[Odysseus] Alle Schleier sind gelüftet

Odysseus streckte ihr seine Hand entgegen, legte sie flach auf die ihre.

Abermals spürte er das Wirken arkaner Kräfte, das sie und ihn umgab mit dem Gefühl der Entgültigkeit. Doch kurz darauf war das Gefühl in der Dunkelheit des Raumes verschwunden.

"Ich habe uns verbunden, sodass ich dich im Notfall mit meiner Macht erreichen kann."

Spoiler:

Er nickte langsam. Kurz stritten einige Emotionen, miteinander, was er davon halten sollte - schließlich gewann aber die pragmatische Erwägung, dass es wichtig war, erreichbar und vernetzt zu sein.

Fürchteinflößend, mysteriös und weise..., schoss es ihm durch den Kopf.

"Es steht dir nun frei, zu gehen. Du kannst dich selbst aufwecken, wenn du es wünscht. Oder du gehst zurück in deinen Oneiros."

Sie deutete auf einen Punkt hinter ihm, und wie er sich umdrehte, sah er etwas Licht durch einen Durchgang schimmern, der sich da aufgetan hatte.

Er nickte noch einmal und wandte sich um zu gehen.

Beim Rausgehen erinnerte er sich an den Verlauf des Gesprächs... Und entstieg dem Licht dieses Raumes in seinen Oneiros.

Er fand sich in der Höhle wieder, die gleichzeitig Endpunkt einer Reise und Anfangspunkt einer neuen war. Irgendetwas Schlammiges tropfte von der Decke. Aus der Schlickpfütze, die sich am Boden vor dem Eingang bildete, entstieg Sh'aoc.

"Hahaha!"
Ein schmieriger Tentakel matschte Odysseus spielerisch ins Gesicht.

"Hier bist du wie ich. Deswegen kann ich dich anfassen."

Stoisch starrte er auf Chaos.

"Dein Ernst?" fragte er genervt und bieder, nachdem er sich einen Teil des Matsches vom Gesicht wischte.

Der Goetia trällerte vergnügt.

"Vollkommen!", krähte er.
"Ich dachte, du kannst mal ein bisschen Farbe vertragen. Aber wo warst du eigentlich? Bist einfach da in der Wand verschwunden..."

"Ich habe mich mit jemanden getroffen." erwiderte er knapp angebunden. Im Temenos... wo du niemals hin kommen können solltest - andererseits kennen dich jetzt schon mehr Leute... was dich zu einer Idee außerhalb meines Oneiros macht? Interessant...

"Also gut... So schlimm sieht es hier drin doch gar nicht aus, wie du immer behauptet hast..."

Sh'aoc lachte vergnügt.

"Ja, weil du hier sozusagen auf der Lichtung bist. Warte erstmal ab, bis du im Wald bis. Im tiefen, tiefen Wald."

Sh'aoc schleimte auf den Ausgang der Höhle zu. Anscheinend musste er sich hier, wo er so physisch war wie der Rest der astralen Welt, am Boden bewegen und konnte nicht wie ein Gedanke durch die Gegend schweben.

Er nickte.

Und nach was suche ich jetzt überhaupt? Vergebung? Ein Ziel? Einen Namen?, fragte er sich. Meinen Platz in der Welt... Einen Abschluss mit Lovecraft. Phobos zumindest innerlich abzulegen?

Er folgte dem Schneckenmonster nach draußen vor der Höhle.

Es war wie ein deja-vu. Vor der Höhle stand Lovecraft. Er breitete die Arme aus und lächelte dieses selbstgefällige Lächeln.

"Phobos... wie schön, dich zu sehen!"


Sh'aoc grunzte neben ihm.
"Der ist nicht echt."

Er sah zu Sh'aoc.

"Du meinst, er ist wie du?" fragte er, Lovecraft ignorierend.

"Sehr witzig", meckerte Sha'oc.

"In dem Fall ist er echt. Er ist nur nicht der echte Lovecraft... sondern das, was du in deinem kleinen, kaputten Köpfchen von ihm mit dir rumschleppst."


Der Lovecraft-Goetia lächelte noch immer.
"Ich sehe, du bist beinahe eins geworden mit deiner Angst. Es muss dir sehr geholfen haben, dass ich sie für dich beschworen habe. Neinein, sag nichts, du wirst es sowieso nicht zugeben."
Die Art zu reden und sich zu geben... das war wirklich ein sehr akkurates Abbild des Mastigos.

"Jajaja..." antwortete er dem Abbild Lovecrafts und machte eine wegwischende Bewegung.

"Weißt was ich dir nie verzeihen kann?" fragte er ihn und sah ihn dabei mit bedrohlich blitzenden Augen an - Nun... zumindest die Richard Version davon...

Er rollte mit den Augen.
"Jetzt nicht wieder weinerlich werden, mein lieber Junge."

Er streckte ihm einen Finger entgegen.

"Ich werde niemals erfahren, ob ich es je alleine geschafft hätte. Ob ich es je geschafft hätte, ohne von dir in einen Keller gesperrt zu werden!" zischte er ihn an. "Dass du mich entführt hast, meine Angst beschworen, mich terrorisiert in der Hoffnung ich würde etwas dabei lernen... All das könnte ich dir verzeihen... Aber nicht, dass ich mir jeden verfluchten Tag die Frage stellen muss, was ich ohne dich wäre!"

Er war wütend, stinksauer.Und kurz davor gewalttätig zu werden... Warum auch nicht? Es war nur eine Erinnerung, der er mal zeigen würde, wo es lang ging... Sh'aoc war bestimmt sehr zufrieden...

Er winkte ab und lächelte.

"Die Frage brauchst du dir nicht stellen, das kann ich dir sagen. Nichts wärst du ohne mich geworden. Ein kleiner Junge wärst du, der sich nicht mal traut, ehrlich mit dem Mädchen zu sein, das er mag. Einer, der zuhause Vorräte lagert, falls mal die Versorgung zusammenbricht. Einer, der lieber fünfmal längere Wege geht, nur weil sie ein bisschen sicherer sind. Ein Schläfer wärst du."

Er fletschte die Zähne.

"Du bist so ignorant! Siehst du nicht, dass jemand, der fünf mal längere Wege geht, anders ist, anders denkt als ein Schläfer? Jemand, der sich vorbereitet, weil er nicht an die schöne heile Welt glaubt? Dass das mein Kampf mit der Lüge war!"

Er schüttelte den Kopf und er klang beinahe mitleidig. "Nein... Das kannst du nicht sehen. Alles was du siehst, ist die Angst ein unbedeutendes Nichts zu sein! Dass sich niemand an Lovecraft erinnern wird. Ein verkanntes Genie."

"Jemand der nichts riskiert, fordert auch nicht die Lüge heraus. Oder warst du etwa nicht zufrieden, in deiner kleinen, sicheren Kontrollzwang-Welt? Ich habe dich erst wachgerüttelt!"

Brüskiert zuppelte er an seinem Ärmel.
"Also... meine Erfolge sprechen eindeutig für mich. Solange es dich gibt, kann niemand mein Genie verkennen! Nur die Neider! Die Neider wollen es nicht wahrhaben!"

"Ich habe auch nichts riskiert, als ich in deinem Keller lag." erwiderte er gleichgültig. "Oder habe ich versucht, dich anzugreifen? Mich zu wehren? Mir das Bein abzunagen?" er schüttelte den Kopf. "Wie erklärst du dir das?"

Kurz, beinahe Hilfe suchend schaute Lovecraft zu Sh'aoc, aber der Goetia sah nur erwartungsvoll zwischen den beiden hin und her.

"Doch... du musstest im Keller deiner Angst begegnen. Nur so konntest du erwachen! Indem du dich ihr gestellt hast, sie überwunden hast! Durch sie stärker geworden bist! Sie gemeistert hast! Deswegen bist du Phobos... Phobos, der Gott Furcht!"

"Meiner Angst begegnen..." sprach er in sarkastisch-grüblerischen Tonfall. "Der begegnete ich doch jeden Tag... In meiner kleinen Kontrollzwangwelt." resümierte er und zuckte mit den Schultern. "Wozu brauchte es da dich?"

"Was? Unfug, du bist dem Ungewissen immer aus dem Weg gegangen. Deine Angst..."
Er sah zu Sha'oc.

"... ist die Kontrolle zu verlieren. Und die hast erst verloren, weil ich dir die Möglichkeit dazu gegeben habe."

"Ich muss der mächtigste Mensch aller Zeiten gewesen sein, wenn ich nie zuvor die Kontrolle verloren habe in meinem Leben." sprach er sarkastisch und schüttelte bedauernd den Kopf.

Auch er sah zu Sh'aoc.

"Und ich weiß nicht. Chaos sieht mir quicklebendig aus... Gar nicht so, als hätte ich sie verloren." Er sprach zu Sh'aoc. "Willst du ihm einmal zeigen, wie quicklebendig und stark du noch immer bist?" Dann wieder zu Lovecraft. "Aber das weißt du."