Consilium

Phobos nickte. Aber so hatte er es auch nicht gemeint. Er wollte lediglich die Antworten so wählen, dass sich die Vertreter der Leiter angesprochen fühlen würden. Aber das war eine rhetorische Strategie, die er sich jetzt gut denken konnte - in der Situation jedoch misslich werden könnte.

"Im Laufe der Konfrontation habe auch ich mir etwas zu schaden kommen lassen. Amelius könnte mir das vorwerfen. Wäre es klug, diese Schuld von vornherein einzugestehen?"

"Was genau könnte das für ein Vorwurf sein?"

Phobos verzog den Mund. Kivutar hatte es Nemglan verschwiegen. Hatte Sie ihn vor Nemglan schützen wollen?

"Als ich versuchte Amelius von seiner Flucht abzuhalten, nahm ich ihm für wenige Sekunden das Licht seiner Umgebung. Ein Schläfer beobachtete das. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er den Zeugen entdeckt hat, dazu war er zu aufgewühlt."

"Bedauernswert."

Sein Gesicht war schwer zu deuten.

"Wenn es zur Sprache kommt, solltest du es nicht leugnen."

Phobos nickte zustimmend auf Nemglans ersten Kommentar. Er wusste, dass er das nicht hätte tun sollen.

Als er ihm schließlich den Ratschlag gab, nickte er auf ein Neues.

"Viel mehr kann ich nicht tun, um dich vorzubereiten. Es ist dein erster Besuch einer solchen Sitzung. Du wirst einiges lernen über die politische Welt der Erwachten."

Er wendete sich halb ab.

"Ich werde nun meditieren. Wir sehen uns später."

"Bis später, Meister Nemglan." Phobos trat ein, zwei Schritte zurück.

Der Meister wendete sich dann ganz ab und ging langsam in Richtung einer enger stehenden Baumgruppe, wo er schließlich zwischen den Stämmen und tief hängenden Zweigen verschwand.

Kivutar, die etwas im Hintergrund verschwunden war während des Gesprächs, trat nun wieder auf Phobos zu.

"Gut, dass das geklappt hat. Der Meister vergisst manchmal etwas die Zeit, wenn er als Tier unterwegs ist."

Phobos nickte knapp. Man kann sich in vielem verlieren.

"Auch wenn das eine Frage für Tapio ist: Ist es möglich, die Maske eines Tieres anzulegen?" fragte er darauf hin.

Kivutar sah ihn mit leicht gerunzelter Stirn von der Seite an.

"Meinst du damit die Form eines Tieres anzunehmen? Die Praxis der Masken ist schon dezidiert auf menschliche Identitäten angelegt. Ein Tier kann eine nützliche Tarnung sein, aber ich glaube nicht, dass man sich so tief in die Psyche eines Tieres hineinversetzen sollte."

Sein Blick verriet etwas anderes...

"In Ordnung."

Einen Moment lang sah er schweigend an.

Für einen Moment lang standen sie schweigend da.

"Denkst du, du bist einigermaßen gut vorbereitet?"

Seine Hände versanken in den Taschen seines Sackos.

"Nein." erwiderte er. Eine Mikropause später ergänzte er. "Aber so gut wie möglich. Danke für die Hilfe."

Man sah den Anflug eines Schmunzelns.
"Letztlich muss man selbst Erfahrungen sammeln."

Sie schaute in die Richtung, in die Nemglan verschwunden war.
"Gern geschehen."
Ihr Blick wanderte wieder zu Phobos.
"Es sind noch zwei, drei Stunden bis zur Ratssitzung. Wenn du willst, kannst du noch etwas essen gehen - oder anderweitiges tun."

Phobos mochte öffentliche Auftritte überhaupt nicht. Und auch wenn er keine Angst hatte - ihm war etwas schlecht.

"Ich habe keinen Hunger." erwiderte er. "Aber ich werde die Zeit schon herum kriegen."

Er sah auf seine Armbanduhr.

"Wann muss ich wo sein?"

"Um 13 Uhr im Seven Hills... das ist ein Restaurant in Nob Hill", erklärte sie.

"In Ordnung." Er sah durch den Park. "Noch irgendwelche letzten Ratschläge?"

"Mach dir nicht zu viele Sorgen. Wenn etwas schief geht, biegen wir es danach wieder hin."
Tatsächlich wirkte Kivutar ziemlich entspannt.

Er sah ihr in die Augen. "Also gut."

"Bis dann."

Sie entfernte sich in die gleiche Richtung, in die Nemglan davongegangen war.

Die nächsten Stunden verbrachte Phobos damit, in einem Café zu sitzen. Auf der Straße davor, rissen eine Straßenarbeiter eben diese auf.

Interessiert sah er ihnen bei der Arbeit zu - und auch während ihrer Pause, wo sie sich an einem Tisch in der Nähe unterhielten.

Um 12:15 klingelte sein Wecker.

Und er machte sich auf den zu dem besagten Restaurant.

Das Restaurant war nicht schwer zu finden und ohnehin unschwer an der arkanen Macht zu erkennen, die es umgab, und die Phobos in seiner peripheren Sicht spüren konnte. An den Tischen, die vor dem feinen Hause auf dem verbreiterten Bürgersteig standen, erkannte er bereits einige der Wachen, darunter auch Bhishma, der die Straße und jeden einzelnen, der den Bürgersteig entlang kam, kritisch beäugte.

Er winkte Phobos wortlos durch, als er sich näherte. Im Inneren war das Seven Hills größer, als es zunächst von Außen den Anschein gemacht hatte. Verschieden große Tischgruppen standen verteilt im weiträumigen Hauptsaal, an einer Wand hatte man ein Podium etwas erhöht - davor konnte Phobos schon den Hierarchen ausmachen, der mit einigen anderen Personen im Gespräch war, darunter Kurunta. Aion, Tourmaline und Kivutar waren etwas abseits, ebenfalls in kleinen Grüppchen.

Tapio saß an einem Tisch relativ weit weg von dem Podium und unterhielt sich mit Angus, der sich neben ihm auf eine Stuhllehne stützte. Die Luft war erfüllt von Summen und Tuscheln, da doch schon eine beträchtliche Menge Erwachter eingetroffen waren.

Das unbestimmte Gefühl von Vorsicht schien hier von den Wänden wieder zu hallen. So viele Erwachte. Jeder von ihnen bereitete ihm ein ungutes Gefühl. Und er würde vor ihnen sprechen müssen.

Offiziell war er noch kein Mitglied der Hüter, also hielt er sich fern von den beiden Magiern, mit denen er sich bisher am Besten verstanden hatte - Kivutar und Kurunta einmal ausgenommen.

In eine etwas abgelegene Ecke des Raums, auf einer Wandbank ließ sich Phobos nieder.

Einige Momente nachdem er eingetreten und sich gesetzt hatte, wurden die Leute in dem Raum auf ihn aufmerksam. Immer wieder wurden ihm neugierige Blicke zugeworfen. Tourmaline winkte ihm an einem Punkt kurz zu.

Schließlich löste sich Kurunta aus seiner Gruppe und wackelte auf Phobos zu.

"Hallo, guten Tag!", grüßte er grinsend.

"Na, über Sie erzählt man sich ja interessante Geschichten. Ob da wohl was dran ist?"
Er beugte sich verschwörerisch zu ihm.

Er sah über die Anwesenden Parteien und versuchte sich die Gesichter zu merken. Wer hier zu wem gehörte - und wie sie miteinander wirkten.

Dann trat Kurunta auf ihn zu und Phobos lächelte höflich.

"Haben Sie neue Fragen an mich, seit unserem letzten Gespräch, Sir?"