Springbreak

"Wie heißt du denn?" fragte er das Gespenst beiläufig, während er die ersten Schritte tat.

Er scheint klüger als die Frau in dem Haus. Vielleicht ist er doch noch stärker als gedacht. Es weiß nur nicht, das es tot ist, kann es nicht begreifen.

"Marc. Marc Mcmurray."
Er stapfte unsicher neben ihm her.

"Ganz schön dunkel hier."
Es war taghell.

"Ja, es ist ein sehr dunkler Wald hier." erwiderte er nachdenklich. So weit weg vom Auenland war er noch nie gewesen - Vorausgesetzt man wollte Lovecrafts Keller als Auenland bezeichnen...

"Wie spät war es denn, als du das Mädchen gesehen hast?" fragte er ihn. "Warst du irgendwohin auf den Weg?"

"Weiß nich genau."
Er runzelte wieder die Stirn.

"Weiß ich nicht so genau. Nerv nicht, okay?"
Er vergrub die Hände in den Taschen seiner Weste.

Tot sein ist schon Scheiße. Aber auch noch ein aggressiver Prolet zu sein, macht es auch nicht besser.

"Wenn wir hier schon zusammen rumwandern, können wir uns wenigstens unterhalten." fand Galen. "Wie sah sie denn aus? Das Mädchen im Busch?"

"Weiß nicht, hab ich so genau nicht gesehen. Jung halt."
Er zuckte mit den Schultern.

"Mhm.. Und was für nen Wagen hast du?" fragte er ihn weiter aus. Noch das Nummernschild in Erfahrung bringen...

"Nen Pick-Up", wiederholte er einsilbig.

"Cool. Und dein Nummernschild?" fragte er interessiert nach. Viele Amerikaner tobten sich da kreativ aus, da man es für sein ganzes Leben behielt - nicht so wie in Europa. Wo es eins pro Auto gibt.

"Hä? Wieso willste das denn wissen? Bist du n Bulle oder was?"
Er blieb stehen und hatte eine misstrauische Miene bekommen.

Galen lachte.

"Nein. Ich steh nur total auf Nummernschilder. Ist mein Autismus oder so." erzählte er. "Kennst du nicht dieses Spiel das man auf langen Autofahrten spielt? Ich hab das immer mit meinem Bruder gespielt und naja... Jetzt merk ich mir so gut wie jedes Nummernschild. Fällt mir manchmal leichter mich an Nummernschilder als an Gesichter zu erinnern." pathologisierte er einmal einen Autisten zusammen.

"Also?" fragte er ihn verschmitzt grinsend.

"Pff, man, bist du n Psycho."
Er lachte kurz, entschied dann aber wohl, dass es sich um einen harmlosen Psycho handelte.

"Mein Nummernschild hat aber keine fancy Gimmicks. WP15267"

"Keine Gmimmicks?" fragte er nach. "Zwei ist eins mehr als Eins. Und Sechs eins mehr als Fünf. Und Sieben als Sechs. Well Played, Sir. Wenn das kein fancy Gimmick ist, weiß ich auch nicht." machte er sich selbst einen Merkspruch.

15,26,1 gleich 15+11+1. Well Played

"Hä?"
Er nahm den Weg wieder auf.

"Ach, egal. Hauptsache ich finde meinen Wagen wieder."

"Ja, das ist das wichtigste." Und deine Leiche... Also falls sie die am Straßenrand hat liegen lassen. Die kann sie ja auch auf den Wagen geschmissen haben.

Er sagte darauf nichts mehr. Die Essenzspur wurde immer dünner und dünner, je weiter sie ihr folgten. Nach und nach verflüchtigte sich die Resonanz im Zwielicht. Es half nicht, dass sie sich teilweise im Kreis oder zumindest in Kringeln bewegten. Dieser Geist war völlig planlos durch die Gegend gelaufen.

Galen machte sich schon Sorgen, dass die Spur enden würde, bevor sie ihr Ziel erreichten, aber da lichtete sich der Wald etwas, und ein lückenhaft geschotterter Weg kam zum Vorschein. Die letzten Ausläufer der Spur zeigten nach rechts. Ein gutes Dutzend Meter weiter in dieser Richtung lag etwas am Wegesrand. Etwas, das ungefähr die Größe eines Menschen hatte.

Während sie im Kreis umher wanderten, fielen Galens geschärften Blick seine eigenen Spuren auf.

"Erkaltete Fährte, tote Spur." sprach er und vernichtete so jegliche seiner weiteren Spuren.

Etwas später fand er den Weg aus den Wald und sah auf die Lichtung.

"Tja Kumpel. Der Moment der Wahrheit ist wohl gekommen." sagte Galen mit Blick zu der Leiche. "Dein Wagen liegt da vorne." Und er nimmt dich mit auf deine letzte Reise...

Zusammen mit Marc machte er sich auf den Weg zu Marc.

Er trottete hinterdrein. Sie kamen bei der Leiche an. Mcmurray - die fleischliche Version - starrte mit Augen in den schmalen Streifen des Himmels, der über dem Waldweg sichtbar war. Er hatte tiefe Einstichwunden auf der Brust, der Boden um ihn herum war zum Teil blutverkrustet.

"Und was soll das sein?"
Der Geist schaute mit unbeteiligter Miene auf sein Ebenbild.

"Sieht nicht aus wie mein Wagen. Hör mal, ich brauch den jetzt bald mal! Ist sicher schon spät, meine Süße macht sich Sorgen!"

Galen verzog etwas das Gesicht bei dem Anblick der Leiche.

"Und das tut sie zu Recht... Das da bist du, Marc." erwiderte er geduldig. "Das Mädchen hat dich mit einem Küchemesser abgestochen und deinen Wagen gestohlen. Ich bin so etwas wie ein Medium und hier, um deinen letzten Wunsch zu erfüllen."

Seine Stimme klang sehr ruhig und sprach langsam, damit das Gespenst Zeit hatte, die Worte zu verinnerlichen.

Er lachte dreckig.

"Was laberst du da für nen Müll? Pass mal auf, du Penner, wenn du mich nicht gleich zu meinem verfickten Auto bringst, dann knallts aber!"
Ein gewisser Zorn schwand in seiner Stimme mit.

Galen ging auf ihn zu.

"Nur zu. Schlag zu." bot er ihm an.

Marc bückte sich nach einem faustgroßen Stein der auf dem Boden lag. Irgendetwas ging vor sich, das Gefühl, das ihn vor Magie warnte, schlug stärker an. Seine Hand schloss sich um den Stein. Dann hob er ihn hoch.

Na super...

"Hey hey! Ist ja gut!" meinte er und hob abwehrend die Hände in die Luft. "Dein Wagen ist bestimmt die Straße runter!"

In ein paar Stunden verflüchtigt sich dieser Geist ohnehin...

"Friss das, du Freak!"
Er schleuderte ihm wutentbrannt den Stein entgegen. Die Flugbahn des kruden Geschosses war nur zu leicht vorauszuahnen. Eine kleine Seitendrehung erlaubte es Galen, dem Stein auszuweichen.

"Also jetzt ist mal wirklich gut!" empörte er sich und wich ein paar Schritte zurück.. Vielleicht konnte er das ganze noch entschärfen.

Dann zeigte er abrupt hinter ihn.

"Da ist dein Pick Up! Der Kerl da hinten fährt mit deinem Wagen weg!" Er sah an ihm vorbei und wackelte mit den Armen. "Hey! Stehen bleiben!"