[Cassie] Schläft ein Lied in allen Dingen

Sie erreichten das Auto.
"Die haben uns wirklich Geld gegeben? Bargeld?!"

Etwas misstrauisch schaute er sie an.
"Und warum hab ich das Gefühl, du verschweigst mir irgendwas?"

"Ja, richtiges Bargeld... und nein ich verschweige dir nichts.
Nachdem ich denen alles erklärt habe, war alles in Ordnung.
Irgendwie gab es da  Missverständnisse."
Sie verdrehte die Augen.
" Außerdem weißt du doch, dass du  dich auf dein Bauchgefühl nicht verlassen kannst..."
Cassie boxte ihm gegen den Arm und lachte.
Oh man, wenn ich das nächste Mal bei Ukko bin, muss ich ihn fragen, was ich ihm am besten sagen kann...

Er nickte langsam.

"Naja... dann bin ich ja froh, dass das geklappt hat, trotz Missverständnis."
Sie stiegen in den kleinen Wagen.

"Dann fahre ich jetzt rasch zu Ortega, um das Geld abzugeben. Willst du mitkommen? Oder soll ich dich woanders absetzen?"

"Ich komme mit und auf dem Rückweg kannst du mich gerne noch zur Bar bringen, vielleicht kann ich meinen Boss noch etwas beruhigen."
Cassie lächelte ihren Bruder leicht an.

"Alles klar."

Das Geld abzugeben war erstaunlich einfach. Sie mussten gar nicht bei Ortega selbst vorstellig werden (und durften ihn auch nicht beim Essen stören). Einer seiner Schläger nahm das Geld mit finsterer Miene entgegen und schickte sie dann wieder weg.

Also kamen sie schließlich bei der Bar und damit Cassies Arbeitsplatz an. Thomas murmelte dann irgendwas von Dingen, um die er sich noch kümmern musste und verabschiedete sich.

Cassie öffnete die Tür, laute Musik drang ihr entgegen.
Sie ging hinter die Theke, dort stand ihr Boss.
"Hey, jetzt bin ich hier. Es tut mir wirklich leid, aber es gab wieder Probleme mit Thommy... Jetzt bin ich hier, also wenn du noch los willst..."

Die Bar war noch nicht sehr voll, trotzdem hatte der Boss schon ziemlich schlechte Laune, das sah man an der verdrießlichen Miene, mit der er ihr entgegensah.

"Wird aber auch höchste Zeit! Noch so ne Aktion und du bist gefeuert."
Er warf ihr den Lappen zu, mit dem er gerade die Theke gewischt hatte und drehte sich um, um zu gehen.

Cassie wischte die Bar ab und schenkte paar Biere ein.
Oh man, er weiß doch was mit Thommy los ist, besser gesagt war... Warum stellt er sich jetzt so an..
Wann ich wohl wieder mit Ukko rede? Hmm

Aus dem Augenwinkel sah sie einen Stammgast, der wirklich oft hier war. Heute war er allerdings besonders früh... und besonders betrunken, wenn man seine wachlige Haltung auf dem Barhocker und den leicht weggedrifteten Blick betrachtete. Ihre Aufmerksamkeit wurde geweckt, als feiner Glühstaub um ihn herwehte. Er hob sein leeres Glas.

"Noch eins, bidde", bestellte er leicht lallend.

Cassie nahm das Glas entgegen.
"Was hälst du von Wasser?
Ist alles okay?"
Sonst ist er nicht so drauf...und verträgt auch mehr...

"Wasser?!", krähte er empört.

"Noch nen Scotch, nen doppelten!"

Sie schenkte ihm ein was er verlangte, verzog dabei aber missbilligend das Gesicht
"Meinst du nicht es reicht langsam? Ich kenne dich ... sonst bist du nicht so... ist irgendetwas passiert?"
Sie guckte wieder diesen Staub an.
Hmmm wieso sehe ich Magie? So hatte Ukko es ja erklärt... oder nicht? Hatte man an ihm gezaubert?
Das war doch abwegig...

Er stürzte das Getränk mit einem Mal runter und knallte das Glas wieder auf den Tresen.

"Weniger redn, mehr nachgießn. Noch ein!", dröhnte er lallend.

Sowie sie sich auf den Staub konzentrierte, wechselte ihre Perspektive wieder in die Sicht der lebendigen Welt. Er lebte eindeutig, aber irgendwas klebte noch an ihm. Es war so eine Art Energie, die trübe-milchig um ihn herumwaberte. Als Cassie diese beobachtete, konnte sie nachspüren, was diese Kraft ausmachte - einen brennenden Durst und das Verlangen nach Besinnungslosigkeit. Ein bisschen erinnerte sie das Ganze an das schleimige Monster, das in ihrem Bruder gesteckt hatte.

Spoiler:

Was ist mit ihm? Komisch...
Sie sah genauer hin, das alles war ihr nicht geheuer.

Sie konzentrierte sich noch mehr.

Je mehr sie sich auf die Energie konzentrierte, umso mehr Details begann sie zu sehen. Sie drang durch Schichten der trüben Rauchschleier um ihn herum, die unter ihrem Blick noch deutlicher wurden und heranwuchsen. Aber sie war noch nicht am Kern des Ganzen angekommen - allerdings bemerkte sie jetzt eine weitere Substanz - dünne, violette Aurastreifen, die von ihr selbst kamen, und sich mit den gräulichen Schlieren um den Mann verbanden. Ein geisterhaftes Blütenblatt trieb mit dahin.

Spoiler:

Das ergab nicht wirklich einen Sinn...
Cassie konzentrierte sich weiter, sie wollte unbedingt erfahren, was anders war, als sonst.

Spoiler:

Die violette Energie von ihr selbst schwappte plötzlich in größeren Mengen auf den Mann herüber. Die geisterhaften Blumen, die sie schon öfter gesehen hatte - sie mussten irgendwie zu Cassie selbst gehören - wuchsen mit einem Mal auch auf und um den Mann herum und versperrten ihr die Sicht auf das, was sie eigentlich sehen wollte. Es kostete sie einige Mühe und Aufmerksamkeit, durch diese neue spektrale Schicht hindurchzusehen.

Dann sah sie es: Vor ihren Augen gerann die milchig-trübe Substanz, die sie die ganze Zeit bei ihm gesehen hatte zu einem rauchigen, vage menschlichem Gesicht, das knapp neben dem Kopf des Mannes schwebte und mit mehreren qualmigen Fortsätzen mit seinem Körper verbunden war. Unerlässlich flüsterte dieses Gesicht etwas ins Ohr des Mannes. Als Cassie genau hinhörte, konnte sie einige Wortfetzen aus dem Gewisper aufschnappen.

"... mehr.... mehr... du musst mehr trinken... du verdienst mehr... du verdienst nicht mehr denken zu müssen... nicht fühlen zu müssen... du musst nur mehr trinken, dann ... bekommst du, wonach du dich sehnst... Stille... Geborgenheit... trinken... mehr... Vergessen..."



"WAS GLOTZT DU SO!", riss der Stammgast sie unsanft aus ihren Beobachtungen.
"ICH WILL JETZT WAS TRINKEN VERDAMMT!"

Spoiler:

Cassie erschrak und sie wich ein Schritt zurück, drehte sich um und kam mit einem doppelten Scotch wieder.
Sie beugte sich runter, stellte das Glas hin und legte ihm die Hand freundschaftlich auf die Schulter, sodass ihre Fingerspitzen seinen Nacken berührten. Vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich vor, wie sie das Gesicht vertrieb und gleichzeitig stellte sie sich vor wie ihre ,nur so vor Lebendskraft sprießende Energie ihren Gast einhüllte und beruhigend auf ihn einredete "Es ist genug, du brauchst nicht mehr , schlaf lässt dich vergessen, lass es sein ..... Es bringt dir nichts... Höre auf ... Geh nach Hause ... und schlaf ....morgen ist die Welt schon viel besser.."

Sie spürte, wie ihre neue Macht auf ihre Vorstellungen reagierte, allerdings überforderte sie sich selbst, die zwei Bilder in ihrem Kopf - das eine, das das Gesicht vertrieb und das andere, in der ihre Lebenskraft den Mann schläfrig machen sollte - lagen im Widerstreit miteinander. Sie konnte sich nicht auf beides gleichermaßen so viel konzentrieren, dass es sozusagen 'real' wurde.

Spoiler:

Cassie schüttelte den Kopf, um ihr Gedanken zu sortieren.
Wieso klappt das nicht? Vielleicht .... Bin ich nicht stark genug... Die Verwirrung bereitete ihr Kopfschmerzen, so dass sie sich nur darauf konzentrieren konnte, sich vorzustellen, wie das graue Gesicht verblasste und dann ganz verschwand.

Ihre neue Macht reagierte prompt und floss in einer kräftigen Woge wie eine Flutwelle von Cassie auf das schemenhafte Gesicht, dass erbost zischte - seine spektrale Raucharme zogen sich enger um den Mann, um von der Flut aus Energie, die von Cassie ausging, nicht davongeschwemmt wurde. Sie spürte den Konflikt - ihr Wille prallte auf den Willen dieses Wesens, das erbittert versuchte, an seinem Wirt festzuhalten.

Dann spürte sie eine eiskalte Hand, die sich von hinten um ihren Nacken schloss. Sie musste unwillkürlich japsen, doch als sie hinfasste, war da nichts. Die Kälte breitete sich in ihr aus und Floss in ihre Energieflut, die rapide abkühlte. Cassie spürte, dass sie keinerlei Kontrolle mehr über ihre eigene Macht hatte, die eben noch so hervorragend ihrem Willen gehorcht hatte.

Spoiler: