Heimkehr

Die Blickrichtung änderte sich, drehte sich kurz orientierend hin und her. Dann sauste der Goetia zügig los, in eine Richtung, wo - vermutlich - das Hotel lag.

Phobos ließ das Wesen seinen Schandengang laufen, stieg in den Wagen und fuhr auf direktem Weg zum Hotel - wenn nichts dazwischen käme, würde er sich in sein Zimmer zurückziehen und immer wieder prüfen, ob das Goetia auf dem richtigen Weg war.

Es sah so aus. Sie nahm nicht den exakt gleichen Weg, aber Phobos erkannte Elemente wieder, die er auch auf dem Weg gesehen hatte. Sh'aoc war auf dem Weg zurück.

Rich holte sich eine Zeitung aus dem Empfang des Hotels und durchsuchte die Anzeigen nach einer möglichen Wohnung für ihn.

Natürlich war die Wohnsituation katastrophal.

Sobald er einige Anzeigen ausgerissen hatte, fing er an einfach so durch die Zeitung zu blättern und wartete auf Sh'aoc.

Irgendwann kam er durch das Fenster hinein.

"Na du Langweiler?", begrüßte es ihn gut gelaunt.

"Hattest du Schiss, dass ich was anstelle? Ohje... immer noch ein Kontrollfreak."

"Angst hat man vor dem Ungewissen." begrüßte er sie. "Darauf, dass du etwas anstellst, habe ich aber 'ne Garantie."

Er schüttelte den Kopf über Sh'aoc.

"Wir können shoppen gehen. Ich brauche ein neues Handy." Er sah sie zweifelnd an. "Bleibst du bei mir, oder brauchst du Hausarest?"

"Bah. Erledige deine blöden Botengänge doch alleine. Ich bleibe hier. Mach mir mal den Fernseher an."

Die Goetia lümmelte sich aufs Bett.

"Du bist einfach nicht zu begeistern." Er wusste nicht wie oft er das Gefühl hatte, Sh'aoc sei ein Teeny. Vermutlich einfach nur oft.

"Fernsehen konntest du auch bei Lovecraft genug."

"Aber kein Kabelfernsehen! Der hatte nicht mal nen Telefonanschluss."

Er schüttelte den Kopf.
"Du erlaubst ja sowieso nichts, was Spaß macht. Dann kann ich auch hier bleiben und gammeln."

"Wenn du hier bleibst, gammelst du aber nicht. Unterwegs kannst du mich immerhin piesaken." riet ihm.

"Außerdem lass ich mich von dir nicht zwei Mal am selben Tag verarschen." Rich seufzte. "Jetzt komm doch einfach Mal mit."

"Nein danke, kein Interesse."

Sie wendete sich brüsk ab.

Richard seufzte genervt.

"Na dann viel Spaß." meinte er, schaltete den erstbesten Sender ein - es lief eine Doku - und verschwand aus der Tür. Von Außen hing er ein "bitte nicht stören"-Schild an die Tur.

Ein Pre-Paid Handy war sicher schnell gefunden - alle fünf bis zehn Minuten guckte er nach der Zicke.

Telefonläden gab es zuhauf, und er fand auch einen in der Nähe seines Hotes. Dort konnte man alle möglichen Handymodelle nebst Verträgen oder Prepaid-Karten erwerben, vom alten Klappding bis hin zum aktuellsten Smartphone, das auch im Schaufenster aufmerksamkeitsheischend angepriesen wurde.

Die Zicke schaute tatsächlich nur, was in der Glotze lief. Eine Doku über das Leben von Berglöwen in den Sierras.

Spoiler:

Er hatte gerade ein Telefon seiner Wahl erworben und den Laden verlassen, als er einen weiteren Blick ins Hotel war.

Jemand war in den Raum gekommen. Es war eine ältere Dame lateinamerikanischer Herkunft in einer weißen Schürze - wahrscheinlich das Zimmermädchen. Doch statt das Bett zu machen und abzustauben oder aufzuräumen, sah sie sich ausgiebig in dem Raum um und schaute vor allem interessiert in Phobus Koffer und schnüffelte bei seinen Klamotten herum - die ganze Zeit beobachtet, was sie nicht wissen konnte, von einer Goetia und ihm selbst.

Rich stand vor dem Geschäft und fluchte innerlich. Eine normale Servicekraft war das mit Sicherheit nicht, die da seine privaten Sachen durchwühlte. Das wusste er wohl... Immerhin lief der Fernseher und vor der Tür hing ein 'Bitte nicht stören-Schild'.

Drei Mal betete er die Yantras herunter. Dreimal versuchte er die Welt aus den Augen des Goetias zu sehen - die Geheimnisse der Bücherei dieser Frau zu ergründen. Allesamt ohne Erfolg.

Verärgert ballte er die Faust. Etwa eine halbe Minute murmelte er nun schon vor sich hin.

Die Dame hatte wohl inzwischen alles gesehen, was sie sehen wollte. Geld konnte sie ja keines finden, das hatte Phobus mitgenommen. Und so verließ sie den Raum, nachdem sie sich noch ein letztes mal von der Tür aus umgesehen hatte.

"Grütze!" fluchte er zügig, schloss die Augen, murmelte so schnell er konnte das Yantra um auf die verdorbene Seele der Spionin zu blicken. Da war sie schon zur Tür heraus.

Er brach ab und griff statt dessen zu seiner imaginären Schreibfeder. Sie schrieb eine Nachricht auf einen Zettel, den er seinem Golem Sh'oac in den Mund legte.

"Horche..." flüsterte er auf der alten Sprache. Dann hörte die Goetia die Stimme desjenigen in ihrem Kopf, aus dessen Kopf sie entstammte. Verfolge das Zimmermädchen.

Quälend verstrichen die Sekunden, während er die Mudras ausführte und die Beschwörung aussprach. Endlich setzte sich der Goetia in Bewegung und glitt in einer fließenden Bewegung unter der Tür durch. Ein Blick nach rechts - der leere Flur, ein Fenster. Ein Blick nach links. Da war sie! Sie bog dummerweise gerade um die Ecke, wo es zum Treppenhaus ging.

Sh'aoc glitt in die gleiche Richtung, erst zügig, dann verlangsamte er aber sein Tempo drastisch. Der Gedankenzauber hatte nur für kurze Zeit gewirkt.

"Du kommandierst mich ja heute viel herum", sagte die Goetia vor sich hin.
"Warum genau soll ich jetzt dieser neugierigen Frau folgen? Ich dachte, ich darf nicht alleine rumstreunern."

Spoiler:

'Jetzt tu doch einfach, was man dir sagt', hoffte Richard inbrünstig. Er musste dringend routinierter in Telepathie werden. Im Moment war ihm das Risiko zu groß.

'Komm schon!', flehte er in Gedanken den Goetia an.

Spoiler:

Es schien, als würde Shàoc auf eine Antwort warten. Als für einige Augenblicke keine kam, seufzte es theatralisch.

"Eigentlich hast du es nicht verdient. Eigentlich müsste ich zurück ins Zimmer gehen und weiter Fernsehen. Diese Pumas sind sehr interessante Tiere."

Während sie sprach, hatte sie damit begonnen, sich weiter zu bewegen - aber sicher nicht so schnell, wie er konnte.

"Das kommt halt davon, dass du mich ständig zu Sachen zwingst, die ich nicht will. Ich bin da so dran gewöhnt... ohne Zwang hab ich gar keine Lust mehr, irgendwas zu machen."

Sie hatte das Treppenhaus erreicht und schaute über das Geländer nach oben und unten. Von der Dame keine Spur.
"Hm. Ich probiers mal unten."
Und damit warf Sh'aoc sich über das Geländer und fiel ins Erdgeschoss, wo er sich erst einmal wieder orientieren musste.

Während Sh'aoc sprang, schloss er die Augen - natürlich ohne einen echten Effekt zu erzielen. Er musste gerade aussehen wie ein Wahnsinniger, wie er in das Schaufenster sah und nichts mitbekam.

Eigentlich wollte er Sh'aoc auch gar nicht so oft herumkommandieren - aber die Telepathische Verbindung zu ihm konnte er nicht dauerhaft aufrecht erhalten... Andererseits? Warum eigentlich nicht? Ein Projekt für einen anderen Tag.

Der Goetia durchsuchte die Lobby, aber die Zimmerdame war nirgends zu sehen. Systematisch fing er dann an, alles abzusuchen. Immerhin hatte er de facto ja auch überall unbemerkt Zutritt. Im Büro des Mangers war sie nicht, im Speisesaal auch nicht. Die Suche ging weiter.

"Kann ich ihnen noch irgendwie helfen?", fragte verunsichtert jemand neben ihm. Der Verkäufer war des Handyladens war nach draußen gekommen - immerhin stand Phobos noch immer vor dem Schaufenster und starrte in die Gegend - oder hatte die Augen geschlossen - oder murmelte vor sich hin. Jetzt sah ihn der junge Mann mit zweifelndem Blick an.

Mit einem knappen Blick, fand er sich wieder im hier und jetzt wieder.

"Oh." machte er und sah den Mann schief lächelnd an. "Ja. Ich hätte gerne zwei Pre Paid Handys. Ein Smartphone und ein älteres Klappmodell."

Der Mann brauchte eine Erklärung für Phobos seltsames Verhalten.

"Als Mathe-Legastheinker brauche ich manchmal etwas, um zwei große Summen zusammen zu rechnen. Entschuldigen Sie."

Spoiler:

"Oh. Na, dann kommen Sie doch rein... ich hab auch nen Taschenrechner drin."

Er lächelte entschuldigend und hielt ihm die Tür auf.

Richard fuhr sich nervös durch die Haare.

"Das ist mir unglaublich peinlich." erklärte er. "Aber ich weiß auch, wie seltsam das aussehen muss." Erneut lächelte er entschuldigend, dann betrat er mit ihm den Laden.