Springbreak

"Leer", bestätigte der Goetia, während sie weiter den Spuren folgten, die Hannah hinterließ, nachdem sie ihr Nachtlager verlassen hatte.

"Was machen wir, wenn wir diese Hannah finden?", meldete sich der Goetie zu Wort, nachdem sie eine Weile den Spuren weiter gefolgt waren und einige Kilometer hinter sich gebracht hatten. Der Wald war etwas lichter geworden.

"Ich werde mich überzeugen, ob sie das ist, für dass ich sie halte... Und wenn sie es ist..." er seufzte. "Ich weiß es nicht. Zu Lovecraft bringen?" fragte er Sh'aoc. "Ich werde ihr versprechen, wir würden Lovecraft gemeinsam umbringen." Er ärgerte sich einen Moment lang. "Wenn ich eine Requisite hätte. Irgendeine Waffe..."

Er verzog das Gesicht.

"Und wenn nicht, dann bringe ich sie vielleicht in ein Motel unter... Und hole Verstärkung? Bringe sie selbst um? Grütze, das arme Kind..."

"Meinst du, die würde wieder mit zurückkommen?"
Sh'aoc sah auf die Spuren.

"Sieht so als, als könnte sie gar nicht schnell genug hier wegkommen. Und wie sollen wir wegkommen? Dein Auto steht noch bei dem alten Zausel."

"Ich hatte kurz überlegt es um zu parken." antwortete er Sh'aoc. "Das wichtigste ist, dass ich ihr Vertrauen bekomme und dann erfahre, was mit ihr ist... Vielleicht kommen wir irgendwohin, wo es wieder Empfang gibt... Ab da muss ich improvisieren."

Er sah rüber.

"Hast du einen besseren Plan?"

Im Moment hatte er keinen Empfang. Soweit er das einschätzte, befand sich eine Erhebung zwischen ihm und der Region um die Bucht. Vermutlich würde er empfang haben, wenn er diese überquerte.

"Ein Taxi wird wohl etwas teuer...und du brauchst Empfang."

Spoiler:

"Ich kann sie auch suchen und mit ihr versuchen von hier fort zu kommen... Bis wir Empfang haben." erwiderte er. "Lovecraft wird sich dann telepathisch bei mir melden und mir seinen Plan verraten."

Galen verzog das Gesicht.

"Dieser alte Mann..." fluchte er harmlos.

Sh'aoc schwieg daraufhin und sie folgten eine Weile den Spuren, die jetzt etwas frischer - immerhin hatte Hannah zumindest einen Teil der Nacht im Wald geschlafen - und dadurch auch leichter zu lesen waren.

Nachdem sie so eine Weile unterwegs gewesen waren, spürte Galen etwas Entscheidungsträchtiges. Irgendetwas war da, draußen im Wald und bewegte sich langsam ein halbes Dutzend Meter rechts von ihnen durch das Unterholz.

"Guck mal nach, was das ist... Sei vorsichtig." flüsterte er seinem Vertrauten zu und duckte sich etwas.

"Hä? Was denn? Wo denn?"
Der Goetia drehte sich im Kreise. Auf einen Fingerzeig hin begab er sich vorsichtig in die entsprechende Richtung, wirkte aber etwas planlos.

Galen folgte ihm geduckt und spähte dabei immer wieder vorsichtig durch Sh'aocs Augen.

Der Goetia konnte nicht spüren, was Galen spürte, und daher nahm der Moros die übernatürliche Macht hin und wieder am Rande des Gesichtsfeldes wahr. Was immer es war, es bewegte sich langsam und irgendwie planlos durch den Wald.

Spoiler:

Sie ist unsichtbar?, fragte er sich einen Moment lang. Wenn sie sich bereits vor den Auswirkungen von Strahlen verbergen kann...

Galen fokussierte seine Sicht etwas.

Der matte Schein Stygias, der sich hinter den Dingen der Welt verbarg, wurde in seinen Ansätzen sichtbar. Die Bäume des waren kaum von Interesse für des Reich des Bleiernen Turms, sie waren nur Zwischenstadien zwischen Erde und Staub. Der Boden war definierter, der Grund auf dem er stand warf einen deutlichen Schatten in die gefallene Welt. Was das Erdreich alles für ungeahnte Schätze verbergen mochte?

Dann sah er den Mann. Mit schlurfenden Schritten wandelte er zwischen den Bäumen, immer wieder blieben seine schweren Arbeitsstiefel an Wurzelwerk hängen. Sein Flanellhemd war mit dunklem Blut beschmutzt, und so eine Art gräulicher Dampf stieg aus einem halben Dutzend Einstichlöchern in Brust und Bauch auf.

Spoiler:

Hmm... Ein Geist? fragte sich Galen einen Moment lang. Eine Zeuge womöglich? Oder ein Opfer?

Er besah sich die Gestalt etwas genauer.

Wenn ich zeit für ein Pläuschchen mit Lovecraft hatte, dann auch dafür, oder? Nicht länger als eine Minute... Eine Pause kann ich langsam ohnehin gebrauchen..., dachte er dabei nach.

Spoiler:

Stygias Einfluss wuchs - wobei, eigentlich wuchs er nicht, Galen sah ihn lediglich deutlicher, weil er nun tiefer in die Welt hinter der Gefallenen Welt blickte, wo die unumstößlichen Wahrheiten des Todes lagen - geduldig aber entschieden. Und während der Mann langsam vorwärts torkelte, sah der Moros: Er war noch nicht lange in dieser Welt, höchstens ein paar Stunden. Die Bruchstellen, die Geister in ihrer stygischen Signatur trugen, waren bei ihm noch frisch - beinahe blutig, nicht abgeschliffen und verraut, wie bei Geistern, die schon lange durch das Zwielicht wandelten. Galen wusste, dass es Zauber der Erwachten gab, die einen Geist an die diesseitige Welt binden konnten - aber hier konnte er nichts dergleichen feststellen: Es gab keine Spur von erwachter Magie an dem Mann.

Soviel zum Reden... Ihr erstes Opfer... schoss es ihm durch den Kopf. Eine unkontrollierte, mordende Magierin. Abgestochen hat sie ihn.

Etwa zehn Sekunden starrte er vollkommen konzentriert auf 'Deimos' Opfer, entschlüsselte das Mysterium um ihn.

Spoiler:

Je tiefer er in die höhere Welt mit ihren ineinandergreifenden Strömen und Symbolen blickte, umso mehr erkannte er. Der Dampf, der aus den Wunden stieg, gewann an Definition, Greifbarkeit für ihn. Das war Essenz, die aus dem Geist hinausströmte und sich in den kalten Weiten des Zwielichts verteilte wie Tinte in Wasser. Er zog regelrecht Essenzschlieren hinter sich her... es war ein rapider Energieverlust, den Galen da beobachten konnte. So etwas hatte er vorher noch nicht gesehen.

Er konnte auch nichts finden, das den Geist im Diesseits verankerte - jedenfalls nicht in der näheren Umgebung. Diese Ankerpunkte konnte er normalerweise mit einem schlichten Blick hinter die Kulissen sehen. Es sah so aus, als wäre beinahe schon die Hälfte der Kraftreserven in ihm aufgebraucht. Vielleicht noch fünf oder sechs Stunden, und alle Essenz wäre aus dem Geist gewichen - und Galen spürte um den Mann schon den Sog der Unterwelt, ein immerwährendes, ominöses Gewicht, das den Verlorenen bald zu sich ziehen würde.

Vermutlich ist der Geist zu schwach, aber einen Versuch kann es nicht schaden...

Galen küsste die bleierne Münze.

"Lippen des Todes, Zunge des Fährmanns. Odem des Styx." sprach er und erinnerte sich dabei an sein Gespräch mit dem gelbäugigen Wesen - und all den Erinnerungen die im Fluss nur darauf warteten, losgelassen zu werden. So wie diese arme Seele nun darauf wartete, zu verschwinden.

"Heute ist wohl einer dieser Tage, was?" fragte er das Gespenst nüchtern, als säßen sie zusammen in der Bar.

Das Wesen hielt inne und drehte den Kopf in seine Richtung. Seine Augen starrten mit leerem Blick geradeaus.

"Kann meinen Wagen nicht finden... verdammter Wald..."

Sie hat ihn für seine Schlüssel umgebracht. Vor Stunden. Sie kann Gott weiß wo sein. Also falls es Gott gibt und er überhaupt etwas weiß...

"Das kenne ich." erwiderte er. "Wo hast du ihn denn geparkt?" fragte er ihn.

Da liegt bestimmt seine Leiche... Ich könnte ihn mit Lovecrafts Hilfe zeitweise an mich binden, um sie besser zu jagen, oder? Wenn er verschwindet, verschwindet auch meine Spur mit ihm... Und ein paar Befehle könnte ich ihm auch geben? Ihn sogar mächtig machen, aber das wäre eher etwas für ein Ritual. Nichts, wofür ich jetzt Zeit hätte.

"Wenn ich das wüsste, würde ich ja nicht suchen", gab er ungehalten zurück.

"Weiß ich aber nicht. Deswegen finde ich ihn nicht. Hast du vielleicht meinen Wagen gesehen? Es ist ein Pick-Up. Ich wollte..."
Er hielt inne.

"Ist ja auch egal. Wo ist mein Wagen?", fragte er niemand bestimmten.

Und da haben wir die Schleife..., dachte er frustriert.

"Ich suche auch etwas. Hast du hier eine junge Frau gesehen? Fast noch ein Mädchen." fragte er das Gespenst nach seiner Mörderin.

Sein Tod ist Stunden her. Und sie hat ein Auto... Wo ihre Eltern leben weiß ich nicht. Na super!

"Junge Frau?"
Er erschien kurz nachdenklich.

"Ja... hab da jemanden gesehen. An der Straße. Hockte im Graben, mehr oder weniger. Hab dann angehalten, geschaut ob sie Hilfe braucht. Und dann-"
Er unterbrach sich und runzelte die Stirn. Dann wurde seine Miene ausdruckslos. Dann fragend.

"Entschuldigung, hast du vielleicht meinen Wagen gesehen?"

Spoiler:

"Kann sein..." erwiderte er. "Ich kann dich mit zur Straße nehmen." bot er dem Gespenst an und erblickte dabei die Spur seiner tropfenden Essenz auf dem Boden.

"Autos sind meistens an Straßen." erinnerte er den schwindenden Schatten sterbender Erinnerungen.

"Seh ich irgendwie dumm aus? Ich weiß, dass Autos an Straßen sind."
Er schüttelte verärgert den Kopf.

"Ich weiß nur auch nicht, wo hier ne Straße sein soll in diesem bekackten Wald. Dann zeig doch mal."