Couchsurfing (Eldritch)

Als er behauptete, er deale nicht mehr, verschwand erneut ein Schein aus der Hand. Jetzt waren es nur noch sechzig Dollar. "Das kannst du deiner Mama erzählen. Aber wie hieß denn dieser Nachtclub?"

...

"Na geht doch Kumpel..." Eldritch sah ihn einen Moment lang stirnrunzelnd an. "Hier noch so eine Kontrollfrage: Wie heißt du?" wollte er wissen, wartete die Antwort aber kaum ab.

"Hat er dir das also im Suff erzählt ja? Hat er auch geprahlt, welcher Politiker das war? Irgendwelche Andeutungen? Nen Republikaner? Amtsträger oder so?" stocherte er etwas nach.

Mittlerweile müssten sie auch so langsam bei dem Bahnhof ankommen.

"Der Nachtclub war das Rome in Downtown."
Wahr.

"Ich? Benjamin Lindman."
Wahr.

Sie standen nun vor den Schließfächern, die sich neben einem Ticket- und Infoschalter im inneren eines kleinen Einkaufzentrums am Busbahnhof den Flur entlangzogen.
"Ich weiß es nicht genau, aber irgendein Amt muss er ja gehabt haben, sonst lohnt sich Erpressung ja nicht."

"Welches war es?" wollte Eldritch nun wissen.

"Das weiß ich doch nicht!"
Wahr.
Er deutete auf einen groben Bereich nahe des Eingangs.
"Irgendwo da so."
Wahr.

Eldritch verzog missbilligend die Mundwinkel.

"Hast du mir noch irgendwas Nützliches zu sagen, über Reefes Geschäfte oder Kontakte? Ne Lieblingshure? Hat er immer beim selben Pimp bestellt?"

"Er hat keine billigen Hafennutten oder sowas bestellt. Das war ein Escort-Service. Delight Escorts oder so."
Wahr.

"Ich hab doch schon viel Nützliches gesagt, glaub ich. Reefe hat über seine Geschäfte eher dicht gehalten. Das sind auch Sachen, die man nicht an die große Glocke hängt."
Auch wahr.

"Hast du jetzt noch was zu sagen, oder nicht?" fragte er den Kleinganoven mit Zornesfalten auf der Stirn.

Spoiler:

"Nein!"
Undeutbar.

"Kann ich jetzt gehen?"
Er ging schonmal einen Schritt nach hinten weg.

"Klar kannst du." erwiderte er, zog aber noch das Bündel Scheine - Immerhin noch sechzig Dollar.

"Also... Es ist auch in deinem Interesse dass du hiervon niemanden erzählst, klar?" fragte er den Dealer. "Sonst verkloppe nicht nur ich dich, sondern auch die Freunde von Reefe."

Damit reichte er ihm das Geld, hielt es aber noch fest wenn er danach griff.

"Hab ich dein Wort drauf?"

Er lachte leise.
"Reefe hat keine Freunde. Und wenn, hätten sie die Prügel sicher verdient."
Wahr.

Seine Hand griff nach dem Geld.
"Ey... ich bin nicht doof. Ich werd sicher nix rumtratschen."
Wahr.

Ich meinte, dass die dich dann verprügeln. Aber mir auch wumpe.

Er ließ die Scheine los.

"Such dir besser 'ne neue Bude." riet er ihm.

Vor den Schließfächern stand er einen Moment noch grüblerisch, dann sah er auf seine Uhr.

Er steckte die Scheine ein und ging eilig davon. In etwa einer halben Stunde sollte er sich auf den Weg machen. Ein bisschen Pech mit dem Verkehr sollte man in Frisco schon einplanen.

Achselzuckend rief er Merryweather an.

Er hatte keine Möglichkeiten, das richtige Postfach aufzubrechen. Und hatte auch keine Lust alle aufzubrechen und dann von der Polizei von seiner Schicht abgehalten zu werden.

Da brauchte es jemanden mit viel Glück. Und das war er nicht.

Trotzdem begann er einmal die Schließfächer nach magischen Reflexionen zu durchleuchten.

Er fand keinerlei magische Spuren bei den Schließfächern.

Merryweather meldete sich zügig.
"Ja?"

"Hey. Lief soweit alles glatt. Ich erzähl dir später mal alles in Ruhe. Wichtig is' dass ich jetzt hier am Busbahnhof an der Vierundsiebzigsten vor nem Haufen Postkästen stehe. Einer davon gehörte diesem Reefes. Angeblich n' Erpresser. Hat darüber wohl mit seinen Bossen geredet." fasste er zusammen.

"Tja. Hier muss wer anders übernehmen, kann ja nicht zwanzig Postfächer aufbrechen und durchsuchen."

"Ein toter Briefkasten... warte kurz."
Der Anruf wurde gehalten. Vielleicht drei Minuten später - Eldritch hatte sich indessen etwas die Kundschaft angesehen, die das Zentrum zwar nicht überrannte, aber doch zahlreich vorhanden war.

Dann war Merryweather wieder dran.
"Fach Nummer 27. Schau mal, ob du das aufkriegst. Sonst gehe ich da nachher nochmal vorbei."

"Müsste so 'nen elektronisches sein, Sekunde."

Er zog irgendeine veraltete Kundenkarte von ihm heraus - und verzauberte den Magnetstreifen der Karte so, dass es ein Generalschlüssel werden würde. Als Imago diente ihm das Schlüsselbranding an seinem Handballen, welches kurz als arkanes Flackern auf dem Magnetstreifen sichtbar wurde.

Dann schob er die Karte in den Automaten und drückte die Zahlen Zwei und Sieben.

Das elektronische Schloss klickte und gab den Schließmechanismus frei. Im ersten Augenblick dachte Eldritch, das Fach sei leer. Dann sah er zwei Postkarten in der Ecke liegen. Es waren schlichte Urlaubsgrußkarten mit Bildern der Stadt. Auf beiden stand jeweils ein Name, eine Adresse und eine kleine Zahlenkolonne. Die Namen sagten ihm nichts, es war ein Mann und eine Frau.

Er untersuchte sie auch flüchtig nach irgendeiner Magie und gab die Namen an Merryweather telefonisch weiter.

"Könnten seine Erpressungsziele vielleicht sein."

Es war keine Magie zu sehen.
Merryweather brummte.

"Kann gut sein. Ich hab in nem Kamin im Haus verbrannte Papierreste gefunden. Da wird er verfängliche Unterlagen beseitigt haben."

"Also ich werf' dir die Postkarten bei dir an der Werkstatt ein. Dann muss ich aber auch los." erwiderte er. "Kann dann nach meiner Schicht nochma' vorbeikommen, um dir nen Bericht zu erstatten. Oder auf der Arbeit telefonisch. Was dir besser passt."

Damit verschloss er das Schließfach wieder und ging in Richtung seines Wagens.

"Un' wenn da jetzt diese Karten sind, dann wissen seine Bosse vielleicht gar nich' das er tot is'."

"Du musst doch eh noch dein Auto hier abholen. Dann kannste mir die Karten auch geben."

Er hielt kurz inne, und fuhr dann mit nachdenklicher Stimme fort.
"Vielleicht..."

"Ach, du bist noch im Haus."

Er fing an zu joggen. Etwas eilig hatte er es ja schon.

"Was denn?"

"Ja."

"Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die Auftraggeber wissen nicht, dass er tot ist. Sie wissen es, wollen aber den Anschein erwecken, dass sie das nicht tun. Oder es gibt mehrere Auftraggeber, von denen es einer oder einige wissen, und andere wieder nicht."

"Naja, verzaubert wurde er ja vermutlich von einer Gruppe. Aber die müssen ja auch nicht unbedingt seine Auftraggeber sein." sagte er in seinem Lauf gleichmäßig in das Telefon atmend.