[Eliza] Eine flog über das Schlangennest

Nach ihrem Telefonat wurde Eliza schnurstracks zurück in den Zellenbereich der Polizeistation gebracht. Diesmal kam sie aber nicht zu den einzelnen Zellen, sondern in eine große Sammelzelle, in der allerhand Gestalten saßen. Durch die Geschlechtertrennung war es ihr erspart in der völlig überfüllten Männerzelle zu sitzen, die der Frauenzelle gegenüber ein Stück den Gang entlang zu finden war.

Dennoch waren etwa ein Dutzend andere Frauen mit ihr hier. Die meisten saßen mit verdrießlichen Mienen auf den Bänken, einige gingen auf und ab und dehnten sich bisweilen. Viele sahen aus wie Junkies, Prostituierte oder beides. Allerdings konnte Eliza auch ein überaus wütendes Hausmütterchen ausmachen, das ein Kleid und eine geblümte Schürze trug.

Ein paar der Frauen musterten sie mit hungrigen Blicken, als sie hineingebracht wurde. Der Polizist nahm ihr die Handschellen ab und ging dann seiner Wege.

Eliza verhielt sich ruhig und schwieg so wie Fleetwood es ihr gesagt hatte. Sie schaute nach einem freien Platz auf der Bank und setzte sich, all das mit einer großen Aufmerksamkeit für ihr Umfeld.

Alles klar, ich hoffe das ganze dauert keine Ewigkeit! Ich hasse es so eingesperrt zu sein.

Eine Frau... abgehärmt und blass, mit hervorstehenden Wangenknochen und dunklen Ringen unter den Augen kam auf Eliza zu. Sie trug ein schwarzblau meliertes, bauchfreies Top, das den Blick auf ein Piercing im Bauchnabel freigab und eine hautenge schwarze Hose. Irgendwie schimmerte es in der Luft um sie herum, als würden glitzernde Staubpartikel um sie herumtreiben. Sie stellte sich vor Eliza hin und schaute auf sie herab.

"Hi."
Sie hatte eine raue, rauchige Stimme.

Da sie keine weiteren Schwierigkeiten bekommen wollte, nahm sie sich vor den Rat genau zu verfolgen und wenn es Probleme gab, dann zumindest so gut es ging. Sie schaute sich die Frau so unauffällig an wie möglich.

Die ist ja seltsam! Naja egal...ruhig bleiben und warten.

"Hallo."

Gab sie kurz zurück.

"Du... bist die, die bei Greensheet eingestiegen ist, nicht wahr?"
Sie legte den Kopf schräg. Immerhin sprach sie so leise, dass von den anderen vermutlich niemand etwas hörte - nicht, dass es irgendjemanden interessierte. Die kurze Aufmerksamkeit, die sie hatte, als sie hereingekommen war, war nun verflogen.

Die Frau beugte sich zu Eliza herunter, sodass diese den Alkohol riechen konnte, der auf ihrem Atem lag.
"Du hast damit ein paar sehr mächtige Leute sehr wütend gemacht. Ihr kleines Projekt gestört..."

Eliza zuckte mit den Schultern und schaute extra etwas mürrisch und unzufrieden drein.

Warum lässt die mich nicht in Ruhe. Hier weiß anscheinend ja bereits jeder was mir vorgeworfen wird, ganz toll...echt mal...mächtige Leute wütend gemacht...das alles haben diese Anzugträger von Greensheet doch verdient mit ihrem scheiß...ok ich sollte da nicht drüber nachdenken...ich muss zur ruhe kommen...

"... aber mich hast du sehr amüsiert damit. Und beeindruckt", fuhr sie einfach fort.

"Ich habe gesehen, was jetzt noch hinter dem Horizont liegt. Greensheet wird fallen, nachdem ihr Lügen und Betrügen ans Licht gekommen ist. Die Führungsriege wird vor die Gerichte gezerrt werden... aber die Hintermänner, die wahren Verantwortlichen, werden entfleuchen. Geschädigt, aber nicht besiegt."

Was weiß die denn schon!
Elizas Mund verzog sich. Missmutig schaute sie auf den Boden.

Ich kann dieses Gelaber gerade echt nicht gebrauchen, bei den Schwierigkeiten brauche ich keine fremden die sich amüsieren oder wie sie hier auch noch alles ganz toll findet, die ist bestimmt wie der Glatzentyp zum aus nüchtern hier...

Sie schwieg kurz und schaute mit einem schmalen Lächeln auf sie herab.

"Du bist wirklich absonderlich. Die meisten schreiben ihren Namen oder hinterlassen in einer anderen symbolischen Geste etwas von sich im Höheren. Aber du hast mehr getan... du hast eine Geschichte zurückgelassen. Eine Geschichte, die jetzt durch die Risse Arkadiens leuchtet und sich in Realität verwandeln wird. Die Geschichte vom Niedergang einer Firma. Ist das nicht spannend?"

Eliza zog ihre Augenbrauen zusammen. Konnte diese Frau tatsächlich etwas Wissen? Viele, schnelle Gedanken huschten ihr durch den Kopf.

Wie kann das sein das sie etwas davon weiß?Höheren? Mehr getan? Geschichte hinterlassen? Arkadien- das Gedicht...leuchtende Risse in Arkadien? Warum spricht sie einfach so darüber? Woher weiß sie überhaupt das ich dort war- Wo ich war? Absonderlich? Wirklich nett- von den richtigen Menschen lasse ich mir so etwas vielleicht sagen aber nicht von einer fremden -soll ich dir auch mal ins Gesicht sagen was ich über dich Denke...Spannend? für wen genau? ...Kann die echt etwas wissen?

"Bist du inzwischen stumm geworden? Wie schade", stichelte sie spitz und ihre Gesicht nahm mitleidige Züge an.

"Nein, ich habe nur keinen Bock mit dir zu reden. Warum sollte ich!"

Eliza wackelte ihren Kopf hin und her und schaute der Frau an genervt ins Gesicht.

Sie kicherte leise.
"Vielleicht, weil ich dir so viele interessante Dinge erzählt habe? Ich kann dir noch viel mehr erzählen. Davon, wie deine Vision größer werden kann, bis sie ganze Welt umspannt."
Mit ihren Armen vollführte sie eine ausladende Geste.

Eliza zog eine Augenbraue hoch.

"Nööö! Und Nein Danke!"

Ruhig...jetzt gaaaanz ruhig bleiben, die hat gesoffen und hat keinen Schimmer wie sehr sie mich hier gerade reizt! Aber wenn die gleich nicht aufhört mit ihrem scheiß Gelaber dann zeig ich ihr was sie gleich umspannt...

Sie zuckte mit den Schultern.

"Wie du meinst. Natürlich kann ich keinen Schliff von einem Rohdiamanten erwarten. Aber... da du mir offensichtlich nicht vertraust, was macht dich denn so sicher, dass du der alten Frau vertrauen kannst?"

Eliza zuckte ihrerseits auch wieder nur mit den Schultern.

Sie schüttelte seufzend den Kopf.

"Tja, also, falls du jemals die kindische Art ablegen kannst und wissen willst, was in Wahrheit alles in dir steckt, dann suche nach mir. Suche nach Omega. Nicht nach diesem Körper, den ich mir... kurz ausgeliehen habe."

Die Frau trat einen Schritt zurück und lächelte verschmitzt.

"Wie du meinst...!"

Und mein Arsch ist omnipotent und kennt Alpha und Omega sehr gut...also zisch endlich ab!....So eine arrogante Kuh...Körper ausgeliehen ahha...wer weiß wer das wirklich ist.

Die flirrenden, glimmenden Partikel verschwanden. Die Frau blinzelte verwirrt und kratzte sich am Kopf. Dann ging sie ans andere Ende der Zelle.

Seltsam...das war so extrem seltsam. Ich muss mir das alles noch mal durch den Kopf gehen lassen...damit ich es erzählen kann wenn es wichtig sein sollte, immerhin hat Fleetwood mich ja sogar vor gewarnt mit niemandem zu sprechen...dann muss sie so etwas geahnt haben! Ok wenn jetzt nicht noch mehr Überraschungen folgen, kann ich in ruhe abwarten.

So saß Eliza auf der Bank in der Sammelzelle und dachte über alles nach was zwischen ihr und der Frau passiert war.

Es dauerte sicher zwei oder drei Stunden, dann kam ein Polizist.

"Ms. Tan? Ihre Anwältin ist da."
Er brachte sie in ein Zimmer, das dem Verhörzimmer ähnlelte, aber keinen großen Spiegel hatte, hinter dem weitere Ermittler hocken konnten. Dort angekommen nahm er ihr tatsächlich die Handschellen ab.

Susan Ling saß in ihrem perfekt sitzenden Hosenanzug, der makellosen Frisur und den tadellos manikürten Fingernägeln an dem Tisch im Zentrum des Raumes, vor sich Aktenmappen und ein aufgeklappter Organisierer mit Kalender, I-Pad, Notizzetteln und Stiftarsenal.

"Ms. Tan!"
Sie erhob sich grazil.

"Ich bin natürlich sofort gekommen, nachdem ihre Großtante sich bei mir gemeldet hat. Erstmal das Wichtigste: Geht es Ihnen gut? Wurden sie angemessen behandelt?"
Sofort fiel ihr Blick auf ein paar blaue Flecken an ihrem Unterarm.

"Ja, ich wurde gut behandelt."

Dem Blick der Anwältin folgend, überlegte sie was sie zu den Blauen Flecken sagen sollte.

"Die Flecken sind denke ich nicht von hier drin."

Sie senkte ihren Blick, da nun der Moment gekommen war an dem ihr klar wurde, dass es keine andere Möglichkeit gab, als ihr einen Teil der Wahrheit mitzuteilen, immerhin würde Ling sie aus der Situation herausholen können, um so besser die Möglichkeiten standen.

Eliza stand still da und versuchte sich ordentlich zu verhalten.

Großtante...hihi süß. Ich muss jetzt super ruhig bleiben und ganz stark aufpassen was ich sage. Sie wird mir helfen, aber vieles sollte ich auch vor ihr nicht laut aussprechen...ich weiß sowieso nicht auf was genau sie plädieren möchte...wenn ich ihr erzähle das ich von all dem nicht so richtig was weiß, könnte das gut und schlecht zugleich laufen.

"Sind Sie sicher? Nun, setzen Sie sich doch erst einmal, bitte."
Sie deutete auf einen weiteren Stuhl, gerade wollte sie sich setzen, als sie plötzlich innehielt.

"Was..."
Glimmende Splitter tanzten um sie herum. Ihr Blick wurde leer, sie stolperte leicht und fiel dann - zum Glück nur in den Stuhl, in dem sie in sich zusammensank.

Durch die glimmenden Splitter in der Luft extrem aufmerksam sprang Eliza auf Ling zu, als diese in ihrem Stuhl zusammensackte, um sicher zu gehen das alles in Ordnung war.

Was zur Hölle, wieder dieses glimmen in der Luft, diese Splitter waren auch um diese Frau in der Sammelzelle, was bedeutet das, nimmt jetzt jemand ihren Körper? Das ist so abgedreht...

Susan öffnete langsam die Augen und grinste dann frech.
"Scheißfrisur!", rief sie fröhlich, zeigte auf Elizas Haare und lachte dann laut los.

Hinter Susan flimmerte die Luft und es war, als würde jemand durch einen Schleier treten - bloß, dass dieser Schleier die Realität war. Die Person, die da in dem Raum auftauchte, war Fleetwood. Sie lächelte entschudligend.

"Ohje, ich hoffe ich hab dich nicht erschreckt. Ich musste die arme Susan... naja, ruhigstellen für den Moment."