläfer, die für meinen Orden arbeiten, mehr oder weniger. Hin und wieder veranstalten wir dann so Abende, wo man sich austauscht und einfach nur ein bisschen eine schöne Zeit hat."
Ein Zwinkern.

"Muss auch mal sein, oder?"

"Ja stimmt schon.
Was machen die denn für dich?"
Cassie beobachtete wie die dunkle Brühe in die Kanne tröpfelte, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
Darf ich sowas überhaupt fragen? War das zu privat? Naja er hat gesagt, dass er mir alles beibringen will, zumindest das was er kann...

Er zuckte mit einem verschmitzen Lächeln mit den Schultern.

"Dies und das. Mein Orden hat eine Vision von einer besseren Welt, und um die zu schaffen, müssen wir mit Schläfern zusammenarbeiten. Zum Beispiel gegen solche Leute wie Ortega."

"Das klingt gut, aber wie wollt ihr das anstellen?",sagte Cassie mit einem skeptischem Gesichtsausdruck.

Er grinste.

"Das ist natürlich ein ziemliches Langzeitprojekt. Die Welt ist unfair... sogar grausam. Als Erwachte sind wir von sowas befreit, aber das ist meinem Orden - der Silbernen Leiter - nicht genug. Wir finden, dass Magie allen zusteht und das niemand mehr ein Opfer der miesen Umstände sein sollte. Damit das funktioniert, muss die Gesellschaft auf ganz vielen unterschiedlichen Ebenen verbessert werden."

Der Geruch von frischem Kaffee breitete sich in dem Raum aus.

"Was denkst du denn, ist das größte Problem der Menschen in dieser Stadt?"

"Hmmm"
Cassie überlegte.
"Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube es sind viele Probleme.
Ausbeutung, Raub, Morde... Aber alle beruhen auf der Tatsache das der Egoismus und die Gier eines Einzelnen oder auch vieler Einzelner unkontrolliert ist."

"Das sind alles gute Beispiele. Bei jedem muss man überlegen, was die Wurzel des Problems ist. Raub, beispielsweise."

Er holte zwei Tassen aus dem Wandhängeschrank über der Spüle.
"Warum passiert sowas? Doch weil Menschen einerseits so arm und verzweifelt sind, dass gewaltsames Ausrauben anderer für sie die letzte Möglichkeit ist, und andererseits, weil sie nicht die Bildung und Erziehung genossen haben, die das verhindern könnte. Beides hängt zusammen, und bei beidem kann man ansetzen."

"Und wie genau stellst du dir das vor? Was wollt ihr dagegen machen?"

Er goss Kaffee in zwei Tassen.

"Unter anderem leihe ich Leuten Geld, die fiesen Halsabschneidern Geld schulden. Dann können sie das abbezahlen und schulden nicht mehr fiesen Halsabschneidern Geld, sondern mir. Dann leben sie etwas beruhigter, haben aber immer noch Schulden. Also fördere ich sie entsprechend, damit sie die zurückzahlen können. Milch?"

"Leuten wir mir... ", murmelte Cassie beschämt und schaute nach unten. Sie räusperte sich und sprach lauter als zuvor:" Ja einen Schluck bitte."
"Danke noch Mal, also dass du uns das Geld geliehen hast. Ich weiß nicht was ich sonst tun würde.
Und ich habe mal ne Frage...
Vorhin als ich in der Bar war, war um den Kopf eines Kunden so ein komisches warberndes Gesicht, das ihn zum trinken brachte... Was war das?"