Alcoholics Anonymous (Odysseus)

"Ich bin... das ist..."
Sie schauderte unwillkürlich.

"Was... was wollen Sie von mir? Ich... Sie verstoßen gegen die Lex Magica", brachte sie eher kleinlaut hervor.

Immer noch lächelte Odysseus dieses böse Lächeln.

"Die Frage gebe ich zurück... Was wolltest du von Roger?" fragte er, ihren Einwand ignorierend.

"Von... Roger?"
Ihr Blick verengte sich.

"Nichts. Was soll ich von ihm wollen."

"Die Lügen kannst du dir sparen. Wenn du jetzt kooperierst, dann kann ich dir vielleicht helfen... Wie viele seid ihr?"

Hilfesuchend irrlichterte ihr Blick durch die graue Wüste des Zwielichts.

"Fünf", log sie . Dann rannte sie blindlings los, warf einen fahrigen Blick über die Schulter und wetzte die von ruinierten Mauern umsäumte Gasse hinunter.

Lauf ruhig... Du kennst dich hier nicht mal im Geringsten aus... Du wirst mich nicht sehen, wenn ich durch die Wand zu dir presche...

Odysseus lief los... Und er trat nur dorthin, wo der Boden unter seinen Füßen unnachgiebig war. Er sah jedoch, wie Cynthia strauchelte, als sie auf einen Gullideckel trat, dessen rostige Oberfläche einfach unter ihrem Tritt nachgab.

Er holte langsam auf und sein Atem kondensierte weiß vor seinem Gesicht. Seine Muskeln wurden kälter - aber ihr würde es nicht anders gehen... Mit dem Unterschied, dass er sich daran bereits gewöhnt hatte.

Spoiler:

Er holte auf. Panisch rannte sie um eine Ecke, kürzte über ein niedriges, bröckeliges Mäuerchen ab. Geschickt nutzte sie, ein paar nackte, rostige Metallpfeiler um sein Sichtfeld zu blockieren und schaffte es so, ihn kurz zu verwirren. Links oder Rechts? Die wertvollen Sekunden kosteten ihn...

Spoiler:

Er wusste, wie rostig etwas im Zwielicht sein konnte. Viel zu oft hatte er seine Handys wegschmeißen, oder seine Kleidung nur noch als ausgeblichene, hauchdünne Papierhüllen getragen, um das nicht zu wissen.

Es musste ein erschreckender Anblick für Fames gewesen sein, wie er durch die Eisenrohre brach, als seien sie aus Asche. Graue Flocken, wie Ruß nach einem Vulkanausbruch umflogen Odysseus.

Fames verlieh ihrem Erschrecken mit einem gellenden Aufschrei Ausdruck. Durch einen Mauerriss stürzte sie sich auf den hinter dem Gebäude liegenden Hof und eilte zu einem der mit Trümmern übersäten Zugängen.

Das war seine Chance. Wenn sie in den linken Zugang lief, würde sie in eine Sackgasse geraten, das verrieten ihm die Ausläufer des alten Herrenhauses, die dort begannen. Da würde alles voller undurchdringlicher Wände im Zwielicht sein, denn dieses Gebäude war hier fest verwurzelt. Also drängte er sie ab.

Sie keuchte und lahmte bereits leicht, als sie die Mauer am Ende des Pfades erreichte. Links und rechts waren ebenfalls Wände. Wie ein gehetztes Reh schaute sie sich ruckartig nach allen Seiten um.

"Scheiße..."

Und Odysseus blieb auf Abstand im Eingang seiner Falle stehen.

"Wenn du leben willst, dann gib endlich auf!" bellte er sie schwer keuchend an. "Es gibt hier kein Entkommen, du bist gefangen."

Sie stand nun im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand. Sie lehnte sich gegen dieselbe und rutschte langsam und erschöpft nach unten.

"...ich...lass mich doch einfach gehen..."
Erschöpfung und Verzweiflung klangen in ihrer Stimme mit.

Er schüttelte langsam, etwas traurig den Kopf.

"Wenn du mir hilfst, diesen Dolor zu fangen, dann kann ich vielleicht etwas für dich tun..." versprach er etwas, von dem er nicht wusste, ob er es halten könnte. "Wie lange geht das schon?"

"Ich bin kein Verräterschwein", gab sie fest zurück und kam langsam etwas zu Atem.

"Wie lange geht was schon? Wie lange kontrollieren die da oben sämtliches Mana? Schon ewig..."

Das war praktisch ein Geständnis.

"Du bist im Konzil. Deine Aufgabe sollte es sein, denen da unten zu helfen." rief er ihr mit Ruhe ins Gedächtnis. "Sicher bist du ihnen aus Idealismus beigetreten, oder zumindest irgendwann musstest du geglaubt haben, dass den Menschen eine eigene Magie innewohnt. Und nun beraubst du sie ihrer? Hilf mir, das zu beenden. Reinige dich von deiner Schuld."

"Und? Werden wir nicht auch beraubt? Man muss eben sehen, wo man bleibt."

Sie schüttelte den Kopf.

"...und am Ende... waren es nur Schläfer."

Odysseus Gesicht bemühte sich darum, nicht vor Verachtung zu sprühen, sondern Mitgefühl zu zeigen.

"Das warst du auch einmal. Und ich. Kannst du in die Zukunft sehen. Kannst du wissen, ob sie je erwachen? Ich kann es nicht. Gut möglich, dass das keiner kann." Er schüttelte den Kopf. "Wenn ihr es noch nicht getan habt... Dann wird Dolor morgen jemanden umbringen, der die Wahrheit erkennen könnte. Oder übermorgen. Irgendwann. Willst du das?"

Sie schnaubte.

"Ist das nicht Haarspalterei? Glaubst du, wir machen das gerne? Wir müssen... wie sollen wir sonst mit unserer Magie Fortschritte machen?"

Spoiler:

"Wofür machst du Fortschritte?" wollte er in ruhigen Tonfall wissen. Er sprach mit ihr, wie er es als Sanitäter im Umgang in Stresssituationen gelernt hatte. "Was ist euer Motiv?"

Er wollte sie daran erinnern, dass sie die Welt besser machen wollte. Das sie selbst erkannte, was sie getan hatte.

Spoiler:

"Fortschritte... was ist denn der Unterschied zwischen mir und denen da oben? Die arkana Macht... ein Meister wird respektiert und gefürchtet."
Sie schüttelte mit verbitterter Miene den Kopf.
"Einem Meister würde man niemals den Zugang zu einer Quelle verweigern. Aber mit uns kann man alles machen. Nur wer hat, dem wird gegeben."

"Und wofür brauchst du Macht und Mana?" bohrte er weiter nach. "Macht ohne ein Ziel ist leer und nutzlos."

Angus verdammt... wo bleibst du... Wo bist du? Keine Telepathie... Am Allerwertesten!

Mit Unverständnis im Blick starrte sie ihn an.

"Wieso? Mit etwas mehr Wissen und Können in den Arkana müsste ich mich nicht von dir herumschubsen lassen. Dann würde ich dich wegfegen, wie die mächtigen Obrimos... dann hätte ich das Problem mit dem Mana gar nicht erst."

Langsam nickte er.

"Und wenn du mir helfen würdest, wäre ich auch kein Problem mehr für dich." entgegnete er ruhig. "In der Tat kann ich dir sogar helfen."

"Wie willst du mir denn helfen? Für wen arbeitest du?"

Ein Glimmer von Hoffnung in ihren Augen.

Er schwieg einen Moment lang.

"Die Leute für die ich arbeite, haben genug Macht, um dafür zu sorgen, dass dir nichts passiert. Sei kooperativ, hilf mir, das zu beenden. Und dir wird nichts geschehen. Vielleicht finden wir sogar einen Platz für jemanden wie dich in unseren Reihen."

Das Glimmen der Hoffnung verstärkte sich etwas.

"...wie...wie würde die Kooperation aussehen?"
Emotionen stritten auf ihrem Gesicht wieder.

Spoiler: