No Exit

Tapio, der Gefallen am Fahren vom Wagen gefunden hatte, steuerte denselben den engen, verschlungenen Weg zu Lovecrafts Gehöft hinauf. Sie passierten das verfallene Mäuerchen und Parkten vor dem Haus. Neben Lovecrafts altem Pickup stand da noch ein weiteres Fahrzeug - ein unscheinbarer Hochdachkombi.

"Okay... da sind wir."
Tapio schob sich vom Sitz, entstieg dem Wagen und schaute sich um.

"Nette Gegend", stellte er relativ ernst fest.

Galen staunte nicht schlecht als er den Wagen sah... Bei allen sieben Weltwundern, was ist hier los?

Auch er entstieg daraufhin dem Wagen.

"Ja... Ich habe sie nur einmal schöner gesehen... Die Bäume bestanden aus schwarzem Granit und über all dem war eine Höhlendecke, in dem die Sterne weiße Kristalle waren..." erwiderte er.

Tapio lächelte mit milder Müdigkeit.
"Nichts ist schöner als die höhere Welt", murmelte er.

Die Haustür öffnete sich und Kivutar schaute heraus.

"Da seid ihr. Kommt herein."

Ist er abgehauen?

Galen nickte knapp und trat auf seine neue Mentorin zu... Es war wirklich seltsam, sie hier zu sehen...

Gemeinsam betraten sie die Galen wohlbekannte Wohnung. Er sah Nemglan, jetzt wieder in einem seiner typischen Mäntel, auf Lovecrafts Couch sitzen. Tapio, der hinter ihnen kam, ging zu seinem Meister hinüber.

"Ich könnte jetzt langatmig versuchen, dir das zu erklären... aber vielleicht zeige ich dir erstmal das Resultat."
Sie steuerte Lovecrafts Schlafzimmer an.

Dort lag der Mastigos in seinem Bett und wälzte sich unruhig hin und her. Galen spürte peripher Magie, die auf Lovecraft lag. Eine Frau in schlichter, weißer Kleidung war im Hintergrund damit beschäftigt, diverse medizinische Gerätschaften aufzubauen.

"Die Bedrohung durch Lovecraft konnte neutralisiert werden", gab Kivutar zu Protokoll.

Galen sah auf Lovecraft und begann, den Zauber auf ihm zu betrachten.

"Was... ist mit ihm?"

Die Magie war jenseits der Arkana seines Pfades.

"Soweit ich das verstanden habe, wurde sein Geist in einer repetitiven Schleife versiegelt", antwortete Kivutar geflissentlich.

"Bis auf weiteres wird er in diesem komaähnlichen Zustand sein."

Einen Moment lang starrte er auf Lovecraft.

Tja, gelitten..., erinnerte er sich an Angus Worte.

"Und jetzt?" fragte er. "Er handelt als Verbannter eigentlich außerhalb des Gesetzes, richtig? Kann also keinen Prozess bekommen..."

"Richtig. Warum bist du ursprünglich hergekommen?"
Kivutars Gesicht war undurchdringlich.

"Ich... hatte gehofft ihn überzeugen zu können, das er falsch liegt - das er kein, auch nicht mein, Erwachen produzieren konnte." erwiderte er langsam.

"Und dafür brauchst du Beweise... oder zumindest Indizien. Zeit. Zeit, in der Lovecraft weiter schalten und walten könnte, wie er will. Er hat die Zeitfenster seiner Experimente deutlich beschleunigt... wer weiß, wie viele Menschen er noch entführt hätte, wenn wir dem nicht Einhalt geboten hätten."

Sie blickte auf Lovecraft, der leise irgendwas von der Arbeit murmelte, und dass es jetzt rasant weitergehen würde.

"Deswegen wurde simultan zu der Mission, Hannah ausfindig zu machen, eine weitere Mission durchgeführt... Lovecrafts Verhalten zu evaluieren und gegebenenfalls tätig zu werden, sollte er sich als unhaltbare Bedrohung erweisen. Es war ja davon auszugehen, dass er dich heimlich beobachtet, während du nach Hannah suchst."

Wieder nickte er langsam. Ihm missfiel es, ein Lockvogel gewesen zu sein... Sehr sogar... Aber es war notwendig gewesen. Er durfte es nicht wissen. Er musste ausgenutzt werden. Er konnte das verstehen auch ihm missfiel das.

"Clever." sagte er dann mit einer Spur bitterer Anerkennung.

"Niemand ist gerne ein Bauer auf dem Schachbrett. Aber du verstehst, warum das nötig war."

Kivutar wendete sich ihm zu.

"Der Epopt hat entschieden, dass du, wenn du dich bereit dafür fühlst, die Entscheidung über Lovecrafts Schicksal treffen sollst. Du musst diese Entscheidung nicht überstürzen... er kann erstmal hier bleiben. Genau genommen musst du die Entscheidung gar nicht treffen... wenn du dich zu befangen fühlst, kannst du den Fall abgeben. Angerona denkt allerdings, dass deine Erfahrung mit ihm dich zu dem idealen Kandidaten für das Urteil macht."

Galen nickte und sah auf ihn herab.

"Darüber muss ich nachdenken." erwiderte er langsam.

Kivutar nickte ebenfalls kaum merklich.
"Natürlich."

Die Frau in Weiß schob einen Tropf neben das Bett und nestelte an den Kanülen herum.

Kivutar musterte Galen von der Seite.
"Geht... es dir sonst gut?", fragte sie etwas unsicher.

Galen schüttelte den Kopf und sah auf Lovecraft... Er sah so alt aus.

"Nein. Der Tag heute... Hannah, Lovecraft..." Er schwieg und blickte auf ihn.

Es war surreal mit dieser fremden Frau hier am Bett. Wer war die?

"Und auch gestern... Nach gestern wollte ich helfen, jemanden retten... Die Welt besser machen." sprach er nachdenklich. "Ich wollte nicht Lovecraft was beweisen, sondern mir glaube ich..."

Weiterhin starrte er auf den Körper des alten Zausels.

"Hannah... Ich hatte so viel Glück. Das hätte ich sein können - und was tu ich anderes als sie? Ich töte... Nur ein wenig selektiver."

Die fremde Frau wirkte völlig unbeteiligt, selbst als er von selektivem Morden sprach.

"Es ist verständlich, dass manchmal die Grenzen verschwimmen. Vor langer Zeit, als der Diamant langsam seine Form annahm, wurde unser Orden nur nicht zu Banishern deklariert, weil es eben Selektionskriterien gab - weil es eben doch Magier gibt, die der Gabe würdig sind. Manchmal werden wir heute noch als Banisher verschrien."

Sie legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter.
"Du weist aber selbst, was uns unterscheidet. Ich glaube, dein Problem ist kein philosophisches über die Kategorien der Banisher. Du wolltest dir etwas beweisen. Die Welt besser machen... aber es hat diesmal nicht geklappt. Wichtig ist, dass du dir nicht die Verantwortung für Hannah auflädst. Du hast sie nicht zu dem gemacht, was sie ist."

"Das tu ich nicht..." Leise, ganz leise sprach er.

"Ich habe Mitleid mit ihr... Ich... Wir hatten trotzdem irgendwie einen Draht. Sie hatte solche Angst... Und es gab nichts, was ich für sie tun konnte..." Er starrte wütend auf Lovecraft. "Sie wollte mir glauben. Aber es ging einfach nicht."

"Du hattest vermutlich nie eine Chance."
Kivutar schüttelte mit leichtem Bedauern im Gesicht den Kopf.

"Immerhin können wir jetzt garantieren, dass das nicht nochmal passiert."

"Ich hatte keine Chance." stimmte er zu. "Aber ich musste das selbst sehen."

Er starrte weiter auf Lovecraft.

"Es werden andere kommen." erwiderte er mit Bitterkeit.

Sie nickte.

"Andere sind andere. Das hier ist das hier. Die Welt ist ein wenig besser geworden."

Sie ist nur ein Stück weniger schlecht...

"Manche tun das Falsche... aus den richtigen Gründen. Und andere das Richtige aus den Falschen." Er sah auf ihn. "Lovecraft gehört zu ersteren..."

Aber was ist mit uns?, war die unausgesprochene Frage der er sich gerade stellte.

Sie schwieg für einen Moment.

"Worauf willst du hinaus?"

"Dass es nicht leicht ist, das Richtige zu tun." erwiderte er mit jener Entschlossenheit, die an Endgültigkeit heran kam.

"Und sollte es mir je leicht fallen, ich dann weiß, das ich verloren bin. Verloren wie er... Der sich so sicher war."

Kivutar nickte anerkennend.
"Das ist ein sinnvoller Indikator."

Die Frau in Weiß verließ den Raum, womöglich um weitere Ausstattung zu holen.

"Willst du deinen Wagen zurückfahren? Brauchst du Gesellschaft?"

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