Couchsurfing (Eldritch)

Er nahm seine Brille ab und putzte sie mit langsamen, routinierten Bewegungen. Es hatte etwas meditatives.

"Also... sich um seine Familie zu sorgen, daran kann man nun wirklich nichts Verwerfliches finden. Und du hast ja gerade gesagt, dass du im Notfall noch Rettungsmissionen mitmachst. Sicher, in Krisen braucht es Polizisten und Soldaten. Aber es braucht auch Feuerwehrleute und Sanitäter. Weißt du? Leute, die in der zweiten Reihe stehen, aber trotzdem unverzichtbar sind."

Und deshalb gab ihm Thunderstruck das Gefühl, nicht nutzlos zu sein. Kurz lächelte Eldridge.

"Und diese Bande läuft immer noch frei rum!" sagte er aber dennoch. "Ich geh zu Merryweathers."

Sein Gegenüber nickte.

"Ja, mach das mal. Da kannst du sicher irgendwas tun."

"Keine Ahnung... Die brauchen da richtige Ermittler. Nicht nen dahergelaufenen Schläger."

Auch wenn ihm das selbst nicht all zu bewusst war: Er steckte in einer Depression. Schnelle Wutausbrüche, Selbstzweifel, die ständige Frage ob nicht er hätte sterben sollen...

Er zuckte mit den Schultern.
"Die suchen jemanden, der zupacken kann."

Dann klopfte er sich auf die Schenkel und erhob sich.
"So! Ich geh mal wieder ans Werk. Mal sehen, wie viel Output ich jetzt aus dem Generator kriege..."

Eldritch nickte überzeugt, schnappte sich kurzerhand seine Schlüssel und stieg in seinen ramponierten Truck.

Auf dem Weg gab er Merryweather bescheid, dass er auf dem Weg zu ihm sei.

Der Strategos bestätigte einsilbig und legte dann auf.

Merryweather operierte aus einer Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt, die sich auf Grabmale spezialisiert hatte. Trenton Memorials hieß das kleine Unternehmen, das sehr weit im Süden der Stadt lag, im Stadtteil Crocker-Amazon. Dort konnte man etwas größere Grundstücke tatsächlich gerade noch so bezahlen, und der Platz wurde hier gebraucht. Das Gelände war von einem hohen Zaun umgeben. Um die Werkstatt herum war so eine Art künstlicher Friedhof angelegt, auf dem die Grabmale ausgestellt waren. Wenn der Wind durch die ordentlich geschnittenen Hecken und die Blätter der Buche im Zentrum wehte, hörte man ein Säuseln, beinahe wie Flüstern. Beinahe jeder Besucher war innerhalb kürzester Zeit von einer nachdenklichen und leicht bedrückten Stimmung heimgesucht.

Auf einer Bank vor dem Eingang zur Werkstatt saß Merryweather und blickte mit grimmiger Miene über sein Reich und Eldritch entgegen, als dieser über den Kiesweg auf ihn zukam. Für einen Moment sah es so aus, als würde er mit jemandem sprechen... aber da war niemand.

"Hallo", grüßte er Eldritch und erhob sich von der Bank.
"Komm."
Er ging voran in die Werkstatt.

Von der Stimmung gerührt, hob er vom weiten nur die Hand. Redet der mit Geistern, oder spinnt der neuerdings?

"Hey." grüßte er, als er bei ihm angekommen war und folgte ihm.

Sie gingen ein Stück durch die Werkstatt, wo diverse unfertige Werke in Arbeitsnischen harrten. Eldritch sah zwei Männer, die an einem besonders imposanten Grabstein arbeiteten. Mitten im Raum stand eine große Statue aus grauem Stein, die aus leeren Augen auf sie herabblickte. Sie stellte sowas wie einen in Lumpen gekleideten Sensenmann dar.

Daran vorbei gingen sie in einen Bürobereich, wo Merryweather eine Tür öffnete - war die gerade schon da? - und Eldritch hindurchwinkte. Ein großer, fensterloser Raum lag dahinter, an der Decke waren Neonleuchten. In der Mitte war ein langer Tisch, an den Wänden Regale mit Aktenmappen.

"Die Angreifer haben kaum Spuren hinterlassen. Sympathien wurden gekappt, Nimbusreste weggebrannt. Irgendwie wurde auch die Vergangenheit des Schläfers manipuliert. Die gewöhnlichen arkanen Ermittlungsstrategien funktionieren nicht."

Edlritch nickte.

"Ich hatte ja damals schon zu Protokoll gegeben, wie alle unsere Zauber versagten..."

Der Strategos bot ihm mit einer knappen Geste einen Platz am Tisch an, während er sich selbst im 90-Grad-Winkel danebensetzte.

"Man kann davon ausgehen, dass er mit Schutzzaubern beladen war, um zu verhindern, dass seine Mission durch Magie gestört wird."

Er setzte sich hin, ohne ein Wort zu erwidern... Für einen Tag hatte er schon zu viel über den Vorfall gesprochen...

"Wir müssen das Umfeld von dem Schläfer auseinandernehmen, bis wir einen Hinweis finden, wer dahinter steckt."
Merryweather sah ihn nun direkt an.

"Das bedeutet einiges an Arbeit."

Eldritch nickte.

"Ich verstehe, dass das getan werden muss. Und ich bin hier, weil ich helfen will... Aber ich weiß nicht, ob ich dazu der richtige Mann bin. Ich bin kein Detektiv, ich bin Malocher."

"Ich brauche auch keinen Detektiv. Ich brauche jemanden, der keine Angst hat, sich die Hände dreckig zu machen."

Er schob eine Mappe zu Eldritch. Darin sah er diverse Dokumente, unter anderem einen Haftbefehl, Gerichtsakten und ein Polizeifoto von dem Mann, das unschöne Erinnerungen hervorrief. Daley Keefe war sein Name.
"Der Typ war ein Ex-Knacki. Saß wegen schwerer Körperverletzung. Er hatte mit ein paar rauen Gesellen zu tun."

Eldritch schluckte kurz bei dem Anblick des Typen.

Mit finsterem Blick nickte er.

"Das kann ich erledigen."

"Hast du jetzt noch was vor?"
Der Moros schaute ihn fragend an.

"Ich habe bis sechzehn Uhr Zeit." erwiderte er und sah dabei auf die Uhr.

Es war 14 Uhr.

Merryweather erhob sich.
"Dann vertrödeln wir besser keine Zeit."

Von Tatendrang gepackt, erhob er sich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck.

"Nehmen wir deinen, oder meinen Wagen?"

"Beide. Du must danach zur Schicht. Ich woanders hin", gab er zurück und sie machten sich auf den Rückweg durch die Werkstatt.

Bei den Autos angekommen stieg Merryweather in einen unauffälligen, dunkelblauen Mercedes und fuhr voran. Sie waren sicher eine halbe Stunde unterwegs und befanden sich dann in einer guten Wohngegend in Inner Richmond, wo der Strategos vor einem hübschen Stadthaus parkte und ausstieg. Er vergewissterte sich mittels eines Notizzettels, ob das hier die richtige Adresse war. Es war ein sehr opulentes Haus mit einem verwilderten Garten. Sollte nochmal jemand sagen, als Ex-Knacki könne man es nicht zu was bringen.

Gemeinsam gingen sie Einfahrt hinauf, in der ein altes, etwas verbeultes Auto stand. Der Strategos blieb neben diesem Wagen stehen und betrachtete ihn eingehend.
"Der passt nicht zu diesem Haus. Außerdem wurde Keefes Sportwagen nahe unseres Versammlungsortes sichergestellt."

"Was hatte Keefes jetzt genau mit dem..." Edlritch verzog das Gesicht. "... mit dem Opfer zu schaffen?" wollte er von Merryweather wissen.

Währenddessen bereitete er schon einmal einen Zauber vor. Das Problem mit dem Foltern war, dass die Leute einem sagten, was man hören wollte - aber wenn man wusste, was wahr und falsch war, war es gar nicht so übel, irgendwem eins vor das Fressbrett zu geben.

Er tippte auf seine spiegelnde Digitaluhr, sah sich dadurch ins Gesicht.

"Goldene Augen durchschauen Falschheit, deuten Wahrheit an" sprach er in der hohen Sprache. Währenddessen stellte er sich die Engelsgestalt mit den goldenen Augen vor, griff sich ihre und pflanzte sie sich selbst ein.

Sein Nimbus wurde für Merryweather sichtbar: Durchscheinende Engelsflügel, die scheinbar alle möglichen nicht materiellen Partikel um sich herum magnetisch anzogen und als einen flügelförmigen Wirbel ballte. Ab und an flogen Teile der Partikel (Licht, Blätter, Staub, Feuer, Schrauben, ...) wie Federn von den Flügeln herab.

Jetzt gerade lagen sie um seinen Rumpf und spannten sich auf, ehe sie wieder verschwanden.

"Ich durchschaue jetzt Unwahrheiten... Nur zur Klarstellung."

Spoiler:

"Mit welchem Opfer?", fragte Merryweather abgelenkt und sein Blick wechselte zwischen Auto und der Haustür.

"Ich glaube da ist jemand in dem Haus."

"Der verzauberte Schläfer, der sich in die Luft gesprengt hatte..."

Eldritch sah erneut in die spiegelnde Oberfläche seiner Digitaluhr, hielt sie kurz an sein Ohr, als würde er ihr nicht vorhandenes Ticken belauschen.

Dann ging er eine tiefe Kniebeuge, und klopfte sich ein paar Mal mit den flachen Händen auf die Seiten seines Kopfes... So wie ein Footballspieler sich auf den Helm schlug, um sich zu konzentrieren.

"Eagles. Go!." nutze er die hohe Sprache um sich einen erdachten Spielzug zuzusprechen... Und das war auch sein Imago: Eine Engelsgestalt, die hoch über den Dingen schwebte und ihre Beute meilenweit aufspüren konnte.

Kurze Zeit später könnte er Merryweather bestätigen, ob da jemand im Haus wäre, oder nicht.

Merryweather sah ihn von der Seite an.

"Daley Keefe ist der Schläfer, der sich in die Luft gesprengt hat. Er saß ein... und hat es danach irgendwie geschafft, sich dieses Luxushaus zu leisten."
Er deutete zum Haus.

"Das ist das Verdächtige an der Sache."

Spoiler: