Springbreak

Beschwichtigend ließ er die Hände oben und zog sich einen weiteren Schritt zurück.

"Hannah, ich werde jetzt gehen." sagte er im Versuch irgendwie zu ihr durchzudringen "Aber Francis hat deine Familie verhext." Das letzte Wort flüsterte er. Hoffen wir, dass er sich denselben Spaß wie mit mir gemacht hat... "Sie werden dich nicht wieder erkennen. Deshalb haben sie dich nicht gesucht, verstehst du?"

"Gott steh mir bei..."
Sie drehte sich zur Tür und begann hektisch aufzuschließen. Dabei schaute sie immer wieder zu Galen und Tapio um sich zu vergewissern, dass diese nicht nähe kamen.

Galen blieb stehen.

"Bitte Hannah... Was du tust ist wahnsinnig gefährlich. Deine Eltern werden denken du bist eine Einbrecherin oder etwas schlimmeres wird geschehen..."

Wenn das nicht reichen würde, würde er notgedrungen den Truck erwähnen müssen.

"Ich bin keine Einbrecherin! Ich lebe hier! Ich habe einen Schlüssel", kreischte sie.

"Ich wurde von widerwärtigen Bestien aus der Hölle entführt, und jetzt verfolgt ihr mich auch noch nach Hause! Weg mit euch!"
Sie schloss die Tür auf und schickte sich an, das Haus zu betreten.

So eine Gänsegrütze...

"Wenn du da reingehst... Wie erklärst du dann der Polizei woher der Pick-Up kommt?" fragte er Hannah direkt.

Hoffentlich hat sie keine all zu offensichtliche Magie - dann können wir es zur Not auf eine Prügelei ankommen lassen.

Für einen Moment wirkte sie geschockt, dann lachte sie manisch auf.

"Ha... es gibt Schlimmeres zwischen Himmel und Erde als die Polizei. Euch elende Brut, zum Beispiel. Geht jetzt. Wenn ich euch in zwei Minuten noch auf der Straße sehe, dann gnade euch der Herr!"

Damit ging sie ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Tapio schluckte, während sie von den Zuschauern beäugt wurden. Die Nachbarin schüttelte missbilligend den Kopf und drückte dann nochmal ihre Nase an die Fensterscheibe, um nochmal einen Panoramablick zu bekommen.

Galen drehte sich um und ging auf Tapio zu.

"Okay.. wir formieren uns neu, würd ich sagen... Scheibenkleister." Er sah zu Tapio und dachte kurz nach. Könnte sie einen Goetia entdecken?

Spoiler:

"Nemglan wird da drin bei ihr sein. Du musst auch rein, wenn noch eine Chance bestehen soll, dass sie da lebend wieder rauskommt."

Tapio schaute sich nach den wiederum Schaulustigen um.

"Ich starte ein Ablenkungsmanöver. Du suchst dir dann Deckung und verschwindest im Zwielicht."

Spoiler:

Ist sie nur verwirrt... Oder wirklich ein Banisher? An was für einer Hoffnung klammere ich mich da fest?

Galen nickte.

So oder so darf der Mord nicht in der Öffentlichkeit geschehen. Also besser im Zwielicht...

Und dann suchte er sich eine Deckung.

Tapio ließ sich auf den Boden fallen und begann, Krampfanfälle unter großem Geschrei und Herumgewinde zu simulieren.

Galen huschte zwischen den alten Pick Up und eine Hecke, griff nach der Klinke und öffnete die Tür des rostigen Wagens im Zwielicht.

Dann stieg er durch die Tür ins Zwielicht und wurde unsichtbar für die Welt.

Das Haus der Shepherds exisitierte im Zwielicht... als skeletthafte, beschädigte Struktur, deren Fenster und Türen wie gähnende Leeren hervorstarrten.

Galen betrat zügig das Haus und versuchte sich erst einmal einen Überblick über die Lage zu verschaffen.

Manchmal hatte er das Gefühl, er machte die Arbeit eines Adamantpfeils... In diesen brenzligen Situationen zumindest häufte sich das.

Er sah Hannah durch die feinstoffliche Grenze des Zwielichts, wie sie durch das Erdgeschoss lief und ihre Eltern suchte.

"Mum? Mum! Wo bist du? Mum? Dad? Wo seid ihr?"

Entdeckte er auch eine Maus, einen Vogel oder so etwas?

Er sah nichts dergleichen.

Und wieder wünschte er sich, er könnte sich in der Zeit still halten - Zeit zum Denken irgendwo her holen.

Was sollte er jetzt hier noch tun?

Würde er sie ansprechen... Hier drin... würde sie ihn zweifelsohne angreifen... Aber hatte er eine andere Chance?

Galen zögerte.

"Mum? Dad?"
Plötzlich blieb sie stehen. Drehte sich um. Ihre Augen irrlichterten in Galens Richtung... glitten hin und her, in dem Bereich, wo er stand.

"Wer ist da?"

Galen trat aus dem Zwielicht.

"Ich bin es wieder, Hannah." Und wieder hob er beschwichtigend die Hände. "Bitte... Hör mir zu... Ich bin genau wie du. Auch ich lag in diesem Keller an seiner Kette."

Sie riss ihre Augen auf, wodurch die roten Äderchen sichtbar wurden.

"Wie ein Spuk kommt er aus der leeren Luft. Herr hilf mir..."
Tränen rannen über ihre Wangen.

"Nicht mal in meinem Haus bin ich sicher. Was sagst du? Der Höllenmeister hatte dich auch? Und dann hat er dich in so eine Höllenkreatur verdreht, wie er auch selbst ist. Und jetzt willst du mich zurückholen."

Er schüttelte den Kopf.

"Das will ich nicht Hannah." erwiderte er. Er hatte mal gehört, das man Selbstmordopfern möglichst oft ihren Namen sagen soll - das hier war ähnlich.

"Ich bin hier um dir und deiner Familie zu helfen. Dich von ihm zu befreien." Er sah sie an. "Aber es gibt nichts, womit ich dich von meinen Absichten überzeugen kann, oder?"

Sie lächelte verzweifelt.

"Du lügst... du bist ganz und gar von dieser krankhaften Energie durchdrungen. Sie klebt an dir wie das Blut der höllischen Heerscharen. Es macht, dass sich mir der Magen umdreht und die Augen tränen. Wenn noch ein letzter Funke Menschlichkeit in deinem kalten, schwarzen Herz ist, dann geh jetzt... verlasse unser Haus."

Sie hob eine Hand und richtete ihre Handfläche auf Galen.

Er sah sie ebenso verzweifelt, beinahe flehend an.

"Die selbe Kraft durchfließt auch dich." Er konnte nicht gehen... Sein Mitleid zu ihr war niederschmetternd. Eben jene Menschlichkeit war es, die ihn hier hielt. Er hatte gemordet. Konnte er sie retten? Sich selbst? Darum ging es ihm hier doch, oder? Es ging nur um ihn. Er hätte sie sein können - nur ein kosmischer Zufall hatte das verhindert.

"Bitte Hannah..." Tränen standen ihm in den Augen. Aber er musste kontrolliert bleiben. Kein Platz für Emotionen.