Heimkehr

"Dafür weiß ich zu wenig über die Welt, als dass ich das jetzt entscheiden könnte." erklärte er ruhig, fast geduldig. Nicht in dem Sinne, als sei er belehrend, sondern eher, als hätte er Geduld mit sich selbst.

"Jetzt mit dem Kopf voraus zu laufen und irgendeinem Ideal hinterher zu hechten halte ich für gefährlich. Dafür kann ich bereits jetzt einen zu großen Unterschied im Leben Vieler machen." Er sah zu dem Goetia. "Vorsicht ist besser als Nachsicht"

Er gluckste leise.

"Na dann Hoffe ich mal, dass du die wichtigen Entscheidungen tatsächlich selbst triffst. Klingt ja zumindest so, als würdest du dich nicht allzu leicht vereinnahmen lassen."

Er winkte nach der Kellnerin.
"Die Rechnung, bitte."

Dann wendete er sich wieder an Phobus.
"Ich fürchte, die Pflicht ruft. Kann man dich irgendwie erreichen?"

"Schwierig." entgegnete er schmunzelnd und dachte kurz nach. "Ich werde morgen von 12 bis 13 Uhr Mittags an der Telefonzelle direkt vor der Universität sein."

"Telefonzelle?"
Er lachte leise.

"Oldschool. Nagut, aber das sollte klappen. Dann werde ich dich um die Zeit kontaktieren."

Die Kellnerin brachte die Rechnung, die Angus mit einem großzügigen Trinkgeld beglich.

"Okay... ich mache mich dann auf den Weg, wenn du sonst nichts mehr zu bereden hast."

Richard ließ den sanften Spott unkommentiert und wartete geduldig ab.

"Nein." entgegnete er schlicht. "Danke für den Kaffee." Er erhob sich.

"Ich wünsche einen ruhigen Arbeitstag." Phobos griff erneut nach seinem Regenschirm - mitten im Sommer San Franciscos.

"Gerne. Bis morgen dann."

Angus verließ darauf hin das Café und ging wieder zurück zum Ugly Truth.

Phobos sah kurz zu seinem Vertrauten und stellte sicher, dass er mit ihm kam. Zur Not half er nach.

Er ging ein paar wortlose Schritte mit ihm.

"Meine Güte, warst du still. So kenne ich dich gar nicht." Er sah ihn kritisch an. "Was heckst du aus?"

"Ich mag diesen Mann nicht!", legte der Goetia los.

"Warum konnte er mich sehen? Ich will nicht von jedem gesehen werden."

"Er hat wie ich Macht über die Welt Gedanken aus der du entsprungen bist." beantwortete er seine Frage. "Und nur solche können dich auch sehen."

Phobos runzelte die Stirn.

"Hast du Angst?" fragte er überrascht.

Die Goetia grollte missbilligend.

"Angst? Ich habe eine Privatsphäre."

Richard grinste schadenfroh.

"Ich kann mal gucken, ob ich ein paar Schattenlumpen auf deine Bandbreite beschwören kann, damit du deinen mannigfaltigen Blößen bedecken kannst."

"Du bist ein zynischer Fleischsack. Manchmal schäme ich mich, dass ich aus deinem Bewusstsein stamme."

Sie schaute demonstrativ weg.

Phobos schüttelte amüsiert den Kopf.

"Da haben wir doch glatt eine Gemeinsamkeit." stachelte er weiter.

"Nächstes mal wenn du unter die Dusche gehst hänge ich auch mal die ganze Zeit mit in der Kabine rum. Mal sehen wie dir das gefällt", giftete er und wich einer Passantin auf, die zügig vorbei ging.

"Du bist amorph... Kannst du dir nicht einfach Kleidung wachsen lassen?" fragte er den Ziegenbock einer Neurose neben ihm. "Oder einfach alles verschwinden lassen, wofür du dich schämst?"

Er öffnete die Tür zum Auto.

"Es geht ums Prinzip! Aber das verstehst du nicht. Ich fahre lieber im Kofferraum mit."

Und in eben diesem verschwand Sh'aoc.

Kopfschüttelnd schob sich Richard hinters Steuer.

'Es fühlte dich von ihm angezogen.' dachte Phobos, als er los fuhr.

"Kränkte es dich, dass er Angst vor dir hatte?" rief er nach hinten.

Der Goetia antwortete nicht.

Das Goetia war vermutlich zu seinem Teenager-Alter entstanden. Kein Wunder also... Er ließ eine Minute verstreichen. Mittlerweile waren sie auf dem Stadtring.

"Hattest du denn sonst Spaß gehabt?" wollte er wissen.

Entweder konnte er Phobus nicht hören, oder er ignorierte ihn schlichtweg.

Phobus dachte kurz nach, ob der Goetia wohl ausgebüchst war... Bei der nächsten Gelegenheit hielt er den Wagen am Straßenrand und prüfte, wo es war.

Der Kofferraum war leer.

Augenblicklich schloss er die Augen und öffnete die seines Goetias.

Eine Straße wurde sichtbar. Menschen gingen vorbei, Autos fuhren. Genau lokalisieren konnte Phobus die Szenerie nicht, aber vom Stadtbild her sah es noch nach Tenderloin aus. Der Goetia streifte dort zwischen den Leuten herum und sah sich einzelne genauer an.

'Blöde Kuh.' ärgerte sich Richard.

Lügen und Betrug. Um Katzengold drehte es sich immer, wenn er seine Routine nutzte. Er musste jemanden vormachen, dass die Kupfermünze in der Hand ein Goldstück war.

"Komm auf direkten Wege zurück in unser Hotelzimmer." versuchte er es. "Das hier ist San Francisco - die Leute im Hotel... Die wollen sich richtig gehen lassen - und sind daran noch nicht gewöhnt."

Ihm gelang es nicht den Zauber in Stein zu meißeln.

'Auf ein Neues.', dachte er angestrengt. "Richard ist jetzt auch unterwegs mit dem schnellen Auto. Da gibt es genau so viel zu gucken! Am besten du gehst so schnell du kannst zu ihm und lässt dich nicht weiter ablenken - sonst kommen wieder Leute und gucken dich einfach an..."

Es gelang ihm, die Hieroglyphen auf den Steinwänden ihres Schädels zu meißeln und ihn zurück zu rufen.